Roman: Sibylle Bergs Bücher sind gnadenlos und scharf beobachtet. Ihre neue Heldin wehrt sich gegen die Lethargie.

Sibylle Bergs neuer Roman "Ende gut" ist schlicht eine Provokation: Gnadenlos seziert sie die Dumpfheit der an alltäglichen Pflichten klebenden Deutschen, ohne Mitleid entblößt sie das Phlegma hinter der hektischen Geschäftigkeit auf der Jagd nach Geld und Erfolg. Das Buch ist eine Bestandsaufnahme der aktuellen Befindlichkeiten, wie sie treffender nicht sein könnte. Es ist bedrückend und belustigend zugleich, denn bei aller Härte im Urteil über ihre Mitmenschen hat die Autorin ihren schwarzen Humor nicht verloren. "Ende gut" ist ein literarisches Ereignis und ein intellektuelles Erlebnis. "Ich denke nicht, dass meine Bücher böser sind als die Realität", meint die umstrittene Autorin: "So gut bin ich nicht."

Die Heldin ist eine Frau jener Kategorie, die ihr Alter auf Partys, "zu denen einen keiner einlädt", mit "so um die 40" angibt. Sie lebt allein, die Jahre sind einfach so vorbeigeplätschert: "Wenn man isst, schläft, keine Drogen nimmt, sich sauber hält und nicht weiter auffällt, dann passiert es einem so, das Leben." In dem Bewusstsein, dass die Welt demnächst untergehen wird, lässt die Frau aber schließlich Besitz und alte Gewohnheiten hinter sich und macht sich auf die Suche nach dem, was so etwas wie eine heile Welt sein könnte.

Doch bevor sie ihr stilles Glück an der Seite eines Taubstummen findet, trifft sie auf ihrer Odyssee durch Städte und Bundesländer etliche Prototypen aus allen sozialen Schichten Deutschlands - Soldaten und Spekulanten, Professoren, Gummifetischisten, Hausfrauen und Möchtegern-Popstars. Und je schneller sich alles um sie herum auflöst, was einmal in bester Ordnung schien, desto mehr befreit sich die Heldin aus Selbstmitleid und Lethargie. Sie sieht: "Wie schnell können Menschen kaputtgehen. Hast du nicht gesehen, können Beine und Arme fehlen." Genau diese Botschaft will Berg unter die Leute bringen: "Jeder sollte das Ruder "rumreißen und es sich ein bisschen nett machen."

Am Ende kommt die Ich- Erzählerin doch noch ans Ziel: Irgendwo in Finnland findet sie zu sich, findet die Nähe eines Mannes und zum ersten Mal auch eine Heimat. Das ist ein bisschen kitschig, doch der Leser lechzt nach dem Happyend, wurde er doch über viele Seiten auf Untergang eingestimmt.

Die gebürtige Weimarerin schreibt mit erfrischender Offenheit, haarscharfer Beobachtungsgabe und viel schwarzem Humor. Sibylle Berg gehört seit ihrem ersten großen Erfolg "Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot" zu den wenigen Autoren der jüngeren Generation, die sich mit der bundesdeutschen Wirklichkeit auseinander setzen - und dabei auch noch amüsant bleiben. Man muss ihre Bücher nicht mögen, aber lesen sollte man sie.

  • Sibylle Berg: Ende gut. Kiepenheuer & Witsch, 335 S., 19,90 Euro.