Heike Gätjen trifft jede Woche Menschen aus Hamburg. Heute Wolf Serno, Schriftsteller.

Das muss man mögen. Einen Mops zum Frühstück. Und dann auch noch auf Augenhöhe. Aber Eddi, der vierjährige Däne, gehört einfach dazu. Als Jüngster der stumpfnasigen Artgenossen, denen sein Herrchen zahlreiche Bücher gewidmet hat. Acht insgesamt. Und jedes auf Anhieb ein Bestseller. Historische Kriminalromane. Prall und süffig. Wie es eben damals so zuging im 17. und 18. Jahrhundert. An seinem neunten Buch, dem letzten der Puppenkönig-Trilogie, schreibt er gerade. 150 Seiten hat er schon geschafft. Er sei ein steter und langsamer Schreiber, sagt er von sich. Wolf Serno, der vor neun Jahren mit dem Schreiben langer, ganzer Sätze anfing. Nach dreißig Jahren komprimierten Stakkatos in der Werbebranche. Und der seitdem glücklich auf der Erfolgswelle schwimmt.

Er ist ein unaufgeregter Mann. Bedächtig, heiter und gut drauf. Mit einem leisen Augenzwinkern, wenn er zu einer seiner Geschichten ansetzt, "noch nie erzählt und extra für dieses Treffen aufgespart". Und voller Vorfreude auf den in wenigen Stunden beginnenden Dänemark-Urlaub. Oben in der Nähe von Hirtshals, wo er weiter schreiben wird. Je nach Wetterlage. Aber erst mal muss Eddi vom Arm. Stöhnt wohlig über die beiden Hundekuchen, die ihm die nette Bedienung hier auf der Terrasse des Cafes Funk-Eck an der Rothenbaumchaussee serviert und taucht ab. Diese spezielle Hunderasse, sagt Wolf Serno, muss man wirklich mögen. Seine Frau Birgit, genannt Micky, als Chefin des Rudels natürlich an erster Stelle in jeder Widmung genannt, hat ihn erst dazu gebracht. Habe sie ihm angepriesen als herrlich unaggressiv, mit viel Persönlichkeit und wunderschön. Da habe er sich gefügt, sagt er. Und sei ihnen seitdem genauso verfallen. Nach nur einem Seitensprung mit Fiedler, einem Jack-Russell-Terrier. Verstorben mit sechzehn Jahren, tief betrauert, und als Asche manchmal noch in einem "kobaltblauen Tönnchen" auf die Reise mitgenommen, "auch wenn es makaber klingt".

Das hat er gern. Diese wie beiläufig hingeworfenen kleinen Schocker. Sorgfältig und gekonnt. Sicher ein Überbleibsel seiner Zeit als erfolgreicher Macher in der Werbebranche.

Und auch beim Einfach-so-drauflos-Sabbeln, wie er sagt, ist er äußerst geschickt. Nennt zu Tag und Monat gleich noch die anderen, mit denen er das Geburtsdatum teilt. Martin Luther, Schiller, Paracelsus. Und schweigt sich aus über seinen wahren Namen. Wolf Serno ist ein Pseudonym. Nur so viel sei verraten. In einem seiner Bücher taucht eine Randfigur auf, die seinen wahren Namen trägt. "Den Spaß musste ich mir einfach gönnen."

Wolf Serno, ein Mann mit der Figur eines Kunstturners, wie er sagt. Kräftiger, kompakter, langer Oberkörper. Kurze Beine. Ideal für die Bücke. Die was? Na, diese Übung am Reck. Dranhängen, sich abstoßen und die Beine gestreckt nach vorne bringen. Auf jeden Fall ist er mal Sechster bei den Hamburger Meisterschaften gewesen. Aber das sei ja alles kein Beruf.

Davon hat er mehrere hinter sich gebracht. Und ein paar Jobs dazu. Als Schüler am Fließband bei der Rugenberger Mühle Brot eintüten, um sich das heiß ersehnte Grundig-Tonbandgerät TK 23 kaufen zu können. Er wird Elektriker, weil es der Familienrat so wollte, sagt er. Die fanden, der Junge spiele immer so schön mit der elektrischen Eisenbahn und könne seinen Fahrraddynamo so gut reparieren, dann solle er das mal zu seinem Beruf machen. Als Zeitsoldat bei der Luftwaffe in Rothenburg an der Wümme setzt er seine Lust am Fabulieren in Bier um. Schreibt seinen nicht ganz so wortgewaltigen Kameraden ihre Liebesbriefe. Schön schwülstig - und erfolgreich. Hochangesehen und sehr verschwiegen. Und das sei jetzt wirklich exklusiv. Genauso wie die Sache mit der zweiten Hochzeit in Las Vegas vor sechs Jahren. Nach 19 Jahren Ehe. In der "Little White Wedding Chapel", wie Elvis Presley. Im Schnellverfahren durchgeführt von Reverend Stone mit den Schaufelhänden für 64 Dollar. Kitschig, komisch und dann doch irgendwie berührend. Worauf wollte ich eigentlich hinaus?, fragt er plötzlich.

Auf den Beginn seiner Schriftstellerlaufbahn. Diesen Tag, an dem er seine erfolgreiche Karriere als Creative Director - "Kreatif, nicht Criätiv, wie die Hamburger gerne sagen" - aufgibt, um endlich rauszulassen, was da schon lange in ihm vor sich hin rumorte und sich nach und nach verdichtete, wie Wolf Serno es nennt. Nach dreißig Jahren in einer Branche, die in knapper teurer Zeit und Slogans rechnet. "Ein schillernder Beruf, aber ein sehr harter." Endlich ungehetzt schreiben, so lange, wie man kann und will. Sein Traum. Ehefrau Micky unterstützt ihn dabei. Seine gute Erdung, wie es scheint. Mach es, habe sie gesagt. Sie verdiene als Richterin schließlich genug, so könne er nur weich fallen. Schon sein erster Hit "Der Wanderchirurg", mehr als 700 Seiten stark, hatte alles, wofür er sich begeistert: Geschichte, Medizin, Morde, Meer.

Und reichlich Sex, nicht wahr? Wie kommen Sie darauf?, fragt er. Das müsste ja erst mal definiert werden. Nun ja, in "Das Spiel des Puppenkönigs" wird sich sogar im Sarg getummelt. Nein, sagt Wolf Serno. Das sei mehr eine lila ausgeschlagene Kiste. Und Sex sei für seine Protagonistin Madame de Chattemont, eine Spionin, nur ein Mittel, an Informationen zu kommen. Kein lustvoller Selbstzweck also? Es war die Zeit der Aufklärung, sagt Wolf Serno nachsichtig.

Schon wieder haben wir den Faden verloren. Von diesem roten Schuhkarton wollte er erzählen, in dem er das Manuskript seines Erstlings, "Der Wanderchirurg", auf die Reise schickte. An 17 Verlage. Schön rot, damit es auf keinem Lektorenschreibtisch so einfach untergeht. Drei Zusagen kommen. Und dann dieser Montag im September 1999. Er unterschreibt den Vertrag bei Droemer-Knaur in München. Mit einer Garantiesumme! Kommt stolz wie Bolle nach Hause, sagt zu seiner Frau, rat mal was ich hier habe, und sie darauf nüchtern: Weiß ich längst. Sie haben es mir zugefaxt. Seitdem schreibt er kontinuierlich, stöbert in Buchhandlungen und Archiven nach alten Stadtplänen, wühlt sich durch aus dem Lateinischen übersetzte Dissertationen von 1790 aus dem Göttinger Institut für Ethik und Geschichte der Medizin. Manchmal sucht er Rat bei Ehefrau Birgit. Wenn es so um Frauenfiguren geht, sagt er. Wie im zweiten Band der Wanderchirurg-Trilogie. Da hätte der Vitus seine Geliebte von der Pest heilen sollen. Zuviel Schmalzschüssel. Die muss sterben, sagt seine Frau knapp beim Alsterspaziergang. So kam es dann auch. "Als Autor ist man ein bisschen Herr über Leben und Tod."

Es gibt noch kurz einen Abriss über die Unterschiede zwischen Beulen- und Lungenpest - "absolut tödlich" -, über den mit giftigen Säften von der Tollkirsche und dem Stechapfel getränkten Schlafschwamm als Narkosemittel, über einige Figuren die sich beim Schreiben so sehr verselbstständigen, ihm ans Herz wachsen, dass sie völlig ungeplant drei Bände überleben. Wie Ramiro García, der kleine Magister mit dem großen Kopf und der dunklen Stimme. Serno-Fans werden wissen, worum es geht. Über die Grundpfeiler einer guten Ehe reden wir. Dieses Nebensichtretenkönnen, sich selbst mit Abstand betrachten, sich auch mal fragen: "Wolf, gefällst du dir noch?" Die Kunst zu objektivieren. Schwierigkeiten gemeinsam sachlich anzugehen. Und, sagt er, ganz wichtig, Humor. Über die gleichen Dinge lachen können und auch darüber lachen wollen. Sie hätten da so Wortspiele, seine Frau und er. Selbst erfunden und zum Totlachen.

Und darüber, wie es einem mit den ersten Seiten von Büchern geht, reden wir auch. Ob man bis zur Mitte durchhalten muss oder spätestens auf Seite drei schon sagen darf, das ist nicht mein Ding. Er habe da noch so eine andere Meßlatte für Buchinhalte, sagt Wolf Serno. Er sähe jeden Buchstaben, jede Zahl als Farbe. Eine Form der Synästhesie sei das. Die nicht unumstrittene These von der Vermischung und Kopplung getrennter Wahrnehmungsdomänen und Sinnesebenen. Das U erscheine ihm braun, das I rot, das A grün. So bekomme eine Seite soforteine farbige Lebendigkeit, löse Wohl- oder Unbehagen aus. Unabhängig vom Inhalt. Mit metallisch-bläulichen oder anthrazitfarbenen Konsonanten hat er es nicht so. Was für ein Glück: Mein Name läuft gut. Das A und Ä sympathisch grün-orange mit einem Hauch Anthrazit nur. Auch das Cafe Funk-Eck komme absolut wohlig braun rüber.

Und Eddi, der krummbeinige Däne? Die Antwort bleibt aus. Liebe lässt sich eben nicht nach Farben sortieren. Und Wolf Serno macht sich mit Mops und einem irgendwie leichten Augenzwinkern davon.