Dierk Strothmann über einen, der nie eine Chance hatte und der grausam mordete.

Heute muss man nur mit der Fernbedienung zappen, schon zieht das Grauen ein. Zerstückelte Leichen, Psychopaten auf der Jagd nach Opfern, die Welt scheint aus Serienkillern zu bestehen. Vor rund 30 Jahren war das noch etwas anders. Da guckte man den "Kommissar" und staunte, wie der eher leise Erik Ode auf subtile Verbrecherjagd ging. Und so waren die Menschen umso entsetzter, als die Polizei am 17. Juli 1975 die zerstückelten Leichen von vier Frauen in einer Dachwohnung in der Zeißstraße 74 in Ottensen entdeckte. Man war auf der Suche nach unentdeckten Brandnestern, weil ganz in der Nähe eine Wohnung ausgebrannt war, als einem Beamten der signifikant süßliche Leichengeruch auffiel. Der Täter war schnell gefunden, er wohnte ja in dieser Wohnung. Sein Name: Fritz Honka.

Und dann ging es los. "Der Würger von Ottensen", "Der Blaubart von Mottenburg" oder "Der Frauenmörder von St. Pauli" lauteten die Schlagzeilen. Die Menschen wollen so etwas lesen, sonst hätten sie ja nicht die Zeitungen gekauft, auf deren Titelseiten diese Zeilen standen - und Serien wie "CSI Miami" hätten heute nicht so hohe Einschaltquoten, Filme wie "Das Schweigen der Lämmer" wären keine Welt-Bestseller. Aber mit den raffinierten Serienkillern, wie sie Val Mac Dermid in ihren Romanen schildert, oder gar mit Anthony Hopkins als diabolischem Hannibal Lecter, hat dieser Fritz Honka, den alle nur "Fiete" nannten, überhaupt nichts zu tun.

Am 31. Juli 1935 wurde er in Leipzig geboren. Alles lief schief in seinem Leben. Sein Vater wurde als Kommunist von den Nazis ermordet, er kam in ein Lager für Kinder von KZ-Insassen. Natürlich kann man die Phrasen von der "unglücklichen Kindheit" nicht mehr hören, mit denen seit Jahrzehnten Verteidiger versuchen, die Untaten ihrer Mandanten zu entschuldigen, aber im Fall Honka war es wirklich so. Der Mann hatte nie eine Chance. Seine Gefühle wurden niemals von jemandem erwidert. Auch von Frauen nicht. Er war klein, hässlich, schielte - alles andere als ein "Mann fürs Leben".

Also musste er Liebe kaufen. Ob in Form einer Gummipuppe oder "Billigangebote von der Straße": Frauen, die ihre "besten Jahre" hinter sich hatten und die froh waren, wenn sich überhaupt irgendjemand für sie interessierte. Leben ganz unten. Dass viele Jahre niemand die vier verschwundenen Frauen vermisste, ist mindestens genauso erschütternd wie die Tatsache, dass Honka sie umbrachte. Warum er das tat, spielt schon fast keine Rolle.

Der Fall Honka war so spektakulär, dass sogar Rolf Bossi, der legendäre Strafverteidiger, aus München einflog und sich für ihn einsetzte. Bossi erreichte, dass Fritz Honka nicht in den Knast wanderte, sondern zu 15 Jahren Haft und Einweisung in eine psychiatrische Klinik verurteilt wurde. Und er schaffte es, dass über ihn niemand mehr schreiben durfte, um seine Resozialisierung nicht zu gefährden. So wurde der Öffentlichkeit verschwiegen, dass Honka 1993 entlassen wurde und anschließend unter dem Namen Peter Jensen in Scharbeutz in einem Altenheim lebte. Seine letzten Jahre verbrachte er damit, sich ständig darüber zu beschweren, dass es in seinem Zimmer nach verwesenden Leichen röche. Dieses schreckliche Drama endete 1998 im Krankenhaus Ochsenzoll, als Fritz Honka starb.