Heike Gätjen trifft jede Woche Menschen aus Hamburg. Heute Christoph Ahlhaus, Innensenator

Er ist ein bisschen spät dran. Aber gut drauf. Und das hat was. Bei diesem Mann, der als Hardliner gilt und sonst immer zur rechten Zeit da ist. Politisch gesehen. Der es zügig von der Kommunalpolitik am Neckar zum Landesgeschäftsführer seiner Partei an der Elbe, zum Staatsrat und dann zum Chef der größten Behörde Hamburgs brachte. Christoph Ahlhaus, seit neun Monaten Innensenator. Der jüngste der Republik und dazu noch in der ersten schwarz-grünen Regierungskoalition in einem Bundesland.

Er ist nicht nur von Amts wegen ein schwergewichtiger Mann. Ja, sagt er. Schätzen Sie mal. So in den hohen Neunzigern? Das sei sehr höflich kalkuliert, sagt er und lacht. Er sei etwas übergewichtig, unsportlich, eher der gemütliche Typ, der aber auch ungemütlich werden könne.

Also gehen wir lieber erst mal raus aus der ungemütlich-schneidenden Kälte hier am Elbrand. Rein ins La Vela, eins seiner Lieblingsrestaurants. Wenn er denn überhaupt mal zu einem privaten Essen komme. Denn dafür sei die Zeit knapp geworden. Seit er im Amt ist. In dem er als Verfechter eines strikt rechtsstaatlichen Kurses ständig unter Beschuss steht. Nennen Sie es lieber mittig wertkonservativ, sagt er.

Ende des vergangenen Jahres wurde er am Rande der Innenministerkonferenz in Potsdam von der Flüchtlingsinitiative "Jugendliche ohne Grenzen" zum "Abschiebeminister 2008" ernannt. Bei einer Demonstration auf der Schanze gab es Ärger wegen des sogenannten Hamburger Polizeikessels, den er lieber "seitlich begleitenden Polizeieinsatz" nennt. Und damit, dass der Koalitionspartner die Online-Durchsuchung nicht wolle, ist er auch nicht einverstanden. Also da könnte er weit ausholen, sagt er.

Wir bestellen lieber erst mal was zu essen. Linguine alla Scogliera hätte er gern. Aber ohne Miesmuscheln.

Wir reden über seinen Hang zur Unpünktlichkeit. Da werde noch ein Zettel hingelegt, eine Akte. Immer alles in letzter Minute. Ein Anruf, eine Mail. Es könnte ja wichtig sein. Er sei einfach von Berufs wegen neugierig, und schon laufe man wieder seinem engen Zeitplan hinterher. Gerade eben habe er sich dieses neue Gerät vorführen lassen. Dieses, na Sie wissen schon. Mit dem man auch von unterwegs ins Internet komme. Im Urlaub endlich Zeitung lesen. Selbst das Abendblatt, "das wird Sie freuen". Denn sonst käme er da ja nicht ran. Wie jetzt gerade im Winterurlaub am Tegernsee. Ob das seiner Frau gefalle, da sei er sich nicht so sicher.

Christoph Ahlhaus ist ein behaglicher Gesprächspartner. Mäßig kontrolliert, sparsam dosiert selbstironisch. Die Haare angegraut und ein bisschen licht. "Als Kind hatte ich blonde Locken. Aber stellen Sie sich das mal bei einem Innensenator vor!" Die Augen von einem schwer durchschaubaren Blaugrau. Die Krawatte stark grünlastig. Eine politische Anbiederung etwa? Nein, sagt er. Die Farbe passe einfach gut zu seinen dunkelgrauen Anzügen. Und, ach, eine geradezu sinnliche Oberlippe hat er auch. Wenn man das so sagen darf von einem Mann, der die Sicherheit der Stadt und ihrer Bürger garantiert. Sinnlich?, sagt er. Ich bitte Sie! Nie gehört. Dann muss er doch lachen.

Also er sei schon emotional. Könne durchaus auch mal weinen. "Man muss doch nicht immer den Rambo machen."

Christoph Ahlhaus also. Ein spießiges Kind sei er gewesen. Kein Abenteurer. Kein Aufmüpfiger. Gut behütet. Der jüngste von drei Geschwistern. Die Familie: alle promovierte Naturwissenschaftler, durch und durch bürgerlich, sagt er. Mit fester Lebensplanung. Haus, Ehe, Kinder. Christoph Ahlhaus hat erst vor zwei Jahren geheiratet. Eine Betriebswirtin. Eine starke Persönlichkeit, sagt er. Da werde schon mal heftig gestritten und genauso heftig wieder vertragen. Und das ihm, der eigentlich harmoniesüchtig sei. Ein Heidelberger, der auf Sylt eine Pfälzerin kennenlernt. Im Alten Gasthof in List. "Nördlicher geht's nun wirklich nicht." Ein Funke sprang über. Sympathie von Anfang an. Dass er kein überwältigender Himmelsstürmer sei, könne man ja schon daran sehen, sagt er, dass es noch anderthalb Jahre gedauert habe bis sie endgültig zusammengekommen seien.

Da draußen, sagt er plötzlich, was für ein Anblick! Das Containerschiff "Spring Bob" von Seatrade schiebt sich gerade hautnah an uns vorbei. Er liebe diesen Blick auf eine wachsende, bewegte Stadt. Er sei ein Großstadtmensch, bekennt er. Deshalb habe er sich damals, nach Banklehre und dem Jurastudium in Heidelberg, München und Berlin auf die Anzeige in der FAZ beworben, als die CDU 2001 einen Landesgeschäftsführer für die Hansestadt suchte. Aus einer liebenswerten Kleinstadt in eine Hafenstadt. Aus der Kommunalpolitik in Heidelberg-Altstadt zum "Geschäftsführer eines kleinen Unternehmens mit politischer Komponente" und dann in die große Landespolitik, befriedige ihn zutiefst.

Er sei nicht übermäßig ehrgeizig, habe sich nie um Ämter gedrängt, war nirgendwo verhakelt, aber immer am richtigen Ort zur richtigen Zeit. Mit einer guten Portion Glück. Und jetzt? Wenn es Finanzsenator Freytag wegen der Krise der HSH Nordbank an den Kragen gehen sollte? Ist er dann als starker zweiter Mann zur Stelle? Nein, sagt er, und seine Augen werden noch ein Stückchen schmaler, der Blick für Sekunden schärfer. Die Frage stelle sich nicht. Er sei in einer Phase, in der er in sich ruhe, müsse nach neun Monaten im Amt keine neuen Ziele entwickeln. Die Aufgabe mache ihm Spaß. Und nein, die Nachfolgefrage halte er für völlig überdreht. Michael Freytag gehe es keineswegs an den Kragen. Ende der Durchsage.

Also zurück zu Christoph Ahlhaus, dem Kind, das die Gleise der Märklin-Eisenbahn auseinandernimmt und eine Stadt drumherum baut. Ein total unsportliches Kind, das auf Drängen der Eltern alle möglichen Sportarten ausprobiert - ohne Erfolg. Er spielt Klavier schon mit vier. Ist im Chor der Städtischen Musik- und Singschule. Ja, und er hätte auch in Hamburg gern sein Klavier dabei. Wenn er denn nicht gerade im 5. Stock wohnen würde. Mit Blick auf die Elbe, aber ohne Fahrstuhl. Klassisches spiele er am liebsten. Robert Schumanns Zyklus "Kinderszenen" etwa. Sachen mit Gefühl. Sollte er eine romantische Seele haben? Och, sagt er. Er sei eben sehr emotional. Und dazu stehe er auch. Mehr Bauchmensch denn Kopfmensch. Und das sei jetzt nicht ironisch gemeint.

Dann wird es ein geruhsames Gespräch, das überall mal hängen bleibt. An seiner Liebe zu Krimiserien im Fernsehen, die er mit seiner Frau teilt. Deutsche Krimis. "Der Alte", "Derrick", "Großstadtrevier". "Zutiefst realistisch." Zu "biederen" Serien auch. "Zwei Münchner in Hamburg", "Diese Drombuschs". An seiner Schulzeit, in der er als Zehnjähriger seine Mitschüler animiert, unter dem Tisch Diplomacy zu spielen. Logisches Denken, eine alte Europakarte. Bis seine Eltern einbestellt werden. Auch dass er Taxifahrer werden wollte. Wenn es mit dem juristischen Staatsexamen nicht geklappt hätte. Taxifahren in New York! Am Puls der Zeit. Mittendrin. Die Stadt, die Leute, die Stimmung, die In-Kneipen, die aktuellen Themen. Mitten im Leben. Das reize ihn ja auch an der Innenpolitik. Am polizeilichen Alltag nah dran sein.

Von seinen Reisen erzählt er. Bis rauf ans Nordkap. Mit sehr sparsamen Übernachtungen. Er organisierte Reisen für Freunde. Moskau, China, Indonesien. Auch Frankreich, Spanien, Italien. Früher habe er jedes zu Hause verbrachte Wochenende für Verschwendung gehalten. Jetzt sei es etwas sehr Wertvolles. An der Elbe spazieren gehen. Gemeinsam kochen, miteinander reden. Natürlich geht das! Bloß weil er vorhin gesagt habe, Männer könnten nicht zwei Sachen gleichzeitig machen. Ich bitte Sie, sagt er. Kartoffelschälen und reden, das geht doch nun wirklich. Über seine Ruckizucki-Einkäufe reden wir. Anzüge von der Stange. Zehnmal die gleichen. Gut sitzend, komfortabel, verlässlich.

Wir trinken noch einen Kaffee. Einen Espresso macchiato hätte er gern. Espresso mit einer kleinen italienischen Haube?, fragt der heitere Ober. Genau. Anwalt wollte er werden damals, aber nicht als solcher arbeiten. Wollte selbst gestalten, ging darum in die Politik. Spannend sei es da. Jetzt besonders. Schwarz-Grün mit dieser unendlichen Bandbreite. Vom rechtslastigen Stammtisch in Wellingsbüttel bis zur Schanze. Und ja, optimistisch sei er, fröhlich, aber manchmal könne er auch gereizt sein. Impulsiv, aber nicht beratungsresistent. Aufbrausend, würde seine Frau sagen.

Die versprochene Zeit ist längst um. Der nächste Termin bedrohlich nahe. Christoph Ahlhaus hilft mir höflich in den Mantel, wir verheddern uns beide in meinem Schal. Ein Innensenator auf Tuchfühlung. Das hat wirklich was.