Dierk Strothmann über einen Sport, der relativ wenig Ärger macht, und Meilen, die mit Luxus nichts am Hut haben

In diesem Fall muss das Runde in das Runde, denn die Rede ist nicht von Fußball, sondern von Croquet oder Krocket oder palla e maglio, wie man es früher in Italien nannte, oder Pall Mall in England oder Paille-Maille in Frankreich - was uns schnurstracks nach Altona trägt. Denn vor ungefähr 370 Jahren hatte der im Jahr 1635 erst 22 Jahre alte und (was er natürlich nicht wissen konnte) letzte Schauenburger Graf Otto V. eine Idee, wie er zu Geld kommen könnte.

Das war dringend nötig, denn es tobte ja noch der Dreißigjährige Krieg, der Altona im Vergleich zum benachbarten Hamburg schrecklich gebeutelt hatte. Dieser Otto war ein wenig herumgekommen in der Welt, war unter anderem in Frankreich gewesen, wo ihn ein Spiel faszinierte, in dem eine Kugel aus Buchenholz mithilfe eines ebenfalls hölzernen Hammers durch eiserne Tore getrieben oder an markierte Bäume geschlagen werden musste.

Wer schließlich den Ball mit den wenigsten Schlägen in einem größeren runden Tor am Ende der Spielbahn versenkte, der war Sieger. Da die Regeln einfach waren, jeder seine eigene Kugel hatte und Körperkontakt nicht vorgesehen war, gab es relativ wenig Ärger bei diesem Spiel, wenn man einmal von einer Schweizer Variante absieht, wo der Ball nicht von Tor zu Tor oder von Baum zu Baum, sondern von Wirtshaus zu Wirtshaus geschlagen wurde.

Croquet erobert die Welt 1638 ordnete Otto an, den Weg von der Breiten Gasse nach Ottensen mit jeweils 100 Linden in vier Reihen zu bepflanzen, was drei Bahnen von genau 647 Metern ergab. Da Otto nur relativ selten vor Ort war und Altona damals nur ein winziges Kaff mit knapp 2000 Einwohnern, die meist mehr schlecht als recht ihren Lebensunterhalt als Handwerker erarbeiteten, war jedem klar, was er damit bezweckte. Er wollte aus dem mindestens 40-mal größeren und um ein Vielfaches reicheren Hamburg betuchte "Mailspieler" anlocken und denen die Spielflächen so wie unsere heutigen Kegelbahnen für gutes Geld vermieten.

Es war eine Fehlinvestition, zumal schon bald der "Spiritus Rector", der leitende Geist, fehlte. Am 15. November 1640 starb der junge Graf nach einem Gastmahl in Hildesheim - wahrscheinlich an einem tödlichen Giftcocktail.

Aus Hamburg ließ sich kaum jemand blicken, im Gegenteil, man baute 1665 auf dem Reesendamm eine eigene Bahn, sodass dieser dann ebenfalls Palmaille hieß, allerdings nur kurz, denn schon 1684 bekam er seinen heutigen Namen: Jungfernstieg.

Die Altonaer Palmaille drohte zu verfallen. Aus ihr wurde eine Art Reeperbahn, denn auch dort wurden, wie in Hamburg, lange, gerade Wege benötigt, auf denen Schiffstaue gespannt und verflochten werden konnten. Erst der "Neugründer von Altona", Christian Detlev Graf von Reventlow, ließ Anfang des 18. Jahrhunderts nach dem sogenannten "Schwedenbrand" von 1713, als ein General mit Namen Magnus Stenbock die Stadt niederbrennen ließ, um seiner Forderung nach 50 000 Reichstalern Nachdruck zu verleihen, auch die Palmaille neu errichten. Es wurden wieder Bäume gepflanzt und Fahrwege angelegt, sodass eine Flanier meile (aha!) entstand wie in London (Pall Mall) und Genf (Rue de Mail) oder in den USA, wo die allerdings recht eintönigen Einkaufszentren Shopping Malls heißen.

Aber mit teuren Luxusgeschäften und Einkaufsbummeln hat die inzwischen Hamburgische Palmaille noch nie etwas am Hut gehabt. Früher wohnte man dort - wenn man es sich leisten konnte - und heute residieren dort Firmen, die es sich leisten können.