Die Regisseurin hat alle deutschen Filmpreise eingeheimst. Derzeit läuft ihre Verfilmung des Fontane-Romans “Effi Briest“ in den Kinos.

Hamburg. Diese Frau hat einen ungewöhnlichen Namen. Ein bisschen altmodisch klingt er. Und ein wenig schräg. Ja, sagt sie, wer sich so was als Künstlername ausdenke, müsse ein Komiker sein. Aber ihrer sei echt und bleibe wenigstens hängen. Und dann lacht sie. Sympathisch und sehr gelassen. Hermine Huntgeburth, die Regisseurin, die alle deutschen Filmpreise eingeheimst hat und deren Verfilmung des Fontane-Romans "Effi Briest" gerade in den Kinos läuft.

Und so machen wir uns dran, an die Geschichte dieses Namens. Bei unserem Treffen im Cafe Hundertwasser in Ottensen. Millionenfach sei ihr die Frage schon gestellt worden, sagt sie. Und ein bisschen blöde sei sie auch. Die anderen Mädchen der Familie seien glimpflicher davongekommen. Nur bei ihr, dem fünften von zehn Kindern, hätte sich der Vater durchgesetzt. Die Tochter nach der Mutter und Großmutter Hermine genannt. Nur mit der Abkürzung Minna habe sie Probleme gehabt. Und das sei erst vorbei gewesen, als sie in Hamburg an der Hochschule für Bildende Künste endlich nur Hermine hieß.

Wir lachen gemeinsam darüber, dass das @ so schwierig zu schreiben ist, egal wie oft man es benutzt. Und über das Wort Regisseurin. Diese j- und sch-Laute! Sie spricht das Wort einfach mit einem g. Und es klappt wunderbar. Ihr westfälischer Ursprung vielleicht. Hermine Huntgeburth ist gebürtige Paderbornerin. Aus einem erzkatholischen Hause. Mit sonntäglichem Kirchgang zur Frühmesse morgens um sieben, weil der Vater, ein Urologe, danach zur Visite ins Krankenhaus muss. Und das am schulfreien Tag! In einer bitterkalten und fast leeren Kirche! Und danach noch die Kinderandacht.

Hermine Huntgeburth ist eigentlich auf dem Sprung. Die Vorarbeiten für den nächsten Dreh stehen an. Dafür muss sie morgen nach Köln. Ein Fernsehspiel für den WDR mit dem Arbeitstitel "Der verlorene Vater" mit dem Schauspieler Edgar Selge. Die Geschichte eines Vaters, der mit seiner geschiedenen Frau um die Kinder kämpft. Der andere TV-Spielfilm für den NDR "Das Glück ist eine ernste Sache" mit Friedrich von Thun ist gerade abgedreht. Eine Frau, die sich verzweifelt gegen die Übermacht ihrer Mutter wehrt. Und auch noch ein Problem mit ihrem neuen Lover hat.

Frauen, die gerade an einem Wendepunkt in ihrem Leben stehen. Damit hat sie es. Wie in dem 2005 erfolgreichsten deutschen Film "Die weiße Massai" nach dem Roman von Corinne Hoffmann, in der eine junge Frau sich Hals über Kopf in Kenia in einen Samburu-Krieger verliebt. Mit am Ende katastrophalen Folgen. Und eben auch "Effi Briest", die sich von gesellschaftlichen Zwängen befreit und ... Na, na, sagt sie, das sei nun wirklich zu einfach. Aber es sei auch das Spannende daran. Und das Moderne, wie bei der immerhin vierten Verfilmung von Fontanes Ende des 19. Jahrhunderts entstandenem Roman. Die Frage nach der Aktualität habe sie übrigens auch schon millionenfach beantwortet. Aber das gäbe es heute noch: das Ausbrechen aus Traditionen, elterlichen Wunschvorstellungen. Töchter, die den Traum ihrer Mutter leben sollen. Und sich davon befreien. Dieses Suchen, Finden und endlich auch Gehen des eigenen Weges. Das sei doch hochaktuell. Was hatten Sie denn für Schwierigkeiten mit Sebastian Koch, dem Darsteller des Barons Instetten, fragt sie. Zu schön und zu glatt. Das war nur in Ihrem Kopf drin, sagt sie. Aber wo stehe denn geschrieben, dass dieser Mann alt und hässlich, verknöchert, langweilig und doof sein muss? Es ginge schließlich nicht um Äußerlichkeiten sondern um den gesellschaftlichen Konflikt.

Hermine Huntgeburth hat in ihren Filmen immer gern die Typen gegen den Strich besetzt. Den Edelmacho Götz George in "Das Trio" als stockschwulen Taschendieb. Die selbstbewusste Katharina Thalbach in "Gefährliche Freundin" als eine vom Leben angeknackste Frau. "Das ist ja das Spannende. Diese Diskrepanz zwischen Rolle und Darstellerpersönlichkeit."

Mit unserem Frühstück wird es nichts. Hermine Huntgeburth ist mitreißend, bei jedem Thema engagiert und voll drin verhaftet. Mit schnellem Witz auch. Außerdem habe sie schon gefrühstückt, sagt sie. Und es sei ja auch schon elf Uhr. Aber ein Kaffee wäre gut. Ein Latte Macchiato. "Doppelter Espresso und ein Glas Leitungswasser."

Wo waren wir eigentlich?, fragt sie dann. Bei Kindern und dem Projizieren der eigenen Hoffnungen und Träume in sie. Grauenhaft sei das, sagt sie. Und schwierig. Man müsse sich immer wieder neu zusammenreißen, sich ständig überprüfen, sich klarmachen, dass das, was man sich für seine Kinder wünscht, oft die eigenen Wünsche sind. Ach, sagt sie, die eigenen Probleme, die Fehler ausklinken, sich davon lösen. Freiräume. Schwer zu schaffen. Aber vielleicht machbar. Ihre 20-jährige Tochter will Biologie studieren.

Bei ihr zu Hause sei es sehr einfach gewesen, ein bisschen aus der Art zu schlagen. Nicht Ärztin, Anwältin oder etwas anderes "Ordentliches" zu werden wie ihre Geschwister. Ihre Eltern hätten sie sehr unterstützt. Die haben in mir was gesehen, sagt sie. Ausgerechnet in ihr, der Ruhigsten in dieser riesigen Familie. Bei Familienfeiern kamen lässig 60 Personen zusammen. Inklusive Tanten, Onkel, Cousins und Cousinen. Eine große Familie sei wie ein Mikrokosmos. Immer jemand da, zum Spielen, zum Freuen, zum Streiten. Platzhirsche, die alle um sich scharen und die anderen, ruhigeren, die das Gefühl haben, sie fallen hinten ein bisschen über. Ja, so sei sie wohl eher gewesen. Aber es sei sehr warm und herzlich bei ihnen zugegangen. Da wurde viel umarmt und geküsst, auch vom Vater. Und ihre Mutter habe an jedem Rosenmontag Tränen vergossen, weil ihr die kölsche Heimat fehlte. Eine gute katholische Familie. Mit großer Skepsis gegenüber Andersgläubigen. Eine Heirat unter den Konfessionen sei nicht drin gewesen. Das habe ihr Vater unmissverständlich klargemacht. Und trotzdem. Eine christliche Basis findet sie ungeheuer wichtig. Eine tief humane Angelegenheit sei das, sagt sie. Die auch beinhalte, dass man sich in der Pubertät daran reibe und als erwachsener Mensch die Freiheit habe, sich dafür oder dagegen zu entscheiden. Ihr Ehemann, der Drehbuchautor, Filmregisseur und Produzent Volker Einrauch, mit dem sie zusammen schon einige Filme verwirklich hat, ist protestantisch.

"Teufelsbraten", die Verfilmung des Ulla-Hahn-Romans "Das verborgene Wort", für die sie im letzten Jahr den Bayrischen Fernsehpreis bekommen hat, war ihr deshalb vom Thema sehr nahe. Das rheinische Umfeld, die Auseinandersetzung, auch die Ängste, das Beichten. Wie soll man als Kind wissen, was Sünde ist? Auch sie habe sich damals manchmal einfach etwas ausgedacht.

Über ihren Lieblingsfilm reden wir. Den sie nicht hat. Es sei immer der, an dem sie gerade arbeite, in den sie emotional eingebunden sei, darin lebe. Sie erzählt von der Durststrecke nachdem sie 1991 für "Im Kreis der Lieben" den Bundesfilmpreis in Gold für die beste Nachwuchsregie bekam und dachte, jetzt ginge es schlagartig voran. Stattdessen drei Jahre fast Funkstille. Heftig, sagt sie. Aber man müsse sich treu bleiben. Selbstvertrauen haben und Leute, die einem etwas zutrauen und einem vertrauen. Wie Günter Rohrbach, mit dem sie für die Constantin Film den dritten Film macht.

Das hört sich alles so locker und souverän an, dass man fast vergessen kann, dass sie in einer Männerdomäne großen Erfolg hat. Nein, sagt sie, das sähe sie nicht so. Aber es stimme schon. Frauen würden an die großen Zwei- und Dreiteiler weniger rankommen. Das sei nun mal so. "Das machen die Jungs unter sich aus."

Wir reden auch über Träume. Dass sie wunderbar schlafen könne. Selbst nach einem hektischen Drehtag. Aber mit "Wahnsinnsträumen", in denen sich der ganze Tag wiederhole. Und wie sieht es mit dem Oscar aus? Bei ihr, die schon alle deutschen Filmpreise hat. Hm, sagt sie. Und dann lachend, das Schönste daran sei diese Luxusgarderobe, die den Preisträgerkandidaten fast hinterhergeworfen werde. Oder gilt das etwa nicht für Regisseure?

Dann reden wir noch ein bisschen über die ungeheure Fresssucht von Labradorhunden, selbst wenn - wie bei ihrem Mischlingshund Floh - nur ein kleines Stück davon drin ist. Über die Zeiten, als die Kinder der Familie Huntgeburth so was wie ein Abonnement auf den Job der Kartenabreißer und Garderobiere im Paderborner Theater hatten. Sie jedes Stück unendlich oft sah. Ihre vielen Kinobesuche. Eine Befreiung aus der Paderborner Enge. Darüber, dass sie mit 19 an der Berliner Filmhochschule als zu jung abgelehnt worden sei und das richtig findet, "ein bisschen gelebt haben muss man schon für diesen Beruf". Über Aufklärungsunterricht am Paderborner Mädchengymnasium, dem St. Michaelkloster. Und dann, hach, kommt meine letzte Frage. Die nach dem Sex vor der Ehe. Irgendwie blöde, oder? Ja, sagt sie, sogar Ihre doofste. Beantwortet sie trotzdem. Und macht sich lachend davon. Diese ungewöhnliche Frau mit dem ungewöhnlichen Namen.