Dierk Strothmann über Kaufmannsblut, Dreiräder, Zeit ist Geld und Prinz Bira.

Geländewagen, Allradantrieb, Pick-up - schon schick, das alles, so modern. Sollte man meinen. Aber das ist ein Irrtum, denn schon in den 30er-Jahren des letzten Jahrhunderts gab es das - sogar alles in einem Auto-Modell, und das wurde auch noch in Hamburg gebaut. Es begann 1927, als der Harburger Kohlenhändler Max Vidal seine Löschanlage für englische Kohle verkaufte, weil der Import wegen Devisenschwierigkeiten in Stocken geraten war. In den Adern dieses Max Vidal floss Kaufmannsblut. Im 17. Jahrhundert hatten sich seine Vorfahren als Kaufleute an der Elbe niedergelassen, betrieben eine florierende Handelsfirma und eine Reederei mit Schwerpunkt Ostasien. Seit 1883 verlegten sich die Vidals auf den Kohlenhandel.

Und nun hatten sie Geld und suchten eine Möglichkeit, es gewinnbringend zu investieren. Die Reichsregierung hatte beschlossen, dass Fahrzeuge, die weniger als vier Räder und deren Motoren weniger als 350 PS hatten, steuerfrei sein sollten und dass man sie ohne Führerschein bewegen durfte.

Max Vidal und sein Sohn Oscar entdeckten in Eidelstedt eine kleine Klitsche, die dreirädrige Kleintransporter herstellte. Sie kauften die Firma, die Tempo-Werke GmbH, aber das Produkt hielt nicht, was es versprach. Die Qualität war schlecht, die Technik eine Katastrophe.

Die Vidals hatten dennoch Glück. Im Frühjahr 1929 stieß ein begnadeter Ingenieur zum Team. Er war technischer Leiter bei der Konkurrenzfirma Rollfix-Eilwagen GmbH in Wandsbek, hieß Otto Daus und war im wahrsten Sinne des Wortes "Auto-Didakt". Er tüftelte herum, und es entstand ein Kultauto, eine Kombination von Motorrad und Pritschenwagen auf drei Rädern. Otto Daus hatte den "Tempo-Laster" erfunden, einen wahren Tausendsassa, von dem bereits 1937 mehr als 25 000 Exemplare über deutsche Straßen tuckerten. Jeder dritte deutsche Kleinlaster war damals in Hamburg zusammengeschraubt worden, alles unter dem Motto "Tempo, Tempo schreit die Welt, Tempo, Tempo, Zeit ist Geld, Hast du keinen Tempo-Wagen, wird die Konkurrenz dich schlagen."

1936 stellten die Tempowerke einen Geländewagen mit zwei Motoren vor, einer für die hintere Achse und einer für die vordere, die sich einzeln aus- und einschalten ließen. Sogar alle vier Räder konnten nach Lösung einer Sperrautomatik separat gelenkt werden. Die beiden Reserveräder waren unter dem Wagen angebracht, als "Stützräder", die ein Aufsetzen des Wagens unmöglich machten. Die Welt staunte und kaufte ihn. Die schwedische Armee erwarb 400 Stück, selbst Prinz Bira von Siam leistete sich so ein Ding. Mehr als 4000 Tempo-Geländewagen wurden gebaut.

Nach dem Krieg wurde mit dem Dreirad-Lastesel der Schutt der Bombennächte weggeräumt. Der Tempo war der Klein-Brummi der ersten Nachkriegsjahre, der Transporter, der dem Wirtschaftswunder Schwung verlieh.

Das war 1955 im Wesentlichen vorbei, jetzt waren statussymbolträchtigere Marken angesagt. Oscar Vidal verkaufte an Hanomag und gab 1965 die letzten Geschäftsanteile ab.

Übrigens: Von 1962 bis 2000 bauten die Inder eine Variante des Tempo-Hanseat. Noch heute fahren dort viele der Vehikel - meist als Autorikschas.