Biographie: Aharon Appelfeld schildert in präziser Sprache und mit eindringlichen Rückblenden, wie er seine Heimat verlor.

Sharon Appelfeld klagt nicht an. Er hat die Gabe, Erinnerungsbilder wieder auferstehen zu lassen - so, daß der Leser gebannt folgt und mit jedem Kapitel mehr ein weiteres Stück Lebensweg dieses außergewöhnlichen Mannes kennenlernt. "Jeder, der den Krieg überlebte, überlebte ihn dank eines Menschen, der ihm in großer Gefahr Halt gab. Gott haben wir in den Lagern nicht gesehen, gute Menschen schon."

Appelfeld, geboren 1932 in Czernowitz, der größten Stadt der Region Bukowina (heute zur Ukraine gehörig), verlor mit acht Jahren seine Mutter. Sie wurde von deutschen und rumänischen Antisemiten erschossen. Mit seinem Vater wurde er ins Konzentrationslager verschleppt, dem Jungen gelang die Flucht. Er kämpfte sich jahrelang in den Wäldern durch, überlebte zuletzt als Küchenjunge der Roten Armee.

"Das Leben schlug uns von allen Seiten. Wir lernten, uns klein zu machen; wenn wir eine Höhle fanden, krochen wir hinein", schreibt Appelfeld. "Wir ähnelten Tieren, jedoch ohne den Trieb zum Wütendsein und ohne Mut. Nach jedem Schlag flohen wir weiter. Wir haben noch nicht einmal geschrien."

Als er 1946 in Palästina ankommt, hat er alles verloren: seine Familie, seine Heimat, seine Sprache auch. Er versucht zu verdrängen und stellt fest, daß Erinnerungen, ausgelöst durch einen bestimmten Geruch, von Stroh beispielsweise, im Körper stecken und plötzlich wieder aktiviert werden. Appelfeld hat in Israel mehr als 30 Bücher veröffentlicht. Sein neuer Band "Geschichte eines Lebens" ist das Dokument eines Überlebenden des Holocausts, der mit dem Wort meisterhaft umgeht. Es ist die Sammlung vieler Rückblenden, die sich wie Puzzlestücke zu einem Ganzen fügen. 2004 wurde er dafür mit dem Prix Medicis ausgezeichnet.

Appelfeld ("Es brauchte Jahre, bis ich zu mir zurückkehrte . . .") beobachtet genau. Er, dessen Kindheit voller Traumata war, nimmt auch die Verletzungen, die bereits durch harte, kritisierende Worte entstehen können, sehr genau wahr. So ist das Buch auch ein Plädoyer für mehr Güte, mehr Menschlichkeit. Von einem, der jeden Grund gehabt hätte zu verbittern - bei dem aber genau das Gegenteil eingetreten ist.

Aharon Appelfeld: Geschichte eines Lebens. Rowohlt Verlag Berlin, 208 Seiten; 17,90 Euro. Das Buch erscheint am 18.1.