“Wenn einer eine Reise tut, so kann er was erzählen“, schrieb Matthias Claudius. Aber das Abenteuer beginnt weit vor der Abfahrt .

Wenn mein Mann einen Koffer packt, beschäftigt er sich genau eine Stunde davor mit dessen Inhalt. Legt die Sachen nüchtern-sachlich in den Koffer, schließt ihn, und das war's dann mit dem Packen. Ich hingegen befasse mich vor einer Urlaubsreise mindestens drei Wochen mit genau diesem Moment, an dem ich die Koffer aus dem Keller hole.

Jeden Einkauf begleitet die Frage: "Brauche ich noch etwas für die Ferien?" Ich kaufe günstige Strandmuscheln, Sonnencreme mit allen Schutzfaktoren, neue Badehandtücher, sämtliche kleine Spiele zur Beschäftigung der Kinder und lege einen "eventuell-wichtig-für-die-Reise-Haufen" im Keller an. In Buchläden schaue ich mich nach geeigneten Büchern für den Strand um.

Letztere auszusuchen finde ich besonders schwer, weswegen sich in unserem Schlafzimmer schon sehr früh riesige Bücherstapel türmen. "Du hast einen Knall. Die Sachen kannst du doch eh' nicht alle mitnehmen", sagt mein Mann jedes Jahr, aggressiv mit den Augen rollend. Und ich antworte jedes Jahr fast mantraartig: "Stör mich nicht, ich packe. Sonst kannst du ja künftig an alles denken und meinen Job übernehmen." Worauf er antwortet: "Ich brauche eh' nur eine Badehose und ein T-Shirt", und ich innerlich denke: und fünf Hemden, zwei Jeans, die schönen italienischen Schuhe, die zweite Badehose und den Nagelknipser.

Aber es stimmt, für ihn zu packen ist nicht wirklich schwierig. Für die beiden Jungs hingegen ist es ein echter Kraftakt.

Denn bei ihnen geht es darum, Klamotten für alle Eventualitäten - heiße und kalte Tage, Tropenregen und plötzliche Wachstumsschübe - einzupacken. Und jegliche Versuche ihrerseits abzuwehren, heimlich noch 25 Lieblingskuscheltiere, drei Bälle unterschiedlicher Größe, das aufgeblasene Krokodil und den ferngesteuerten Monstertruck in den Koffer zu schmuggeln.

Die schlimmste Pack-Arie hatte ich allerdings kürzlich, als Stefan und ich ohne die Kinder für eine Woche in die Toskana fliegen wollten. Nach Pisa geht ohne Zwischenstopp nur eine Billig-Airline. Und die hat wahrhaft unmenschliche Transportregeln. Jeder Fluggast darf einen Koffer für zehn Euro aufgeben, mit höchstens 15 Kilo - exakt. Jedes weitere Kilo kostet dann 15 Euro, da ist das Check-in-Personal knallhart.

Horrornächte folgten, in denen ich etliche Male im Geiste Sachen ein- und auspackte. Panisch interviewte ich Freunde, ob es irgendwelche Ausnahmen gäbe. Immer wieder maulte ich: "Bei so spießigen Regeln habe ich gar keine Lust auf den Urlaub ..." Dazwischen Stefan, aggressiv Augen rollend: "Ich brauche doch nur eine Badehose ..."

Denn um Geld zu sparen, wollten wir nur einen Koffer aufgeben und zwei als Handgepäck - mit je höchstens zehn Kilo - mitnehmen. Ich lieh mir sämtliche kleine Koffer der Nachbarn und zwang Stefan dazu, beim Packen mitzumachen.

Er musste mit Koffer auf die Waage - rund 20-mal. Hier ein Buch raus, in den anderen Koffer rein, dort ein paar Socken umverteilt, bis er schrie: "Mir reicht's, wir buchen jetzt noch einen Koffer dazu." Und ich zurückbrüllte: "Das kostet im Internet wieder mindestens 20 Euro Visa-Gebühren. Das sehe ich gar nicht ein."

Drei Stunden später hatte ich dann doch für 40 Euro einen weiteren Koffer plus Gebühren dazugebucht. Die Flugstrecke selber war günstiger.

Doch das alles ist am Flughafen immer vergessen, wenn die perfekt gepackten Koffer beim Check-in durch sind. Dann ist da nur noch das Gefühl von grenzenloser Pack-Freiheit. Jetzt kann der Urlaub endlich beginnen.

Und den Haufen im Keller kann ich ja dann für die nächsten Ferien verwenden.