Gärtner und Insekten freuen sich an der Blütenpracht von über tausend Dahlienarten. Doch die Wilddahlien, von denen sie alle abstammen, sind bedroht. Hamburgs Botanischer Garten schützt die seltenen Pflanzen in Mexiko.

Die Hübsche ist Mexikanerin. Wie es sich für ein heißblütiges Gewächs gehört, ist sie ein wenig zickig, schätzt das Wetter in Hamburg nicht allzu sehr, steht jedoch gern im Mittelpunkt des Interesses. Und das tut sie: Im Botanischen Garten in Klein Flottbek bekommt sie seit knapp vier Jahren mehr Aufmerksamkeit als irgendwo sonst auf der Welt - Dahlia L., die Wilddahlie. Fleißige Züchter haben es mit den Jahren auf mehr als tausend Dahliensorten gebracht, die gerade jetzt ihre üppige, farbenfrohe Blütenpracht in den Gärten zeigen. Sie alle gehen nur auf zwei Wildarten zurück: Dahlia pinnata , die Fiederdahlie, und Dahlia coccinea , die Scharlachdahlie. Zusammen mit 29 weiteren Arten, die bis heute von Botanikern beschrieben wurden, sind die Wilddahlienarten in ihrem Lebensraum durch Umweltveränderungen jedoch akut bedroht. Hilfe aus Hamburg ist auf dem Weg. "1999 ist unser Gärtnermeister Ingo Kaczmarek bei einem Besuch in Mexiko auf die kritische Situation der Wilddahlien aufmerksam geworden", sagt Carsten Schirarend (47), wissenschaftlicher Leiter des Botanischen Gartens Hamburg. "Das Engagement, das er für die Dahlien an den Tag legt, ist mit nichts zu vergleichen." Kaszmarek stellte den Kontakt zum Botanischen Garten der Universität von Mexiko-City her. Gemeinsam arbeiteten sie ein Schutzprojekt aus. Felsige Klippen, Steilhänge, Lavafelder und Straßenränder - von 500 bis auf 3000 Meter Höhe - suchten Gärtner und Botaniker nach den grünen Kostbarkeiten ab. Sie notierten die Fundorte, dokumentierten den Zustand der Umgebung und nahmen Samen oder einzelne Pflanzen mit. Schirarend: "Schon ein Jahr später waren einige Fundorte verschwunden. Da laufen jetzt Straßen, stehen Siedlungen, weidet Vieh." Eile war geboten. Kaczmarek brachte bis auf zwei Arten alle bisher entdeckten Wilddahlien mit nach Hamburg. Hier stehen sie nun: die bis zu neun Meter hohen Baumdahlienarten Dahlia imperialis und Dahlia excelsa genauso wie die niedrig wachsende Dahlia dissecta , sicher umsorgt wie auf der Arche Noah. Und in einem für Besucher nicht zugängigen Areal. Schirarend: "Das war unser Versprechen an Mexiko. Da wir Treuhänder der Pflanzen sind, werden nur die häufigen Arten in unserer Schausammlung gezeigt, die seltenen haben wir unter Verschluss." Während Kaczmarek gegen Viren kämpft, die den Pflanzen zu schaffen machen, und Diplomanden die DNA-Strukturen aller Arten untersuchen, denkt Schirarend über eine Ausweitung des Projektes nach: "Im Freiland muss die Bevölkerung besser aufgeklärt werden." In Deutschland soll noch mehr mit der Humboldt-Universität in Berlin zusammengearbeitet werden, die die Kollegen in Hamburg bei der Konservierung von Pflanzenmaterial nach einem neuen Verfahren (bei minus 190 Grad) unterstützt. "Und wenn sich dann noch weitere Botanische Gärten dem Projekt anschließen würden, könnte aus diesem einzigartigen Vorhaben ein richtiges Muster-Projekt werden", sagt Schirarend. Eine Kernfrage ist dabei - wie immer - die Finanzierung: Die vergangenen Jahre wurde das Projekt von der Zeit-Stiftung unterstützt. Für die Zukunft, damit die bisherige Arbeit in Hamburg nicht vergebens war, müssen neue Sponsoren gefunden werden. Schon 1839 hat der ehemalige Direktor des Botanischen Gartens, Johann Georg Christian Lehmann, eine Pflanze dem Hamburger Senator und Pflanzenliebhaber Heinrich Johann Merck gewidmet: Dahlia merckii . Schirarend: "Das haben wir erst bemerkt, als wir schon mitten drin steckten."