Topfschlagen und Eierlaufen kommen heute beim Kindergeburtstag nicht mehr an. Kinder, Eltern und ihre Ansprüche haben sich verändert, die Party gerät zum (teuren) Event. Unsere Autorin macht den Zirkus nicht mit.

Ich war wirklich gut vorbereitet. Die Tiermasken hatte ich in einem Katalog bestellt und exakt den Zeitplan im Kindergeburtstags-Ratgeber eingehalten. Mit dem Geburtstagskind in spe, Jannis, habe ich zwei Wochen vorher die Enten-Einladungskarten gebastelt und die vorgeschlagenen Spiele einmal mit ihm und seinem jüngeren Bruder durchgeprobt. Die Zoo-Dekoration habe ich selber gemacht. Nur den Kuchen in Hundeform habe ich mir gespart. Ich war aufrichtig überzeugt, daß bei der Tiermotto-Party für meinen Vierjährigen nichts schiefgehen konnte.

Um es gleich vorweg zu sagen: Der Kindergeburtstag war grausam, erschöpfender als ein Marathonlauf, psychisch aufreibender als ein Selbsterfahrungs-Wochenende, und meine Spontan-Reaktion war: Nie wieder!

Die schönen Tiermasken lagen nach zwei Minuten in der Ecke, Topfschlagen fanden alle Vierjährigen mega öde, und die vier Spiele, die meine Schwiegermutter - immerhin eine Erzieherin - für völlig ausreichend hielt, waren nach zehn Minuten vorbei. Die Kinder wollten die gesamten drei Stunden lang beschäftigt werden. Jannis war zudem komplett überfordert, und während ich ihn tröstete, nahm die Rasselbande sein Zimmer auseinander. Die verständnisvollen Blicke der abholenden Mütter sagten alle das Gleiche: "Du Ärmste! Kindergeburtstage sind die Hölle."

Und sie würden von Jahr zu Jahr schlimmer, erfuhr ich von den erfahrenen Eltern. Muß das so sein? War das früher auch schon so?

Meine Geburtstage habe ich in unserem Garten gefeiert. Meine Eltern haben Schnitzeljagden durch die Straßen oder im nahen Wald veranstaltet. Das geht heute in der Stadt nicht mehr so einfach. Mehr als zwei Kinder passen nicht rein in unseren handtuchgroßen Reihenhaus-Garten, drinnen gibt es auch nicht genug Platz, und die Straßen sind zu gefährlich zum Spielen. Doch es sind nicht nur die veränderten Außenbedingungen, die einen Kindergeburtstag heute so schwierig machen.

"Die Kinder sind total anspruchsvoll geworden, und manche können sich einfach nicht mehr integrieren. Bei meiner letzten Schnitzeljagd, die ich für meine Tochter organisiert hatte, fragte ein Mädchen mich ernsthaft, warum wir denn nicht in eine Mega-Spielstadt gingen. Zu dem anderen Kinderkram hätte sie keine Lust", erzählt ein Kollege sichtbar sauer. "Das habe ich auch schon erlebt", wirft eine Kollegin ein - sie lehnt es als Mutter ab, sich am Feiertag ihres Kindes zum Affen zu machen. "Ich habe zu dem eingeladenen Kind gesagt: ,Wenn du dich langweilst, muß ich wohl deine Eltern anrufen, damit die dich abholen.' Ab da gab's keine Probleme mehr mit der Primadonna."

Sie ärgert sich besonders über die "Geier unter den Gästen". Das sind die Kinder, die alles an Dekoration mitgehen lassen und nachher auch noch eine Riesentüte mit Gästegeschenken erwarten. Ich selber war auch sehr erstaunt, als mein Dreijähriger von einer Feier mit Geschenken im Gegenwert von mindestens zehn Euro zurückkam: mit einer Porzellan-Tasse, einer Schirmmütze, Süßigkeiten und einem Bilderbuch. Was will diese Mutter denn dann zum zehnten Geburtstag ihres Sohnes verschenken? Für jeden Gast ein Fahrrad?

Doch es sind nicht die Kinder, die mit diesen absurden Ansprüchen auf die Welt gekommen sind, sondern es sind die Eltern, die sich verändert haben. Wer, wie früher üblich, drei oder vier eigene Kinder hat, kommt kaum auf die Idee, um jeden Kindergeburtstag einen riesigen Aufwand zu betreiben. Doch inzwischen sind Einzelkinder die Regel, für manche Eltern der sinnstiftende Mittelpunkt ihres Lebens. Und diese Eltern wollen ihrem Liebling einmal im Jahr was ganz besonders Großartiges bieten, das im nächsten Jahr immer noch getoppt werden sollte. So werden diese Geburtstage dann zu richtigen Events hochstilisiert.

Doch auch solche Events müssen organisiert werden. Und da sind wir beim Faktor Zeit, der sich auch verändert hat. Während die meisten Mütter früher zu Hause blieben, versuchen inzwischen viele, auch ich, Beruf und Kinder unter einen Hut zu bringen. Die Folge: Wir haben mehr Geld, aber weniger Zeit und Lust, uns wochenlang über die Geburtstagsvorbereitungen Gedanken zu machen. Der Stressfaktor ist schon im Alltag hoch; und dann noch einen Horrorgeburtstag zu Hause? Nein, danke.

Allerdings gibt es für diese Probleme auch schon Lösungen. Das Zauberwort heißt: den Geburtstag outsourcen . Es gibt inzwischen ein riesiges Angebot von Veranstaltern, die Kindergeburtstage in jeder Preislage und in jeder Form der Perfektion organisieren. Eltern können wählen zwischen anspruchsvoller Beschäftigung und reiner Unterhaltung, für sich selbst zwischen ein bißchen Mitmachen und völliger Entspannung.

Etliche Museen, Bauernhöfe, Mega-Spielstädte, Erlebnisparks, Wildparks, Kart-Bahnen und Theater bieten Geburtstags-Programme an. Kosten entstehen zwischen fünf und 20 Euro pro Kind. Es gibt Riesenhüpfburgen für 150 Euro und ausleihbare Partykisten. Oder es gibt Agenturen, die gleich das ganze Ereignis vom Anfang bis zum Ende zu Hause durchstylen. Die bieten dann Essen, Kostüme, Dekoration und Animateure, die zu jedem erdenkbaren Motto eine Party steigen lassen - für bis zu 400 Euro in der Luxusvariante.

Es gebe inzwischen einen richtigen Kindergeburtstags-Wettbewerb unter Müttern, bescheinigt die Kollegin. Da werde nicht immer gefragt, "was will mein Kind", sondern "wie mache ich den meisten Eindruck"?

Muß ich denn diesen Wahnsinn überhaupt mitmachen? "Nein, auf keinen Fall", sagt Dietrich Schacht vom Deutschen Familienverband, Landesverband Hamburg. "Kinder wünschen sich nicht unbedingt so einen Event. Die haben in der Regel bei ihrem Kindergeburtstag kein Wettbewerbsdenken." Er plädiert für den Geburtstag zu Hause oder auf einem bekannten Spielplatz; da fühle sich das Kind sicher und geborgen und kann gleichzeitig Gastgeber spielen.

Schacht lehnt zwar eine komplett von außen organisierte Kinderparty nicht generell ab, aber dann "muß man eine Zielrichtung finden, die die Neugier der Kinder weckt und bei der sie neue Erfahrungen machen können". Das wichtigste sei, daß man das Geburtstagskind mit in die Planung einbezieht und daß es selbst im Mittelpunkt steht - nicht der Ort, das Motto oder der Animateur.

Ich habe inzwischen beschlossen, den Museums-Nachmittag, den ich für Jannis' nächsten Geburtstag schon gebucht hatte, wieder abzusagen. Wir feiern auf einem nahe gelegenen Spielplatz. Mein schlechtes Gewissen hat mich dazu getrieben. Sicher, das Museum wäre sehr bequem gewesen. Aber ich mache den ganzen Wettbewerbs-Zirkus nicht mit. Und diesmal bin ich nicht alleine: Meinen Mann und meine Schwiegermutter habe ich zum Mitmachen überredet.