Heike Gätjen trifft jede Woche Menschen aus Hamburg. Heute: Ian Kiru Karan, Unternehmer und Mäzen

Erfolg macht sich gut. Wenn er so daherkommt. Mit sicherem Schritt und strahlendem Lächeln. Entspannt, heiter und, oh ja, auch sehr charmant. Ein Mann, der mit sich selbst im Reinen ist, wie er sagt. Bescheiden und glücklich, dass er hier tatsächlich angekommen ist. In dieser Stadt, die er so bewundert und liebt und in der er es bis an die Spitze geschafft hat. Ian Kiru Karan, erfolgreicher Unternehmer und großzügiger Mäzen.

Die Liste seiner hilfreichen Finanzspritzen ist lang. Von der Elbphilharmonie und der Staatsoper über die Talmud-Tora-Schule. Von der Bildung gegen Kriminalität am Osdorfer Born und Mümmelmannsberg bis zur Erweiterung des Bucerius-Kunst-Forums. Dazwischen liegen Sportvereine, begabte Tennisspieler, hochbegabte Schülerinnen, politische Parteien, das Herzzentrum und, und ... ein abendfüllendes Programm.

Aber hier auf dem Balkon der "Insel am Alsterufer" geht's erst mal um ganz andere Dinge. Das neu erwachte deutsche Nationalgefühl, über das er sich freut. Nach langen Zeiten der Verneinung und Dürre. Eine Fußballeuphorie vielleicht nur, ja, aber für ihn ein absolut gutes Zeichen. "Eine selbstverständliche Hingabe zu dem, was Deutschland trotz dieser zwölf schrecklichen Jahre des Nationalsozialismus ist: eine große Kulturnation", sagt er. "Das mag pathetisch klingen." Und auch was viel Profaneres erfreut gerade sein Herz. Der Sieg von Wladimir Klitschko, dem alten und neuen Weltmeister im Schwergewicht. Er habe es gewusst. Der Mann sei einfach gut, ein toller Mensch und super Boxer, stilistisch fantastisch. Da drüben an der Bar habe er ihn kennengelernt. Und eine Ehekrise gab es fast im Hause Karan wegen Klitschko. Der Urlaub um einen Tag verschoben, nur um live beim Kampf dabei zu sein. "Verstehen Sie das?" Die Ehekrise ja. "Eine reine Männersache eben", sagt er lachend. Er selbst sei auch ein guter Boxer gewesen. Zu Schulzeiten. Ungeschlagen sogar. Und trotzdem, sagt er, jeder Boxer müsse immer damit rechnen, dass ein Gegner irgendwann einen " lucky punch" landet. In einem kleinen Moment der Unaufmerksamkeit nur.

Ein gutes Stichwort. Ian Karan, der sagt, dass es in seinem Leben "reichlich Ups und Downs" gegeben habe. Aber erst ein Glas Wein noch, sagt er. Von seinem Weingut Baglio delle Cicale auf Sizilien, das er sich mit der Missoni-Familie aus der Modebranche teilt. Und, ja, hier in der Insel ist er auch Mitgesellschafter. Ein Heimspiel irgendwie.

Ian Kiru Karan, der es in Hamburg vom Tellerwäscher zum Container-tycoon brachte, wie es so schön heißt. Es wird wieder nichts. Freunde tauchen auf. Ein Tennispartner mit Ehefrau und Sohn. Herzliche Begrüßung. Einen guten Ball spiele Karan, sagt der Freund, und verlieren könne er auch. Ach, was soll man sich darum streiten, ob der Ball im Aus ist oder nicht, sagt Karan. Nach dem Duschen sei dieser Teil des Tages ohnehin zu Ende und ganz andere Dinge seien wichtig. Schnell lässt er noch eine Flasche Rotwein an den Tisch der Freunde bringen. Und freut sich über deren Freude.

Wenn Sie mich fragen, wo meine Heimat ist, dann ist sie hier in Hamburg, sagt Ian Kiru Karan. Seine Wurzeln lägen in Sri Lanka, geprägt sei er durch die Jahre in England als Sechzehn- bis Neunundzwanzigjähriger. "Die Zeit, in der man Mensch wird." Zu Hause aber sei er in Hamburg. Weit weg von Point Pedro in Sri Lanka, dem damaligen Ceylon. Und diesen einsamen ersten Jahren. Die Mutter bei seiner Geburt gestorben. Der Vater als britischer Pilot in Nordafrika gefallen. Die achtzigjährige Großmutter, "eine großartige Frau", fühlt sich von dem lebhaften Kind überfordert, gibt es ins Internat. Ein Viereinhalbjähriger, der mit Schnuffeltuch und am Daumen lutschend allein durch die Räume eines methodistischen Mädcheninternats geistert. Unbeachtet von seinen im selben Internat lebenden beiden älteren Schwestern. Dann endlich der Kindergarten mit dieser herrlichen langen Mittagspause. Und die Ganztagsschule, die ihm eher lästig ist. Mit 16 schickt ihn die Großmutter nach England. Ein Förderprogramm der methodistischen Kirche - nicht weil er ein guter Schüler, sondern weil er ein guter Kricketspieler ist. Mannschaftskapitän sei er gewesen, sagt Ian Karan, und von dieser sportlich aktiven Zeit lebe sein Körper heute noch.

In England geht er auf die London School of Economics. Sechs Monate vorm Abschluss fliegt er mit zwei Kommilitonen - wegen zu heftiger Demonstrationen gegen den Vietnamkrieg und gegen veraltete Lehrstoffe. Die Scham ohne Abschluss zu sein, habe ihn lange verfolgt, sagt er. Und auch, dass seine vier Geschwister meinten, dass aus ihm nie was werden würde. Aus ihm, Kiru, den sie Disgrace, die Familienschande, nennen. Und nicht Grace, der Auserwählte, wie es richtig übersetzt in seiner Muttersprache Tamil heißt.

"Nun gerade" wird zum Schlüsselwort seines Erfolgs. Aufbegehren sein Antriebsmotor. Gepaart mit einer tiefen Verwurzelung im christlichen Glauben - "Beten hat noch keinem geschadet" -, einem großen Respekt vor Menschen, viel Empathie, Optimismus und einer satten Portion Glück. Schlitzohrigkeit auch? Nein, nein, sagt er, er habe keine miesen Tricks drauf. Sei ein kluger Kaufmann, ein geschickter Verhandlungspartner. Wie im vergangenen Jahr, als er seine Firma Capital Lease für eine dreistellige Millionensumme verkauft und am nächsten Tag wieder durchstartet. Mit Capital Intermodal. In derselben Sparte und unter seinem Namen. Alles im Vertrag durchgefochten, sagt er, das muss man können. Es ist die dritte Firma mittlerweile nach seinem ersten Einstieg ins Containergeschäft 1975 mit der Clou Container GmbH, die Container an Reedereien vermietet und die er 1993 an eine US-Firma verkauft. Die 86 000 Container, sagt er, nicht die ganze Firma.

Nun aber. Die Sache mit dem Tellerwäscher. Damals 1970 in Hamburg. Na gut, sagt Ian Karan. Ein Zwischenspiel nur, um die Sprache zu lernen. Und dann wieder zurück in die Londoner Filiale der deutschen Firma Schenker. Oder war das schon Frankfurt, als ihm ein Freund sagt, mit Hessisch käme er nicht weit auf der Karriereleiter. Egal. Ein paar Monate steht er also in der Küche des damals noch in den Alsterarkaden ansässigen vegetarischen Restaurants. Bis zu den Ellenbogen in Seifenlauge lernt er Deutsch "so, wie es auf der Straße gesprochen wird". Ein guter Einstieg, sagt er, eine gute Basis. Er will in Hamburg bleiben. Geht Klinken putzen, bewirbt sich bei 14 verschiedenen Firmen. Landet durch einen glücklichen Zufall bei der Speditionsfirma Grünhut, lernt dort den Mann kennen, der ihm ein Lehrmeister in hanseatischen Tugenden wird. Der Chef des Ganzen, Fritz Schröder. Ein toller Hanseat, sagt Ian Karan, immer in Nadelstreifen, immer korrekt im Umgang mit Menschen, immer höflich. Die Gültigkeit mündlicher Absprachen. Die Verlässlichkeit im Geschäftsgebaren. Das hat Ian Kiru Karan fasziniert und geprägt auch, und gerade weil er ein Zugereister sei, wie er immer betone. Sie dürfe man nie vergessen, diese Grundbausteine des Lebens, nie verleugnen, sonst würde man die Bodenhaftung verlieren.

Für Bodenhaftung sorgt auch Ehefrau Barbara. Eine lebenskluge Frau und seine beste Freundin, sagt er. Die es nicht immer gut findet, dass er so schnell zu rühren ist, mit lockerer Hand breit ausstreut, wo Schwerpunkte manchmal sinnvoller wären. Sie vermittle den eigenen Kindern den Sinn für den Wert des Geldes und soziale Verantwortung. Ein richtiges Glück, sagt Ian Karan. Und er, ist er auch ein guter Ehemann? Ein schwieriger, sagt er nachdenklich. Die Familie käme zu kurz. Sein Kopf sei so voll. Er wolle so viel noch bewegen und die Zeit dränge. "Bei mir brennt die Kerze schon fast unten." Ein Freund habe gesagt, er sei so, wie in diesem Gedicht von Stephen Grellet, einem vielbeachteten Quäkerprediger des frühen 19. Jahrhunderts: "Ich will alles Gute, das ich tun kann, jetzt tun, und nicht verschieben, denn ich werde den gleichen Weg nicht zurückkommen", heißt es da. Wenn später gesagt werden würde, der Karan, ja, der war in Ordnung. Mehr brauche es nicht.

Zum Abschied gibt es wieder den anderen Ian Kiru Karan. Den charmanten, mit dem es sich so gut lacht. "Sie wollen mich einladen!?", ruft er gespielt empört. "Nein, auf keinen Fall." Der Wein sei ohnehin sein eigener. Und der Capuccino? Auch den nicht. Er habe sich noch nie in seinem ganzen langen Leben von einer Frau einladen lassen. Und das solle auch so bleiben. Punkt.