Der alte Mann mit Hut, der Proll, der Sonntagsfahrer - nur Klischees? Fiese Vorurteile? Ja. Komisch ist nur, dass jeder diese Typen schon mal live erlebt hat - und selbst in irgend- ein Klischee passt.

Erinnern Sie sich noch? Der Typ, der Ihnen gestern auf der linken Autobahnspur fast in den Kofferraum gekrochen ist und die Lichthupe stroboskopartig flackern ließ, saß in einem Mercedes. Oder wars ein BMW? Oder vielleicht ein Audi TT? Ach, vor einer Woche war es ein Porsche? Egal, auf jeden Fall war es ein breites, teures, flaches Auto, und der Unhold am Steuer fühlte sich von Ihren läppischen 160 km/h behindert. Fakt ist: Damit hat er alle Vorurteile bestätigt, die Sie ohnehin schon hatten - und umgekehrt passten Sie selbst fabelhaft in sein Klischee vom Asphalt-Schleicher. 1. Der Rücksichtslose (zum Beispiel Mercedes- und BMW-Fahrer, siehe oben) Wer locker mal 60 000 Euro oder mehr für sein Geschoss hinlegen kann, steht am oberen Ende der automobilen Nahrungskette. Der Benz-BMW-Löwe hält sich für den König der Straße. Nimmt sich die Rechte, die für andere natürlich nicht gelten. Abstand halten? Rechts vor links? Blinker setzen? Andere einscheren lassen? Von diesen Grundregeln hat er sich freigekauft. Und neben einem Motor von mindestens 200 PS hat sein Edelschlitten auch gleich die Vorfahrt mit eingebaut. 2. Der alte Mann mit Hut (im alten Diesel mit Häkel-Klorolle auf der Heckablage) Schleicht ebenso planlos wie halsstarrig durch die Gegend. Sitzt im schlimmsten Fall in einem antiken senfgrünen 230er-Mercedes. Bleibt konstant 20 km/h unter der erlaubten Höchstgeschwindigkeit, blinkt nie, wechselt aber plötzlich die Fahrtrichtung, bremst panisch vor jeder Abzweigung und tastet sich selbst bei grüner Ampel ängstlich auf die Kreuzung; hat er es endlich geschafft, zeigt die Ampel schon wieder rot - grrr. 3. Der Fahrer mit Fisch-Aufkleber Der Fisch zeigt: Achtung, hier fährt Jesus mit, oder: Dieses Auto steht unter himmlischem Schutz. Das ist meist auch dringend nötig. Denn andere Verkehrsteilnehmer können schonmal vom Glauben abfallen, wenn sie zwanzig Minuten hinter einem "Fisch" warten müssen, der beim Reißverschluss-Verfahren die reine Nächstenliebe walten lässt - denn Einfädeln lassen heißt doch nicht, wirklich jeden vorzulassen, der aus der Aldi-Ausfahrt auf die Straße kullern will! Der gute Mensch der Straße ("Gott wirds schon lenken") hält alle Gebote der Verkehrsordnung gleichzeitig ein - aber bei Vollbremsungen vor einer gelben Ampel riskiert er, dass ihm ein Atheist hinten hineinbrettert. 4. Der Fahrer mit "Fabian an Bord" (oder "Lena fährt mit") Der dreieckige Baby-Aufkleber pappt meist am Familien-Van, an Passat- oder Opel Kombis. Wenn Papi am Steuer ist, bleibt die Familienkutsche unauffällig, denn Mami kann derweil die tobenden Bälger auf der Rückbank mit Apfelstückchen und Fanta bei Laune halten. Fährt hingegen Mami allein mit Fabian und Lena zum Einkaufen, bricht der Wagen von Zeit zu Zeit unkontrolliert aus - denn sie muss ja gleichzeitig lenken, schauen, füttern, Lenas Hasen aufheben, beschwichtigen und Parkplatz suchen. Schaffen Sie das mal! 5. Die Frau (die prima Auto fahren, aber nicht einparken kann) Na gut, wenn sie im Mercedes oder im BMW, mit Fisch/Lena/Fabian-Aufkleber oder im entsprechenden Alter mit Hut unterwegs ist - geschenkt! Dass ein Zebrastreifen nicht nur eine modische Straßenverzierung ist, lernt sie noch. Und das mit dem Rückwärts-Einparken auch, und was diese blauen Schilder mit den roten Kreuzbalken bedeuten. Aber was kann eine Frau denn auch dafür, dass sie meist kleiner ist als ein Mann? Sie kann einfach nicht so gut über die Schulter aus dem Fenster sehen! Und dann wäre da ja noch Jutta Kleinschmidt . . . 6. Der Proll-Raser (mit Wummerdisco an Bord und Mehmet auf dem Beifahrersitz) Der sonnengebräunte Proll ist in der Regel im tiefergelegten Golf mit Heckspoiler und Pseudo-Porsche-Sound aus Doppel-Auspuffrohren unterwegs und beschallt ganze Stadtviertel mit "Duff-duff-duff-duff"-Mucke aus voll aufgedrehtem Bose-Sound-System. Manchmal noch "Kenwood"-Aufkleber auf der getönten Heckscheibe. Sportliche Vier-Punkt-Gurte. Tritt bei Ampelrennen vor allem gegen 45-PS-Polos an und will mit Blitzstarts punkten (bei wem eigentlich? Ach ja, bei Mehmet). Beschwerden sind zwecklos - der Kopftuch-Pirat am Steuer kann Sie ja nicht hören! 7. Der Sonntagsfahrer Unter der Woche bleibt der hart erarbeitete Mercedes in der keimfrei gesaugten Garage. Vereinzelte Staubteilchen poliert der Sonntagsfahrer am Sonnabend liebevoll mit dem neuen Superglänzer von Home Shopping Europe weg. Und am Sonntag - endlich! - darf er mit dem Prachtstück raus: Ausfahrt mit Ehefrau und Tante Elfriede, der kann man "ein bisschen die Stadt zeigen", im Schritttempo, versteht sich. Immer drei Meter Sicherheitsabstand zu allen anderen, plötzliches Bremsen vor der "Waldschänke". Na und? Stellen Sie sich nicht so an, sonntags hats doch keiner eilig! 8. Der Cabrio-Fahrer. Kaum wirds zwei Grad über Null und hörts auf zu regnen, klappen Iron-Men und Cat-Woman das Verdeck auf und los geht die Spritztour. Zur Not auch im Regenmantel. Hamburg-Lübeck in 30 Minuten, Zähneklappern wird tapfer ignoriert. Immerhin flattern die Haare nicht so im Wind, wenn sie nass am Kopf kleben oder festgefroren sind. Na gut, manchmal ist das Wetter ja wirklich schön. Dann aber sitzen die Cabrio-Besitzer leider im Büro. 9. Der Tierschützer Bremst nicht nur für Reh und Hase, sondern auch für die Raupe, die gerade über die Fahrbahn trödelt (manchmal war der schwarze Fleck dann nur ein frisches Teerstück, aber sicher ist sicher). Geht bei jedem "Wildwechsel"-Schild vom Gas und kann schwer die Spur halten, wenn am Horizont ein Spatzenschwarm auftaucht. 10. Der Vollgetankte (Männer, die glauben, auch volltrunken noch fahren zu können) Kein Kunststück. Meistens sind sie sogar noch in der Lage, nebenher zu singen, grölen oder sich zu übergeben. Geht ja auch, auf dem Beifahrersitz, während die Freundin sich müde durch die Nacht quält, den Kopf streichelt, Annäherungsversuche abwehrt und Mineralwasser reicht. Und sich dabei anhören muss: "Wieso schleichst du eigentlich so?" 11. Der Pädagoge Lebt seine Verkehrserziehung aus und gibt sie offensiv weiter, auch wenn keiner darauf gewartet hat. Wehe, Sie fahren eine Sekunde zu lange auf der falschen Spur oder vergessen zu blinken - dann setzt sich der selbsternannte Fahrlehrer vor Sie, bremst Sie aus und fängt an zu "missionieren". Pflegt eine gestenreiche Zeichensprache, die Sie in keiner Fahrschule lernen.