Dierk Strothmann über einen Vertrag, der Hamburg 1394 die Elbzufahrt sicherte.

Wer schlau ist, der baut einen Hafen am Meer. Das hat seine Vorteile. Wenn eine große Stadt im Binnenland lag und dennoch einen Hafen haben wollte, dann hat sie ihn auch am Meer gebaut. Athen hat das so gemacht mit Piräus, Rom mit Ostia und, na ja, schließlich auch Bremen mit Bremerhaven.

Hamburgs Altvordere sind einen anderen Weg gegangen. Sie wollten ihren Hafen immer ganz dicht bei sich haben - mittendrin und nicht nebenan. Das hat diese Stadt und ihre Menschen auf ewig geprägt. Weltoffenheit, kaufmännischer Unternehmungsgeist, Dynamik, Verständnis und Aufnahmebereitschaft für fremde Menschen und Kulturen und schließlich dann dieser Duft aus Öl, Tang und Wasser. Und die Reeperbahn gäbe es auch nicht ohne den Hafen. Auch wenn Containerkisten weniger Charme haben als Windjammer, lieben die Hamburger ihre Stadt.

Aber wie sollten die Schiffe, die in Hamburg ihre Waren ein- und ausladen wollten, den gefährlichen Weg von der Elbmündung an die Alster schaffen? Überall warteten Räuber und Konkurrenten wie die habgierigen Stader, die auf jede Kiste neidisch waren, die nach Hamburg ging.

Dann wurde vor 615 Jahren, am 31. Juli 1394, ein Vertrag unterzeichnet. Darin erhielten die Herren Lappe 200 Mark bar auf die Hand und 100 weitere, wenn ihr Lehnsherr, der Herzog von Sachsen-Lauenburg, dem Deal zustimmen würde. Hamburg bekam dafür ein wehrhaftes, turmartiges Schloss und ein paar umliegende Ortschaften, wozu das heutige Cuxhaven, die vorgelagerte Insel Neuwerk und die Düne Scharhörn gehörten. Die kleine Burg hieß Ritzebüttel, und schon 1400 zog ein Hamburger Senator dort ein, der erste Chef des "Hamburgischen Amtes Ritzebüttel", Ludolph Wulffhagen.

Dass es überhaupt dazu kam, war das Ergebnis typisch Hamburgischer Politik. Man wandte viel Geduld an, viel Geld und nur wenig Gewalt. Das Rittergeschlecht derer von Lappe, einstmals wohlhabend und mächtig, war nämlich schon lange auf dem absteigenden Ast. Man lebte von der Hand in den Mund, überfiel mal diesen Transport, mal jenen und schlug sich irgendwie durch. Viel war es zwar nicht, was der Hamburger Senat den Lappes immer mal wieder zusteckte, aber es reichte, um sie milde zu stimmen. Dennoch überfielen sie gelegentlich Schiffe auf dem Weg nach Hamburg. 1393 hatten unsere Urahnen die Nase voll. Sie besetzten das Schloss, übernahmen die Macht an der Elbmündung, machten aber die Lappes nicht einen Kopf kürzer, sondern schlossen den schon erwähnten Vertrag.

Das gefiel einigen Leuten gar nicht. Den Stadern nicht und auch nicht den Bremern, die sich allerdings darauf beschränkten, ihren Erzbischof (der ja auch der von Hamburg war) dazu zu bringen, dass er der Besatzung von Ritzebüttel den Besuch der Pfarrkirche in Groden untersagte.

Hamburgs Senat löste das Problem locker und pfiffig. Man beantragte kurzerhand bei Papst Bonifaz VIII. einen tragbaren Altar für das Amt Ritzebüttel, bekam schnell die Genehmigung und zeigte so den Herren in Bremen eine lange Nase.

Weit mehr als 500 Jahre - bis zum "Groß-Hamburg-Gesetz" der Nazis 1937 - blieb das Amt Ritzebüttel und damit auch Cuxhaven Hamburger "Kolonie".