Wer einen Job sucht, muss sich Überblick verschaffen: Neun Hamburger stellten ein berühmtes Foto aus New York nach.

Viele Hamburger haben das Plakat auf Werbeträgern in der Stadt gesehen - und wahrscheinlich zweimal hingeguckt. Auf den ersten Blick sieht es aus wie die berühmte historische Aufnahme von den Stahlarbeitern, die auf dem New Yorker Rockefeller Center frühstückten - auch heute ein beliebtes Poster-Motiv.

Aber das hier ist nicht New York, sondern Hamburg: unten sieht man die Elbe. Und die muntere Truppe auf dem Stahlträger? Ist auch keine Baukolonne. Aber alle der Beteiligten wollen sich einen besseren Überblick verschaffen - auf den Arbeitsmarkt nämlich.

"Wie ich da raufgekommen bin? Na, ich hab meinen Rollstuhl auf den Rücken genommen und bin da hoch!", sagt Anna-Lotta Jahn - ganz rechts auf dem Foto - und lacht. Ist natürlich ein Scherz: Keins der "Models" musste für das Foto ausprobieren, ob es schwindelfrei ist. Die Idee zu dem Fotomotiv entstand in der "Hamburger Arbeitsassistenz", einem Fachdienst zur beruflichen Eingliederung von Menschen mit einer Behinderung. Auch die möchten hoch hinaus, das heißt: Sie möchten ihren Interessen und Talenten gemäß einen Job finden.

"Viele Behinderte können keine praktische Berufsausbildung absolvieren, aber sie haben zum Teil sehr gute praktische Fähigkeiten", sagt Achim Ciolek, Geschäftsführer der Hamburger Arbeitsassistenz. Früher gab es für die meisten nach dem Schulabschluss nur eine Perspektive: in einer der Behinderten-Werkstätten unterzukommen. "Heute gehen viele Kinder mit einer Behinderung nicht in die Sonderschule, sondern in eine Integrationsklasse und verlassen die Schule mit einer höheren Qualifikation." Für sie, sagt Ciolek, muss dann auch eine differenziertere Vorbereitung auf eine betriebliche Tätigkeit folgen. Diese Aufgabe übernimmt heute - als zweite Alternative zu den Werkstätten - die Hamburger Arbeitsassistenz, bisher bundesweit die einzige Einrichtung dieser Art. Zurzeit betreut sie in Hamburg zwischen 50 und 60 Menschen.

"Innerhalb der zwei Jahre machen sie Praktika in verschiedenen Betrieben und können dabei ausprobieren, was zu ihnen passt, was sie besonders gut können und was sie lieber nicht machen sollten", sagt Ciolek. In der Zeit bekommen sie einen Zuschuss von der Agentur für Arbeit.

Auch die Betriebe, die Praktika- oder Arbeitsplätze bereitstellen, werden von der Arbeitsassistenz beraten und unterstützt. Zum Beispiel, wenn eine Behindertentoilette fehlt oder ein spezielles Gerät angeschafft werden muss. "Wir wollen erreichen, dass unsere Klienten eine faire Chance in der Arbeitswelt bekommen", sagt Achim Ciolek. Dass dieses Modell Erfolg hat, beweist die stolze Bilanz: "70 Prozent der Klienten konnten wir in Arbeitsverhältnisse vermitteln."

Auch die Darsteller auf dem Plakat sind zum Teil noch in der Orientierungsphase, zum Teil aber auch schon in einer festen Anstellung. Christian Behn zum Beispiel (auf dem Foto mit Zange) ist Betriebshelfer an einer Schule geworden. Anna-Lotta Jahn (im Rollstuhl) hat Erfahrungen am PC, im Empfang und als Telefonistin gesammelt und würde gern in einer Verwaltung arbeiten. "Ich habe Praktika u. a. in einer Arztpraxis, in der Schulbehörde, in der Uni-Klinik Eppendorf und einem Altenheim gemacht", erzählt sie. Für das Plakat hat sie gern posiert, inzwischen wurde sie sogar schon von Nachbarn darauf angesprochen.

"Zuerst mussten wir allerdings lange grübeln, wie wir das Fotomotiv technisch umsetzen sollten", sagt Achim Ciolek. Denn erstens ragt ja kein Stahlträger von der Michel-Plattform ins Leere, und zweitens hätte sich da auch niemand freiwillig draufgesetzt.

Also machte sich Stephan Pflug ans Werk: Der freie Fotograf kletterte beherzt auf die Aussichtsplattform von St. Michaelis und fotografierte von dort das Panorama für den Hintergrund. Den Stahlträger entdeckte er auf dem Hamburger Fleischgroßmarkt, das Drahttseil rechts - in Wirklichkeit nur zwanzig Zentimeter lang - fand er im Werkzeugkasten. Seine Models bat er in Zweiergruppen zum Shooting und setzte sie auf Styroporklötze, "damit die Beine richtig baumeln". Am Ende hat Pflug das Plakat aus insgesamt neun Einzelaufnahmen zusammenmontiert.

Das Ergebnis findet er sogar viel schöner als das Original. "Das hat man schon so oft gesehen, dass es fast Kitsch geworden ist", meint er.