Wer hätte es gedacht: Löwenzahn erfreut nicht nur das Auge, sondern auch den Gaumen - als Salat, Brotaufstrich und sogar als alkoholisches Getränk.

Endlich sind die Wiesen wieder gelb: In diesem Jahr hat die Löwenzahn-Blüte später begonnen als sonst. Zwar freut sich nicht jeder Gartenbesitzer über die Vermehrungslust dieser Pflanze, dafür sind die filigranen Pusteblumen bei Kindern um so beliebter. Aber Löwenzahn ist nicht nur ein Genuß für die Augen, sondern auch ein Gaumenschmeichler. Schon lange haben seine jungen Blätter Einzug in die Gourmetküche gehalten und werden zu feinen Salaten verarbeitet. Viel weniger bekannt ist allerdings, daß sich aus Löwenzahnblüten auch ein alkoholhaltiger Aperitif und ein fruchtiger Brotaufstrich herstellen lassen.

Einer, der weiß, wie man das macht, ist der gelernte Agrartechniker Georg Viertmann. In seiner Freizeit widmet sich der 39jährige Westfale mit Liebe und Sorgfalt der Zubereitung von Löwenzahnprodukten. Das Rezept für den Löwenzahnwein - der hierzulande aber nicht Wein genannt werden darf, weil diese Bezeichnung ausschließlich den Gärprodukten aus Trauben vorbehalten ist - hat Viert-mann aus Frankreich mitgebracht. Dort hatte er 1989 ein Auslandspraktikum absolviert und sich angeschaut, wie Bauern sich mit handgefertigten Produkten, darunter auch solchen aus Löwenzahn, als Selbstvermarkter ausprobierten.

Und da Gelb schon immer seine Lieblingsfarbe war, versuchte sich Viertmann anschließend in der Heimat selber in der kulinarischen Löwenzahnverwertung. "Am Anfang habe ich es ausschließlich aus Spaß gemacht", sagt er, "auch heute ist es vor allem ein Hobby." Und das, obwohl er mittlerweile pro Jahr etwa 1000 Liter Löwenzahn-Aperitif herstellt.

Nur vier Tage Zeit hat er Ende April/Anfang Mai, die Löwenzahn-Blüten in ihrer vollen Pracht zu ernten. Wenn sie zu welken beginnen, ist Viertmanns Arbeitsphase eins auch schon vorbei. Geerntet wird mit einer selbstgebauten Pflückmaschine, die wie ein Kamm die Blüten von den Stielen rupft. Für 1000 Liter Wein benötigt Viertmann rund 400 Kilo Blüten, dafür seien etwa 1000 Quadratmeter Erntefläche notwendig. Der Agrartechniker ist mathematisch sogar noch mehr in die Tiefe gestiegen: "Für einen halben Liter Aperitif brauche ich 150 Blüten", rechnet er vor.

Wenn er die gelbe Blütenpracht geerntet hat, trägt er sie in seinen Keller, um die Pflanzen dort zu verflüssigen. Zunächst werden die Blüten abgekocht, dann der Sud abgeseiht, Weinhefe, Zucker und Gewürze zugefügt und das Ganze zum Vergären in Edelstahlbehälter umgefüllt. Alles wird täglich gerührt. Wenn nach etwa zehn Wochen die Gärung abgeschlossen ist, entfernt Viertmann die Hefe, filtert die Flüssigkeit und füllt das Ganze um.

Und dann muß gewartet werden. "Ein Jahr alt sollte der Wein sein, bevor er richtig schmeckt", sagt Viertmann. Wie bei einem Reben-Wein schmeckt das junge Löwenzahngetränk frisch und spritzig. Beim Älterwerden nimmt es einen sherry-ahnlichen Geschmack an. "Ich finde, er schmeckt nach Portwein", meint Viertmann.

Zwischen 14 und 17,5 Promille hat das Endprodukt. Es ist zwar streng gesehen kein biologisches Produkt, aber frei von Konservierungsmitteln. Und außerdem ist es lange haltbar. "Ich habe neulich eine acht Jahre alte Flasche aufgemacht, die war noch gut", erzählt Georg Viertmann, "aber ein Glas davon reicht dann auch." Früher hat er die Flaschen noch verschenkt, heute liefert er bundesweit an Hof- und Bioläden (Adressen finden Sie auf seiner Homepage), aber auch an Restaurants der gehobenen Kategorie.

Den Löwenzahnaufstrich vermarktet er auf dem gleichen Weg. Der Brotaufstrich schmeckt nach Honig und Quitte und enthält außer Gelierzucker und ein wenig Zitronensäure ebenfalls keine Zusatzstoffe (Gelee darf er nicht genannt werden, da er nicht aus Früchten hergestellt wird).

Wer es selber ausprobieren will: 200 Gramm gesäuberte Löwenzahnblüten mit einem Liter Wasser aufkochen und fünf Minuten ziehen lassen. Über Nacht abkühlen lassen, dann durch ein Sieb filtern, mit dem Saft einer Zitrone und einem Kilo Gelierzucker vier Minuten lang sprudelnd kochen lassen. Danach noch heiß in luftdichte Gläser abfüllen.

Und jetzt kann der Sommer kommen!

Noch mehr Löwenzahn-Rezepte

Löwenzahnwurzelgemüse

300 g Löwenzahnwurzeln, 1 TL Zitronensaft, 1 kl. Zwiebel, 25 g Butter, Petersilie, Salz, Pfeffer.

Wurzeln gut waschen, faule Stellen entfernen, in Stücke schneiden. Mit Zitronensaft in Wasser weich kochen. Zwiebel in Butter andünsten, abgegossene Wurzeln hinzufügen, mit den Gewürzen abschmecken.

Löwenzahngemüse

500 g frische, junge Löwenzahnblätter, 1 Knoblauchzehe, eine Schalotte, 2 EL Olivenöl, Prise Muskat, Salz, Pfeffer.

Löwenzahn waschen, in grobe Stücke zupfen. Schalotte und Knoblauch hacken, mit Öl andünsten, Löwenzahn kurz mitdünsten, bis er weich ist, würzen.

Viertmanns Homepage: www.loewenzahnaperitif.de