167 Vogelarten leben in Gärten und Parks der Hansestadt. Welche aber gibt es am häufigsten? Hobby-Ornithologen forschten nach. Fazit: Amseln und Meisen gibt es überall, der Spatz ist im Sinkflug, der Mauersegler zieht Kreise.

Turdus merula ist bis zu 29 Zentimeter lang, kann 110 Gramm wiegen und ihre Flügel sechsmal in der Sekunde bewegen. Sie baut ihre Wohnungen in Bäumen und Hecken, im Garten und auf dem Balkon, an Briefkästen und auf Leuchtreklame. Sie sorgt zwischen zwei und viermal im Jahr für Nachwuchs. Aber sie lebt gefährlich. Die mögliche Lebenserwartung von 20 Jahren erreicht sie so gut wie nie: Katzen, Greifvögel oder Autos raffen sie oft schon in den ersten fünf Jahren dahin.

Was wir an ihr so lieben, ist ihr melodischer Gesang, mit dem sie uns abends ins Bett schickt und frühmorgens in der Dämmerung weckt. Und sie ist ein Siegertyp: Turdus merula, die Amsel. Wenn Hamburg einen Vogel hat, dann ist sie es - die Schwarzdrossel.

Sie hat eine Erfolgsgeschichte geschrieben: Innerhalb weniger Jahrzehnte mutierte die Amsel vom scheuen Waldvogel zum ständigen Begleiter des Menschen. Das bestätigte auch die dritte Auflage der "Stunde der Gartenvögel", für die der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) die Häufigkeit der heimischen Arten zählen ließ. Das Ergebnis ist eindeutig: Amsel (4950 Beobachtungen), Kohlmeise (3294) und Blaumeise (2456) haben ihren Status als die am häufigsten vorkommenden Vögel in Hamburg verteidigt.

An der dreitägigen bundesweiten Aktion beteiligten sich rund 1800 freiwillige Hamburger Naturfreunde, die Anfang Mai an drei Tagen mehr als 20 000 Vogelbeobachtungen an den Nabu meldeten.

Vogelbeobachter sind ihrerseits eine besonders Spezies. Wer einen Dompfaff im Vatikan verortet, wer eine Grasmücke für ein lästiges Insekt hält und wer als Rauchschwalbe ein leichtes Mädchen mit Glimmstengel bezeichnet, mag über die Beflissenheit der Hobby-Ornithologen nur den Kopf schütteln. Heckenbraunelle? Fitis? Trauerschnäpper? Nie gehört? Dabei zwitschern viele von ihnen im eigenen Garten. Man muß nur genau hinsehen.

Menschen, die sich - mit Feldstecher und Notizblock bewaffnet - in die Wildnis begeben, um ein paar Gramm schwere Federbällchen aufzuspüren, gehören auf den britischen Inseln und in den USA zum Alltag. Das Birdwatching oder Birding ist dort ein Volkssport. Auch der Vogel- Census , eine Volkszählung der gefiederten Freunde, ist da längst Standard. Hierzulande fangen wir gerade erst an. Immerhin konnte man es sich bei der Stunde der Gartenvögel bequem machen und 60 Minuten lang aus dem Fenster die eigene Grünfläche beobachten. Und dann hoffen, daß Sören Kierkegaard (1813-1855) Recht behalten würde:

"Die Vögel kommen in ganzen Schwärmen, um dich zu erfreuen."

Sie kamen, wenn auch nicht in Schwärmen. Amsel, Kohl- und Blaumeise wurden nicht zufällig am häufigsten gesichtet. Sie sind am besten in der Lage, sich dem Menschen und seinem Umfeld anzupassen. "Sie brüten mehrmals im Jahr", sagt Nabu-Sprecher Bernd Quellmalz, "da können sie es verkraften, wenn mal ein paar Jungvögel geräubert werden." Die lautstarke Elster, für viele mehr Nervtöter als Singvogel (was sie ornithologisch aber tatsächlich ist), kletterte auf Platz vier.

Der große Verlierer unter Hamburgs Vögeln aber ist der Spatz. Der gemeine Haussperling, auf der ganzen Welt von Shanghai bis Honolulu verbreitet und bundesweit immer noch die Nummer 1, ist in den Städten auf dem Rückzug. Für den robusten Allerweltsvogel reichte es in Hamburg diesmal nur noch zum fünften Platz. "Das kann damit zusammenhängen, daß sich der Sperling im städtischen Bereich schwertut, weil ihm Brutmöglichkeiten, Sandbadeflächen und Nahrungsangebot fehlen", sagt Quellmalz. Dabei könnte jeder Gartenbesitzer relativ einfach mithelfen, daß der Sperling, Vogel des Jahres 2002, auch als Stadtvogel erhalten bleibt. Wer den Spatz wieder als Untermieter tschilpen hören will, kann auf seinem Grundstück Nistkästen ("Mehrfamilienhäuser" gezielt für Haussperlinge) aufhängen, Fassaden begrünen, Hecken aus heimischen Sträuchern pflanzen und eine ein bis zwei Quadratmeter große Sandfläche anlegen.

Ein bemerkenswertes Comeback in die Top 10 hat der Mauersegler hingelegt. Nabu-Geschäftsführer Stephan Zirpel hält es für möglich, daß der Vogel auch von einer Kampagne profitiert, mit der in Hamburg mehrere hundert Nistplätze geschaffen worden waren, zum Beispiel am Bunker in der Feldstraße oder bei Wohnungsbaugesellschaften: "Vielleicht haben sich unsere Hilfsmaßnahmen nun endlich ausgezahlt." Besonders häufig ist der Mauersegler im Bezirk Altona, wo er auf Platz drei rangiert - noch vor Blaumeise und Elster. In einigen Städten wie Frankfurt oder Köln wurde der Mauersegler sogar am häufigsten gesichtet.

Strenge wissenschaftliche Ansprüche kann die Vogelzähl-Aktion nicht erfüllen. Dazu ist, wie die Nabu-Leute wissen, die Fehlermarge zu hoch. Denn die Stunde der Gartenvögel ist auch die Stunde der Amateure. "Gerade haben wir noch eine Nachmeldung bekommen, weil zwei Haussperlinge bei näherer Betrachtung in Feldsperlinge umdeklariert wurden", berichtet Quellmalz. Doch die Erfahrungen aus Großbritannien zeigen, daß sich die Ergebnisse allein durch die Masse der Daten mit wissenschaftlichen Untersuchungen decken. "Wer bei uns mitmacht, kann schon eine Amsel von einer Meise unterscheiden", hoffen die Nabu-Leute. Schwieriger wird es beim Unterschied zwischen Haus- und Gartenrotschwanz oder bei verschiedenen Taubenarten. Auch das Wetter kann die Daten beeinflussen. Wenn es regnet, fliegen keine Insekten, dann bleiben auch die Mauersegler im Nest sitzen.

Die regional unterschiedliche Verbreitung der Vogelarten läßt Rückschlüsse auf die Struktur der Lebensräume zu. So treten die Ringeltaube, aber auch Zaunkönig, Dompfaff und Heckenbraunelle in Hamburg wie überhaupt im Norden zahlreicher auf als im restlichen Bundesgebiet.

Einzelbeobachtungen, die zunächst dubios erscheinen, können durchaus seriös sein. Uferschnepfe (dreimal), Steinschmätzer (zweimal) oder Raubwürger (einmal) können tatsächlich gesehen worden sein. "Wir wissen ja, welche Arten in Hamburg brüten", sagt Quellmalz.

Denn die Vogelzähler haben es hier leichter als in anderen Teilen der Republik. Hamburg ist eine vogelreiche Stadt. Ornithologen haben in den Grenzen der Hansestadt 167 Arten beobachtet - mehr als in Berlin und anderen Großstädten.

Informationen im Internet: www.nabu-hamburg.de

www.nabu.de (hier können Sie bei den Ergebnissen das Stadtgebiet nach Postleitzahlen aufschlüsseln). Das Nabu-Infozentrum in Eimsbüttel, Osterstraße 58, ist mo-do von 14-17 Uhr besetzt (Tel. 040 / 69 70 89-0).