Heike Gätjen trifft jede Woche Menschen aus Hamburg. Heute Pascal Hens, HSV-Handballer

Das hat man gern. Einen Mann zum Aufblicken, der auf großem Fuße lebt. Zweimeterunddrei und achtundvierzigkommafünf. Körperlänge und Schuhgröße. Eine ungewöhnliche Frisur hat er auch und einen absolut gewaltigen Hammerwurf. Und nett ist er. Und uneitel. Dieser "Popstar der Platte", auch Pommes genannt. Pascal Hens, Handballer beim HSV. Rückraumspieler links. Mit der Nummer 23 auf dem Trikot.

Der Ball fürs Foto fühlt sich schön klebrig an. Vom Baumharz, sagt Pascal Hens, so eingewachst, dass er nach einem Spiel an der Hand einfach kleben bleibe. Die Demonstration klappt nicht. Pascal Hens lacht. Das tut er gern. Der zweimal schon zum Sportler des Jahres gewählte Handballer mit der großen Fangemeinde. Junge Mädchen rufen ihm schon mal "Hens, du geile S ..." beim Spielen zu. "Cool" finden ihn viele Frauen und flippen fast aus, "wenn der von neun Metern abzieht."

Ja, das höre man doch gern, sagt Pascal Hens. Hier in der nagelneuen Halle des HSV-Handball in der Volksbank Arena, finanziert von der Alexander-Otto-Sportstiftung. Seit Anfang November sind sie drin. Und stolz auf dieses Schmuckstück, wie Pascal Hens es nennt. Vorher sei es ne Qual gewesen mit dem Training. Über ganz Hamburg verteilt. Wo immer es Platz gab. Jetzt, sagt er, hätten sie endlich eine feste Trainingshalle, eine eigene Kabine, die Geschäftsstelle, Fitnessräume. Und, nein, keinen Pool. Aber dafür eine Eishalle gleich nebenan. Das blaue Wunder neben der Color Line Arena teilen sie sich mit den Hamburger Freezers.

Nun aber. Was hat es mit dem Neuner auf sich? Also, sagt Pascal Hens. Das da hinten, die gestrichelte Linie ist neun Meter. Die Abwehrspieler stehen meistens zwischen sechs und neun Metern. Viel näher käme man deshalb nicht ran an den Torraum. Drum werfe er von neun oder zehn Metern ab. Katapultiere sich hoch, lande dabei manchmal hart gefoult wieder auf dem Boden. Das gehöre dazu. Aber sonst. Rein mit dem Ball ins Tor. Ein Hammerwurf eben. Das hat er in 186 Spielen gezeigt. Mit 846 Toren für den HSV. Könnte sein, sagt er. Aber das wisse er nicht genau. Die Zahl der Tore.

Seit dem Weltmeistertitel 2007 ist Handball in. Die Zuschauerzahlen sind gigantisch angestiegen. Beim HSV auf 12 500 im Schnitt. Der Verschleiß ebenso. Pflicht- und Freundschaftsspiele, Turniere, Bundesliga, Champions League dicht aufeinander. Das letzte Spiel jetzt gegen HSG Wetzlar. Am zweiten Januar geht es dann für ihn gleich weiter. Mit dem Training für die WM 2009. Die Problematik zu dicht aufeinander liegender Spiele. Vom Verband festgelegt. Es bleibe einfach keine Zeit zum Verschnaufen, sagt Pascal Hens. Die hole sich der Körper dann, wenn er lahmgelegt wird. Durch Verletzungen. Wie bei ihm nach dem Bruch des linken Schienbeinkopfs. Fast drei Monate auf der Bank. Nur mit Auge und Herz bei all den Spielen der Jungs dabei. Verletzungen. Über dieses Thema könne er noch länger reden. Am linken Fuß alle Bänder durch. Und nur noch zwei intakt. Wir gucken kurz in die sich langsam füllende Mannschaftskabine. Betreuer Mirko Grosser bringt einen Riesenkorb voll Obst. Vitamine für alle, sagt Pascal Hens, der bekennende Ketchupfreak. In seiner Jugend, wie der heute 28-jährige gerne sagt, hielt er die rote Soße aus der Flasche für ein Grundnahrungsmittel und heute beim Grillen zumindest für den perfekten Salatersatz. Jetzt habe er durch gesunde Ernährung und gezieltes Physiotraining seine Körper- und Muskelmasse erheblich verbessert. Von 86 Kilo auf einhundertsechs. Nicht mehr so leicht vom Gegner aus der Luft wegzudrücken bei seinen Sprüngen und Äonen entfernt von diesen spargeldürren Armen, die ihm bei Eintracht Wiesbaden den Spitznamen Pommes einbrachte. Genau. Damals in meiner Jugend, sagt er lachend.

Zurück in der Halle auf der kleinen Tribüne machen wir uns dran an diese Jugend. Begleitet von einem beharrlichen blop blop. Maximilian, der achtjährige Sohn von Trainer Schwalb, wirft sich schon mal auf eine Weltkarriere ein.

Er selbst ist zum Handball eher zufällig gekommen, sagt Pascal Hens. "Zufällisch." Mit dem weichen hessischen "sch" aus Kindheitstagen. Die anderen aus der Klasse spielten alle Handball. Da wollte er auch mitmachen. Und ist dabei geblieben. In Mainz-Kastel in der Grundschule und später in der integrierten Gesamtschule. Schulisch irgendwie ein Durchhänger, sagt er. Unfug im Kopf und keine Lust zum Lernen. "Ich war halt ein Lausbub." Am Abitur kläglich gescheitert. Aber das müsse man nicht unbedingt schreiben. Na gut, sagt er dann. Man wisse ja wirklich immer erst hinterher, dass man da einiges in die Grütze geritten habe. Das sei leider so.

Er spielt Handball bis zur A-Jugend beim TG Kastel und dem SV Kostheim, zwei Jahre bei Eintracht Wiesbaden und dann als Profi beim - in den 90er-Jahren erfolgreichsten deutschen Handballverein - SG Wallau-Massenheim. Nebenbei macht er eine Ausbildung zum Bürokommunikationskaufmann. Was für ein Wort! Ja, sagt er, aber wahnsinnig interessant. Eine Firma, die Fußballabschiedsspiele wie für Jürgen Kohler und mit dem Boxstall Universum zusammen die Klitschkokämpfe organisierte. Richtig große Events. Das habe Spaß gemacht. Von da ging es dann 2003 zum Erstligisten HSV. Die Bundeswehrzeit haben wir noch vergessen. Richtig, sagt Pascal Hens. Die sei relativ easy gewesen. Grundausbildung und dann Sportfördergruppe. Die Militärweltmeisterschaft in Syrien. Fünfter Platz immerhin.

Und plötzlich landen wir bei dem Thema Liebe. Die große ewige Liebe. Natürlich glaube er dran. Er müsse es schließlich wissen. Sechseinhalb Jahre ist er schon mit Freundin Angela zusammen. Seinem Mädel, wie er lässig sagt. Und sehr liebevoll meint. 2009 wollen sie heiraten. Der Termin steht schon fest. Ich weiß einfach, dass sie die Richtige ist, sagt Pascal Hens. "Man hat sich gesucht und gefunden." Punkt. Fertig. Thema durch.

Über den ewigen Kampf der Geschlechter um die Fernbedienung reden wir noch. Dass er selbstverständlich zu Hause der große Zapper sei. Aber irgendwie auch easy, weil beide absolute Fans der TV-Serie "24" seien. Eitel Harmonie also?

Bis auf dieses eine. Die Sache mit dem Wiener Walzer. Die Discoschiene habe er drauf. Und an das Klassische müsse er sicher noch mal ran. Bis zur Hochzeit.

Über NBA reden wir noch. Das Basketball-Internet-Managerspiel. Da sei er jeden Tag drin. Mit ein paar anderen aus der Mannschaft. Auf welcher Position? So was gibt's da nicht, sagt er nachsichtig. Wir sind doch die Manager! Eigentlich, sagt Pascal Hens, sei er im Moment ganz zufrieden. Die Mannschaft gut, die Stadt auch. Das Wetter zwar bescheiden, wenn man wie er so aus dem Süden käme und das Grillen liebe. Zum Träumen sei gar nichts mehr drin. Oder doch. Mit dieser Truppe, auf Augenhöhe mit den besten vier Mannschaften, alles reinholen. Champions League, Deutscher Meister. Alles.

Plötzlich knackt es grauslich. Mein Rücken, sagt Pascal Hens lachend. Seine Freundin würde auch immer Zustände kriegen, wenn er das mache. Aber die Orthopäden hätten gesagt, es sei schon okay.

Auf jeden Fall ist es ein Aufbruchssignal. Wir handeln noch schnell seine Krisen ab. Aus denen ihn die Jungs mit ein paar Klapsen auf den Rücken ganz gut raushelfen könnten. Er sei sowieso ein positiv denkender Mensch, sagt er. Anders ginge es gar nicht, wenn man ein Ziel erreichen wolle. Nie aufgeben. Nicht mal in diesen schlimmen letzten zehn Minuten vor Schluss, wenn man vier Tore hinten liegt. An sich selbst glauben, sagt er fast beschwörend, und nie aufgeben. Niederlagen abhaken aber nicht vergessen. Als Warnung im Hinterkopf behalten. Zwei Tattoos hat er, die ihn beschützen sollen. Religiöse Symbole, gestochen nach seinem Bandscheibenvorfall 2004. Dürers Betende Hände und Jesus am Kreuz. Alles kein Geheimnis. Auch nicht das seiner Frisur. Die lässt er immer im selben Salon künstlerisch gestalten. Von Mirjam bei unisex an der Ottensener Hauptstraße. Da müsse er dringend wieder hin. Zu lang. Der berühmte Hahnenkamm liegt flach. Nur an eins komme ich einfach nicht ran. Die Geschichten, mit denen er die ganze Mannschaft unterhält. Eine vielleicht nur zum Abschied? Nee, sagt er, niemals. Die dürfen den Handballraum nicht verlassen. Ich muss raus. Das nächste Training beginnt.