Der Abschied im richtigen Moment ist eine Stilfrage. Wann ist Schluss, für einen selbst und für die anderen? Thomas Andre will gar nicht viel drüber reden. Zwei Worte genügen.

Es ist nicht bekannt, ob unsere Nachbarn, die Franzosen, mit einem seltsamen, vielleicht gar nicht zu benennenden Schmerz durch ihr jeweiliges Leben wandeln. Es muss ihnen doch regelmäßig etwas fehlen, denken wir Deutsche ganz ethnozentrisch. Die gehen immer, ohne sich zu verabschieden! Gar plötzlich ist er weg, der Franzose. Deswegen sagt ja der Volksmund: sich französisch verabschieden, wenn einer sich einfach aus dem Staub macht. Das ist eigentlich ein Abschied ohne Abschied. Sich französisch zu verabschieden, das geht mal gar nicht, finden die meisten. Das ist genauso schlimm, als würde man auf einer Feier oder einem Diner das Silberbesteck oder eine Flasche Single Malt Whisky mitgehen lassen.

Wenn die Party vorbei ist (der richtige Augenblick will punktgenau getroffen sein), sollte man eine formvollendete Verabschiedung wählen. Auf Kölsch zum Beispiel wirft man ein joviales "Tschö" in die Runde. Wenn man es mit Diminutiven hat, also gerne zur verniedlichenden Form greift, dann säuselt man das furchtbare "Tschüssi". Und wenn man sich, als Mann, charmant und playermäßig verabschieden will, küsst man sein weibliches Gegenüber diverse Male auf die Wangen. Und wenn die Party ganz vorbei ist, dann lässt man sich einbuddeln. Kreuz drauf, Name und ein Halleluja, fertig ist die Laube.

Das sei hier gesagt, weil die soeben erwähnte Laube in mancherlei Zusammenhängen eben nicht so schnell gezimmert ist. Wäre dem so, dann gäbe es nicht einen Knigge, der für alle möglichen Formen des sozialen Zusammenkommens eine korrekte Zivilisationsformel parat hätte. Wie verabschiede ich mich denn bei einem Empfang, wie bei einem Abendessen? Bei wem eigentlich? In welcher Reihenfolge? Es ist ein enges Korsett, das gesellschaftliche Konventionen einem anlegen. Glückliche Franzosen, dann also doch.

Ihnen bleibt auch der bei Fußballer-Abschiedsspielen und Ruhestandsfeiern immer wieder gern gespielte Song Trude Herrs erspart. "Niemals geht man so ganz", singt die Dame aus Köln-Kalk bekanntlich in ihrem Gassenhauer. Trude Herrs Vater war ein Lokomotivführer, und wir sagen jetzt mal ganz grob: Wer bei einer Abschiedsfeier Trudes Schmachtfetzen auflegt, für den ist der Zug aber so was von abgefahren. Gleiches gilt für die Boxer-Hymne "Time to Say Goodbye". Große Abschiede gehen auch ohne Zapfenstreich oder TV-Show, ohne Pathos und ohne Firlefanz. Zugaben darf es übrigens auch nicht geben. Wer einmal Tschüs gesagt hat, der dreht keine Ehrenrunde mehr. Sehen wir es doch mal so und bewusst banal: Das ganze Leben besteht aus Abschieden. Kleinen und großen, wichtigen und unwichtigen. Sie vollziehen sich mal abrupt, mal schleichend. Muss man gar nicht groß drüber reden.

Neulich wieder, als der Vorstandsvorsitzende des größten Taschentuchherstellers ging, da hat er so lange Rückschau gehalten und seine eigene Biografie nacherzählt, dass am Ende der ganze Saal schnarchte. Sollte man nicht machen, das.

Man sagt einfach und ganz schlicht: Auf Wiedersehen.