Dierk Strothmann über das ganz besondere, liebe Federvieh

Es gibt Geschichten, die sind es wert, immer wieder erzählt zu werden. Da stand also eines Abends der (nicht nur körperlich, weil fast zwei Meter) große Opernsänger Leo Slezak auf der Bühne. Wagners "Lohengrin" lief perfekt, bis ein etwas voreiliger Bühnenarbeiter den Schwan zu früh losschickte, der, wie man weiß, Parzivals Sohn als Zugmaschine fürs Wassertaxi zur Verfügung steht. Slezak, berühmt für seine Schlagfertigkeit, stutzte kurz und dröhnte dann in seiner vollen Tenorstimme "wann, bitte, geht der nächste Schwan?"

Nun könnte man einwenden, Slezak und Lohengrin haben nicht viel mit Hamburg zu tun. Das stimmt. Aber der Schwan schon.

Und dabei geht es ausnahmsweise nicht um Gesine S. und die Wahl des Bundespräsidenten und um die spannende Frage, wie sich die schwarzgrünen Hamburger Delegierten dort verhalten werden, sondern um das tierische Original, und das schwimmt nun schon seit Jahrhunderten auf der Alster. Ja, Höckerschwäne sollen schon den Fluss bevölkert haben, lange bevor Hammaburg und später Hamburg entstanden. Sie sind also die eigentlichen Ureinwohner unserer schönen Stadt.

Seit dem 12. Juni 1664 wurden Schwäne durch einen strengen Beschluss des hochweisen Senats geschützt, als Symbol für selbstbewusste Unabhängigkeit, gelassene Stärke und in Ermangelung eines richtigen Königs oder Fürsten als Majestätsersatz. Es war bei Androhung harter Strafen verboten, die stolzen Vögel zu beleidigen, sie zu fangen, zu schießen, totzuschlagen oder gar, wie ihre nahen Verwandten, die Enten und Gänse, an hohen Festtagen zu braten. Und so schwammen mit Ausnahme der Jahre 1945 bis 1947, als Not und Hunger wohl doch größer waren als die Sorge um das Hamburger Traditionstier, immer Schwäne auf der Alster. Übrigens sollen Schwäne, vor allem die jüngeren, recht schmackhaft sein.

Belegt ist, dass sich schon seit 1591 zur Fütterung der Schwäne der Hamburger Staatssäckel öffnet, was ja bekanntlich ansonsten nur unter vernehmlichen Murren und Knurren geschieht. Seit 1818 kümmert sich sogar ein "Schwanenvater" um das Federvieh, verholt es im Winter zunächst in die Hohenfelder Bucht beim Schwanenwik und seit dem Winter 1957 auf den Eppendorfer Mühlenteich, der zu diesem Zweck eisfrei gehalten wird.

Schwäne sind schon seit Urzeiten beliebte Wappentiere, wurden von den um gute Nachbarschaft bemühten Hamburgern 1718 als Geschenk an das dänische Königshaus übersandt und später in alle Welt verschickt, darunter nach Böhmen, in die USA, nach Japan und China.

Dabei können Schwäne durchaus ungemütlich werden. Manch einer, der sich in bester Absicht einem der weißen, hübschen Vögel näherte, musste schon Rückzug antreten. Vor allem Kinder sollte man nie ihre Nähe lassen. Auch untereinander sind sich die Schwäne, die im Übrigen gern langjährige Partnerschaften pflegen, nicht immer grün. Kämpfe um das Revier können tödlich enden.

Ein alter Volksglaube sagt, dass Hamburg so lange eine freie Hansestadt bleibe, so lange es Schwäne auf der Alster gebe. So gesehen ist das angesichts sonstiger Staatsausgaben verhältnismäßig bescheidene Geld für den "Schwanenvater" und seine Schützlinge sicher gut angelegt ...