Kinder stehen am Zaun und staunen: Auf einem Bauernhof bei Ratzeburg leben nur Tiere, die es in Deutschland eigentlich nicht gibt. Ihr Besitzer sucht für Esel, Büffel und Trampeltiere noch eine originelle Vermarktungs-Idee.

Ein gemeines Huhn, ein rosa Schwein oder gar eine schwarz-bunte Kuh kämen Andreas Fey garantiert nie auf den Bauernhof. Die sind viel zu gewöhnlich. Der Tierarzt liebt nun mal die Exotik. Bei ihm auf den Weiden i-aaen seltene Riesenesel und muhen asiatische Wasserbüffel. Er hat schottische Hochland-Rinder, flämische Kaltblutpferde, Pfauen und italienische Hühner. Die Sensation des Hofes mitten in einem beschaulichen schleswig-holsteinischen Dorf aber sind seine zwei Kamele. Sie stehen als Blickfang inmitten der Eselherde direkt am Ortseingang von Berkenthin (bei Ratzeburg). Autofahrer legen bei ihrem Anblick oft Vollbremsungen hin. Und ständig versuchen Scharen von Kindern, die zutraulichen Tiere an den Zaun zu locken. "Ich finde es schön, wenn Leute zum Schauen kommen. Ich will den Leuten hier etwas Spannendes und Bereicherndes bieten", sagt Andreas Fey. Der 44-Jährige setzt bewusst auf Artenvielfalt und artgerechte Haltung. Wenn er Zeit hat, erzählt er den Besuchern gerne etwas über seine Züchtungen. Etwa über seine andalusische Eselstute; von dieser Rasse gibt es weltweit nur noch 40 Stück. Oder er schwärmt von seinen katalanischen Rieseneseln - auch diese sind vom Aussterben bedroht. Einer von ihnen stupst ihn gerade in den Rücken. "Die Esel sind für mich wie Familienmitglieder", sagt der asketisch wirkende Mann, während er dem frechen Braunen zärtlich das Fell krault. Allerdings macht Fey auch klar, dass dies ein Bauernhof ist und kein Wildpark. Er züchtet, um zu verkaufen. Die meisten seiner Tiere hat Fey direkt vor Ort erworben, also in Spanien, Italien und Frankreich. "Da habe ich mich gleich mit ihren Gewohnheiten vertraut gemacht." Am liebsten würde er auch die Ursprungsländer seiner asiatischen Kamele bereisen. Die verschmuste Suleika hat er allerdings aus dem Lübecker Zoo bekommen. Quasi als Dankeschön für gespendetes Futter und tierärztliche Dienste. In diesem und im nächsten Jahr kommen noch fünf weitere junge Trampeltiere hinzu. Andreas Fey träumt bereits davon, mit einer Kamelsafari durchs schleswig-holsteinische Hinterland zu reiten. Da hätten die Leute wenigstens richtig was zum Staunen. Seit Januar hat er zudem acht Wasserbüffel. "Die sind die Zukunft", prophezeit Fey und schwärmt von der fetten, zehnprozentigen Milch und dem schmackhaften, mageren Fleisch dieser genügsamen Tiere. Neugierig und zutraulich scharen sie sich um ihren Besitzer. Der schwingt sich spontan auf den größten Bullen und reitet mit ihm über die Weide. Vielleicht wäre ja auch ein Wasserbüffel-Ausritt der Hit im Dorf. Der sympathische Tierarzt sprüht vor Ideen. Er würde gerne Ferienwohnungen auf seinem Hof anbieten und einen Reiterweg auf dem Gelände. Sein jüngstes Projekt sind Bisons. "Ich käme gerade günstig an sie heran." Doch bei diesen Wildtieren streikt dann doch seine Frau. Sie hat Angst vor den riesigen Indianerbüffeln. "Wenn die ausbrechen, können sie lebensgefährlich werden", sagt Gabriele Fey. Sie ist ebenfalls Tierärztin. Bisher ist die Rheinländerin geduldig den Einfällen ihres Mannes gefolgt. Hauptsache, unterm Strich kommt etwas heraus, so die Finanzministerin der Familie. Das ist allerdings derzeit (noch) nicht der Fall. Die Tiere tragen kaum die Kosten, die sie verursachen. Im Sommer sind sie auf den Weiden, doch im Winter muss Fey Futter zugeben. Auch sind Esel in Rezessions-Zeiten nicht gerade gefragt. So niedlich sie auch sind - sie sind eben reiner Luxus. Deswegen muss Andreas Fey täglich sein Geld als Fleischbeschauer auf einem Lübecker Schlachthof verdienen. Erst danach kann er sich voll seinen Tieren widmen. Viel mehr als eine Liebhaberei sind sie (leider) nicht. Dabei hatten er und seine Frau das vor zehn Jahren ganz anders geplant. Das Ehepaar hatte eine gut gehende Tierarztpraxis bei Hameln aufgegeben, um mehr Zeit für die drei Söhne und das Familienleben zu haben. "Ich war immer für andere da, aber meine Kinder sah ich nur schlafend", sagt Fey. Deswegen zog er mit der Familie 1994 zurück auf das Land seiner Eltern. Seine Söhne sollten in der Natur aufwachsen. Und er wollte sich einen Traum erfüllen: die Fortsetzung seiner Kindheit. Die bestand allerdings auch schon überwiegend aus Arbeit und kaum Freizeit. Den wenig ertragreichen Bauernhof in Berkenthin hatte sein Vater schon 1979 aufgegeben. Nur ein paar Hochland-Rinder grasten auf den Weiden. "Das war damals ein lukrativer Nebenverdienst. Wir waren einer der ersten Zottelrinder-Besitzer in Deutschland." Andreas Fey stockte die Herde ordentlich auf. Drei Jahre lang lief das Geschäft mit den Rindern hervorragend, auch der Privatverkauf. Bis 1997 BSE wie eine Bombe einschlug. Da die Seuche aus Großbritannien kam, wurden schottische Rinder sofort geächtet, obwohl die meisten in Schleswig-Holstein geboren wurden und auch nie verseuchtes Futter bekommen hatten. Den Verbraucher interessierten diese Details nicht. Tiere, die vorher rund 6500 Mark kosteten, waren plötzlich fast nichts mehr wert. "Ich war am Boden zerstört, fast pleite. Wenn meine Eltern uns nicht geholfen hätten, hätten wir aufgeben müssen", sagt Fey. Mit BSE war sein Traum von "wenig Arbeit und viel Familie" geplatzt. 20 Stunden täglich schuftet er seither, um die Familie über Wasser zu halten. Man sieht ihm den Schlafmangel und die ruhelosen Nächte an. Denn fast zwanghaft sucht er nach der entscheidenden Idee, um wieder genug Geld zu verdienen. Statt alles auf eine Karte zu setzen, versucht Fey nun, das Risiko zu streuen: Er züchtet mehrere Tierrassen zur gleichen Zeit. Für ihn als Tierarzt sind sie eine Herausforderung, für den Rest seiner Familie oft eine organisatorische Katastrophe. "Wir können nur selten zusammen Urlaub machen", sagt Gabriele Fey. "Denn wer kennt sich hier schon mit Wasserbüffeln und Kamelen aus?" Ihr wäre es lieber, sie hätten nur eine Sorte Vieh, die leichter zu handhaben wäre. Den Spaß, den er und seine Frau an den Tieren haben, teilen die beiden älteren Söhne nicht. Besonders der 16-jährige Clemens lehnt die Vierbeiner ab. Er hat das Gefühl, die Tiere hätten ihm seinen Vater genommen. Andreas Fey ahnt, dass da etwas Wahres dran ist. Nur weiß er nicht, wie er das Problem lösen soll. Er hofft, dass die Jungen irgendwann wieder ihre tierreiche Kindheit und das Landleben schätzen lernen - so wie Simon (7). Der Jüngste reitet gerne und mistet den Stall aus. In ihm findet sich der Vater wieder: "Der hat nur Tiere im Kopf. So wie ich."