Denkmal: Nicht in Baltimore, auch nicht in Los Angeles oder Montreux - ausgerechnet in einer Kleinstadt in Mecklenburg- Vorpommern wird eine Büste des genialen US-Rock- stars aufgestellt. Eine Geschichte, die vor 30 Jahren begann - in der ehemaligen DDR.

Weihnachten. Ostern. Silvester. Für Wolfhard Kutz fallen am nächsten Sonnabend alle nur denkbaren Festtage zusammen. Denn an diesem 27. Juli um 13.30 Uhr wird das Denkmal eingeweiht, die Büste des großen Meisters. Mit allerlei psychedelischem Brimborium, wie es sich gehört. Das ironische Lächeln um den von Schnauzer und Unterlippenbürste gerahmten Mund, die markante Hakennase im hageren Gesicht, der zum Pferdeschwanz gebändigte Schopf, der spöttische Blick - alles in Bronze gegossen für die Ewigkeit: Frank Zappa. Der US-Musiker (1940-1993) gilt vielen als größtes Genie der Rockgeschichte. Charismatisch. Begnadet. Durchgeknallt. Zauberer wüster Underground-Oratorien, Autor grotesker Popsongs. Bürgerschreck und Provokateur, Botschafter der US-Gegenkultur. Viele Orte kämen für ein Denkmal in Frage: Baltimore, wo der Spross griechisch-arabisch-sizilianischer Abstammung zur Welt kam. Los Angeles, wo er 1964 die "Mothers of Invention" gründete. Montreux, wo 1971 während des Zappa-Konzerts ein Brand ausbrach. Prag, wo Zappa zum Handelsattache und Freund Vaclav Havels avancierte. Selbst die Rock'n'Roll Hall of Fame in Cleveland weist lediglich einen Schriftzug in Glasgravur vor. Nein, es ist ausgerechnet eine Kleinstadt in Mecklenburg-Vorpommern, die den großen Zappa auf den Sockel hievt: Bad Doberan an der Ostsee, 12 000 Einwohner. Vom Rock-Olymp so weit weg wie Karl Moik von Jimi Hendrix. Eigentlich. Vor mehr als 30 Jahren beginnt diese Geschichte, in tiefsten DDR-Zeiten. Mit seiner ersten Zappa-Platte "Burnt weenie sandwich" katapultiert sich 1971 der 16-jährige Wolfhard Kutz in eine zappatriotische Umlaufbahn, auf der er bis heute kreist. "So eine Musik hatte ich noch nie gehört. Extrem dissonant, aber ein fantastisches harmonisches Ganzes. Ich musste mehr haben." Er sammelt Originalplatten, ob auf dem Schwarzmarkt erhökert, von der Oma in die DDR geschmuggelt oder schlicht vom Zoll im Westpaket nicht entdeckt. Jeder Akkord, jede Textzeile wird mit einer Leidenschaft aufgesogen, wie sie nur dem Mangel entwächst. Kein Wunder, dass Zappa-Verehrer Kutz auch ins Fadenkreuz der Stasi gerät. Nach der Wende rufen Kutz und seine Zappa-Verrückten ein Festival mit Live-Musik rund um ihr Idol ins Leben - die Zappanale. Seit 1990 treffen sich Jahr für Jahr Ende Juli mehr Fans und Musiker auf der Pferderennbahn zwischen Bad Doberan und Heiligendamm. Hier entsteht 1999 die Idee eines Zappa-Denkmals. Natürlich in Bad Doberan, denn "das ist der einzige Ort mit einem eingetragenen Frank-Zappa-Verein", sagt Wolfhard Kutz. Auch für den Zappaologen Jim Cohen aus München ist Bad Doberan der einzig wahre Standort, "weil hier die Bewegung Arf-Society geboren wurde - von den Fans, nicht von Kunstmäzenen". Ein Zappa-Denkmal erfordert aber Stehvermögen. Denn dieser Mann war die personifizierte Provokation. Ein Bürgerschreck, dem keine Konvention heilig war, der unermüdlich den American Way of Life attackierte, verpackt in atonal- avantgardistische Klangorgien. Gelegentlich schmuggelte er seine drastischen Botschaften sogar in hitparadenkompatible zuckersüße Balladen. So erzählt "Bobby Brown" von den Sexualfantasien eines jungen Mannes, der im Refrain behauptet: "Oh Gott, ich bin der amerikanische Traum." Und so einen Mann soll man vor den braven Mecklenburgern auf einen Sockel stellen? Die Zappa-Jünger haben einen Vorteil: Ihr Idol war vor Ort nur Insidern bekannt. Und was in Amerika wegen Anstößigkeit auf den Index wandert, regt in Mecklenburg niemanden auf. Außerdem sei alles eine Frage der Interpretation, meint Jim Cohen. Man kann Zappa nämlich auch so sehen: "Er verabscheute Hippies. Er hasste Drogen, weil sie den Geist lahm legen. Er war ein überzeugter amerikanischer Patriot. Und seine zentrale Botschaft war: Nicht verdummen lassen, nicht gleichgültig werden, nie bequem sein." Mit solchen Argumenten zogen Wolfhard Kutz und sein Mitstreiter Michael Heinze aus Braunschweig in Bad Doberan durch Ausschüsse und Fraktionen, um ihr Projekt vorzustellen. Die Stadtvertreter verweisen auf Namen, die den Ort schmücken, wie Ehm Welk, Autor der "Heiden von Kummerow". Für viele endet die Toleranz mit den Beatles oder Stones. Bürgermeister Hartmut Polzin - inzwischen Ehrenmitglied der Arf-Society - preist Zappa immerhin als politisch ambitionierten Menschen. So weicht die Front aus Ablehnung und Desinteresse auf. Die entscheidenden Argumente sind wirtschaftlicher Natur. Die Zappanale, die dieses Jahr ihre 13. Auflage erlebt, ist längst ein wichtiger Wirtschaftsfaktor geworden. Wenn Underground-Ikonen wie Don Preston, Bunk Gardner, Roy Estrada oder Jimmy Carl Black kommen, "trägt das unseren Namen in die Welt", sind sich Kutz und der Bürgermeister einig. Schließlich werden Skulptur und Sockel (etwa 15 000 Euro) aus eigenen Mitteln und über Sponsoren finanziert. Auch die Reinigung bleibt nicht an der Stadt hängen. Und der Standort ist ein Kompromiss. Weil der Kamp, die grüne Innenstadtinsel, mit klassizistischen Gebäuden und zwei chinesischen Pavillons ausscheidet, wählte man eine kleine Halbinsel am verkehrsreichen Alexandrinenplatz - zwischen Dobra-Kaufhaus und Schwanen-Brunnen. Am 20. September 2001 passierte der Vorschlag die Stadtvertretung ohne Gegenstimme. Der Bildhauer Vaclav Cesak aus Pilsen gestaltete die Büste nach einem Foto aus "Burnt weenie sandwich". Franks Geschwister Candy und Bob werden am nächsten Wochenende zur Enthüllung erwartet. Und für Wolfhard Kutz erfüllt sich ein Lebenstraum. Internet: www.arf-society.de Das Ensemble Modern eröffnet am 13. September (Musikhalle) mit Zap- pas "Greggery Peccary & Other Per- suasions" das Hamburger Musikfest.