Plötzlich und völlig ungeplant in einem Vier-Augen-Gespräch über Gott zu landen? Manche Dinge ergeben sich umso eindringlicher, je weniger man mit ihnen rechnet. So wie an diesem Abend nach einem Arbeitstag, der sich etwa 14 Stunden länger anfühlte, als es gesund sein kann.

Hamburger Taxifahrer lassen über ihren Musikgeschmack nur sehr selten mit sich reden. Da sind sie orthodoxer als ein Pope aus einem weißrussischen Dörfchen, der einen Ikonendieb in flagranti erwischt. Eine Vorliebe für Schlager scheint allerdings wichtige Vorbedingung für die Taxilizenz zu sein. Manche haben selbst verbrochene Krimi-Manuskripte oder Dackeltagebücher im Angebot, angepriesen per Pappschild neben dem Handschuhfach. Einmal versehentlich danach fragen, und man ist fällig. Entweder dreht man Extra-Runden, weil man ein Exemplar mitnimmt und es zur Belohnung auch gleich erzählt bekommt. Oder man dreht Extra-Runden und bekommt es zur Strafe erzählt, weil man eben keins haben will.

Doch der Taxifahrer, der mich diesmal Richtung Feierabend brachte, der war anders. Der hatte dieses Kirchentagsbesucher-Lächeln und diesen überfreundlichen Tonfall in der Stimme, bei dem man sich sofort fragt, wo um Himmels willen eigentlich der Valium-Theologe Eugen Drewermann in den letzten Jahren geblieben war. Hatte der Prediger seine Liebe zum Spätwerk von G.G. Anderson entdeckt, war er aus Paderborn nach Hamburg umgezogen und hatte hier seinen Taxischein gemacht? Um zu erkennen, ob der Pulli womöglich selbst gestrickt war, war es zu dunkel im Taxi. Aber einseitiges Schweigen kann ja auch eine Menge über die Laune eines Fahrgasts erzählen. Er für seinen Teil hat vor ein paar Jahren zu Gott gefunden, meinte der Fahrer unvermittelt, aus heiterem Himmel gewissermaßen. Der sagt ihm immer wieder, wo es langgeht und tröstet ihn nach Fehlern. Wenn er nicht mehr weiterweiß, fragt er Gott. Und wenn Gott ihm antwortet und wieder den Weg weist, bedankt er sich. Ein Navi fürs Leben wäre das dann.

Was für Steilvorlagen für ein leises, hämisches, buchstäblich gottloses Glucksen hätten das sein können. Doch das Gegenteil war der Fall. Zuhören kann manchmal ganz einfach sein, reden dann auch. Der Beifahrersitz wurde jetzt, kurz vor dem Ziel, zum Beichtstuhl mit extra viel Trinkgeld. Wohl auch, weil die statistische Chance klitzeklein war, den gleichen Fahrer von einer höheren Macht als der Funkzentrale ein zweites Mal zugeteilt zu bekommen. Solche Chancen sollte man bei solchen Gelegenheiten nutzen. Der nächste 14-Überstunden-Tag kommt bestimmt.