Kindermangel. Darüber berichteten wir am 19. / 20. Februar und baten Sie um Zuschriften: Wünschen Sie sich ein Kind, bald, noch nicht oder gar nicht? Was beeinflußt Ihre Entscheidung? Hier eine Auswahl der zahlreichen Briefe.

Mein Freund und ich leben jetzt seit gut sechs Jahren zusammen. Er ist geschieden, hat zwei Töchter (8 und 10 Jahre) und zahlt neben dem Unterhalt für die beiden Mädchen auch noch für seine Ex-Frau, die nicht arbeitet. Wir würden gerne ein gemeinsames Kind bekommen, schrecken jedoch vor der finanziellen Situation zurück, die schon jetzt nicht einfach ist. Da mein Gehalt wesentlich zu unserem Lebensunterhalt beiträgt, müßten wir unser gemeinsames Kind spätestens mit sechs Monaten ganztägig zu einer Tagesmutter o.ä. geben, damit ich wieder arbeiten gehen kann und wir nicht zu einem Sozialfall werden. Seine Ex-Frau hingegen hat weiterhin Anspruch auf Unterhalt für sich selbst und muß nicht arbeiten, bis die Kinder 16 Jahre alt sind. Da heute nahezu jede dritte Ehe geschieden wird, betrifft diese über Jahre gehende finanzielle Belastung aus Unterhaltsleistungen mittlerweile einen Großteil der Bevölkerung. Diese sogenannten Zweitfamilien sind leider in den seltensten Fällen in der Lage, noch eine eigene Familie zu gründen. Birgit Gerke, 22145 Hamburg

Ihr erstes Beispiel beschreibt die Geschichte von Robert, der Anwalt ist, und seiner Frau Iris. Ein Traumpaar, alles hört sich toll an. Sie wollen keine Kinder. Iris treibt das Kind ab, ohne dem Ehemann und Vater auch nur davon zu erzählen (der findet das offensichtlich gut) - und die Krankenkasse hat es sicher bezahlt. Wo war da die Notlage? Ihr Beispiel zeigt deutlich, daß die Beratungsregelung und der Ý 218 gar keinen Schutz mehr für ein Kind bietet. Der Staat hat alles getan, daß Abtreibung normal wurde, und seit die Krankenkassen nicht mehr zahlen, zahlt der Staat aus "gesamtgesellschaftlichem Interesse". Armes Deutschland! Jutta Appelhans, per Mail

Kinder kosten: von der Krippe über den Kindergarten, die Vorschule, die Schule (Lernmittel) bis hin zur Universität! Es ist der Staat, der die Familien belastet, sie in die Armutsecke treibt, anstatt sie zu fördern! Wir haben drei Kinder erzogen (34, 28, 25), wir kennen die Belastungen, die jungen Familien heute drohen. Wer will so ein Risiko schon auf sich nehmen? Siegfried und Susanne Siegel, per Mail

Beruht die Zurückhaltung vieler Männer auf unbegründeten Ängsten oder auf harten Fakten? Wie sieht es, bei einer Trennung mit der gleichberechtigten Sorge für die Kinder aus? Fakt ist, daß der Vater im Falle einer Trennung nicht nur jahrelang den Unterhalt seiner Kinder bezahlt, sondern auch die Unterhaltsforderungen seiner Ex-Partnerin begleichen muß. Beim Wegzug der Mutter mit dem Kind fallen zusätzliche Fahrt- und Umgangskosten an und belasten die Haushaltskasse des Unterhaltszahlers erheblich. Hinzu kommt, daß der Vater allzu oft dem Kindesentzug, der Willkür und dem Psychoterror der Kindesbesitzerin ausgesetzt ist. Gerichtliche Unterstützung oder Gegenmaßnahmen? Fehlanzeige! Nachdem das höchste deutsche Gericht selbst die eigenverantwortlich verfaßten Eheverträge kippte, wurde den Männern auch dieser Familiengründungs- und Sicherheitsaspekt entzogen. Ist es ihnen zu verübeln, wenn sie sich unter diesen Gesichtspunkten für die Partnerwahl länger Zeit lassen und in der Familiengründung aktive Zurückhaltung üben? Egon Pohl, Völklingen, per Mail

Ich bin 32 Jahre alt, mein Mann 31. Wir haben eine Tochter (11 Monate). Seit ich Mutter bin, bereue ich es, nicht schon früher ein Baby haben zu wollen. Es ist neben meiner Kindheit (ohne Krippe, KG und Ganztagsschule) und dem Studentenleben der schönste Lebensabschnitt! Auf alle Fälle möchte ich ein weiteres Kind. Meine Gründe für die späte Entscheidung: 1. den richtigen Partner finden; 2. Angst vor Schwangerschaft, der Geburt, der Figur hinterher. Wütend macht mich die Diskussion um die Betreuungsplätze. Eine Mutter (und ich spreche nicht nur für mich) will ihr Kind gar nicht abgeben! Leider muß ich als Lehrerin arbeiten, da ich mehr als mein Mann verdiene und wir den Traum eines eigenen Hauses haben. Die Regierung muß Geld in die Familien mit Kindern geben, damit eine Frau es sich erlauben kann, ihr Kind zu betreuen, und auch nach sechs Jahren in den Beruf zurückkehren kann. Maren Bohr, 21647 Hollenstedt

Ich habe eine Familie mit zwei Kindern, und meine Erfahrungen sind leider in Hamburg eher negativ. Meine Meinung ist: Solange Eltern um eine gute Hebamme, einen Krippen- oder Kitaplatz, um den Erhalt der zugehörigen Grundschule und deren Lernmittelfreiheit, das nächstgelegene Schwimmbad oder die Bücherhalle kämpfen müssen, kann ich gut verstehen, daß sich viele junge Leute gegen eine Familie entscheiden. . . . Die Eintrittsgebühren, die Kosten für den Nahverkehr, die Kosten für Kita und Bildungsangebote müssen gesenkt werden. Einer Familie nützt auch kein Prestigeobjekt wie die Hafencity!!! Erst wenn Kinder keinen Luxusartikel nach der Kariere im Job darstellen, wird sich in der Gesellschaft etwas ändern. Solange Hamburg nur etwas für Singles und Hundebesitzer unternimmt, ändert sich gar nichts. G. Hotze (per Mail)

Wir Frauen in unserem privilegierten Teil der Welt haben das Glück der freien Entscheidung. Wir können selbst bestimmen, wann, wie, mit wem und ob überhaupt wir ein Kind bekommen. Manche sind mit dieser Entscheidungsfreiheit schier überfordert. Wann ist der geeignete Zeitpunkt? Und zum Kinderkriegen gehören immer noch zwei. Oftmals liegt es tatsächlich an den Männern. Sabine Kohlmann, 22529 Hamburg

In einem Werbespot eines Automobilherstellers steht: "Kinder brauchen Platz." Nach dem großen Soziologen Vier (Vorname Hartz) stehen einer vierköpfigen Familie als Standard 65 m⊃2; zu. Werden da etwa die Kinderzimmer auf 6,5 m⊃2; geschrumpft, oder wie? Jeder kann unverschuldet in eine Arbeitslosengeld-2-Situation kommen. Die Menschen wollen Planungssicherheit und keine Bedrohung von Zwangsumzügen. Stefan Predier, 23569 Lübeck

Im September 2004 bin ich 36 Jahre alt geworden, im selben Monat kam mein erstes Kind, mein Sohn, zur Welt. Ich wünsche mir so sehr noch mehr Kinder, am liebsten noch drei, aber das wird wohl ein Wunschtraum bleiben. Die Gründe sind vielfältig: Unwilligkeit meines Partners, Wegfall meines Gehalts, fehlende Betreuungsmöglichkeiten. Dabei hätte ich nie gedacht, daß es so schön mit Kindern ist. Birgit Stegemann, 22609 Hamburg

Mittlerweile bin ich 41 und habe drei Kinder (14, 12, 4 Jahre). Wir haben uns fürs Kinderkriegen entschieden und bekamen dann sehr schnell ein zweites. Danach habe ich zwei Jahre Erziehungsurlaub genommen, denn Arbeiten mit zwei ganz kleinen Kindern ist sehr schwer zu organisieren. Ich habe mir ein ziemlich gutes soziales Netz aufgebaut, damit Notfälle abgedeckt sind. An Kinderbetreuung haben wir Unmengen von Geld ausgegeben. Oft war nicht klar, ob von meinem Gehalt (bei Steuerklasse 5) noch allzuviel übrigbleibt . . . Kindergartenbetreuungszeiten sind einfach viel zu unflexibel. Und es ist sehr wichtig, einen Partner zu haben, der das Ganze mitträgt. Wir sind mittlerweile ein eingespieltes Team, aber es war nicht immer selbstverständlich, daß mein Mann sich voll verantwortlich gefühlt hat. Susanner Zervas, 25336 Nordende

Man sollte nach der Geburt sämtliche Karriere-Gelüste fürs erste auf Eis legen (wird man für solche Aussagen gesteinigt?). Wer Mutter werden möchte, sollte dieses auch 100prozentig wollen. Alles andere schafft eine Menge Stress und Unzufriedenheit. Undine Westphal, (3 Töchter), 22395 Hamburg

Meine Frau und ich sind beide Ende 30 und haben keine Kinder. Kinder, so meine ich, sollte nur bekommen, wer auch das tiefe innere Bedürfnis spürt, eine Familie zu gründen, und wer für seine Kinder auch voll und ganz da sein will und kann . . . Wir fanden für uns rasch das ideale Lebensmodell. Beide arbeiten, jeder verdient sein Geld, und wir genießen unsere Freizeit zum größten Teil gemeinsam. Wir sind glücklich mit unserem Leben und unserer überschaubaren Welt.

Anstatt daß die Anreize für Familiengründungen verbessert werden, z. B. durch Kinderprämien oder die gezielte Förderung von Betreuungsangeboten, werden Kinderlose mit höheren Belastungen belegt, zuletzt durch höhere Beiträge zur Pflegeversicherung. Eine "Bestrafung" der Kinderlosen für die Versäumnisse der Regierungen der letzten Jahre erscheint mir sehr ungerecht. Robert Altmark, Lübeck

Ich wollte Kinder, am liebsten ein Dutzend, wollte Familie. Mein damaliger Partner fühlte sich mit Mitte 30 "noch nicht so weit". Nach einigen Jahren ein neuer Partner, geschieden, mit einem Sohn im Teenageralter. Der Wunsch nach einer Tochter verband uns . . . Ich hatte zwei Geburten, eine Fehlgeburt und eine Totgeburt. Egal, wie lange eine solche schmerzhafte Erfahrung zurückliegt, sie bleibt als Lebenswunde ein ständiger Begleiter. Es ist in jedem Fall eine undifferenzierte Haltung, kinderlose Frauen und Männer auf ein Nicht-Wollen oder Nicht-Trauen zu reduzieren. Unser Lebensweg ist letztendlich nicht planbar. Susanne Schniering, Hamburg, Initiatorin des Gedenkplatzes für nicht beerdigte Kinder

Wo bleiben die Väter? Wir brauchen auch innerhalb der Familie geteilte Verantwortung in einem zeitlich und finanziell balancierten Mix. Frauen, die mit all den Aufgaben allein gelassen werden, werden sich immer häufiger gegen Kinder entscheiden. Dagegen hilft auch die beste Tagesbetreuung nichts.

In Ihrer Serie "Mutter will wieder arbeiten" am 19. 2. schreibt die Arbeitspsychologin Sibylle Bräuer in einem "Tip fürs Betriebsklima und das eigene Wohlbefinden" berufstätiger Mütter: "Jammern Sie nicht, daß Sie es schwerer haben als andere. Seien Sie stolz auf das, was Sie leisten, aber erwarten Sie diese Anerkennung nicht von Kollegen." Danke, Frau Bräuer. Allein die Tatsache, daß es bisher einer Abendblatt-Serie von mehr als sechs Teilen bedurfte ( in Mensch und Beruf, die Red. ), um das Problem erschöpfend zu behandeln, sagt doch alles. Dörte Lauerbach, 22359 Hamburg

Der Artikel war super und ganz kurz gleich zu Anfang: Am Geld liegt es nicht, daß kaum noch Kinder zur Welt kommen, sondern am Egoismus der heutigen Generation, zu der ich mich auch zählen kann, denn eines ist wirklich immer wieder ein Grund: Kinder passen nie . . . Wir waren gerade in einer sehr teuren und großen Umbauphase des Hauses, als ich schwanger wurde, auch schon sehr spät mit 33. Ich bin anderthalb Jahre zu Hause geblieben und konnte dann von 8 bis 12 in meinen alten Beruf in einem Mineralölkonzern zurück. Ich kann bei keinem kinderlosen Paar die Ausreden verstehen und auch nicht gelten lassen, Kinder seien zu teuer. Keine noch so teure Fernreise, kein supertolles Auto kann dagegenhalten, wenn der Zwerg in seiner Anfangssprechphase mit großen Augen einem Buschlalom (Luftballon) hinterhersieht. Ute Tietgen, 21077 Hamburg

Kinder sind in meiner Vorstellung nicht dazu da, daß wir sie instrumentalisieren, etwas "ganzzumachen", das Erwachsene "kaputtgemacht" haben oder die Angst derer zu tragen, die den "Untergang" der Nation fürchtern. Rentenfinanzierungsprobleme müssen wir anders lösen. Mercedes Schmidt, 22761 Hamburg