Sydney. Bei einem Angriff in einem Einkaufszentrum in Sydney sind sechs Menschen getötet worden. Eine Polizistin konnte den Angreifer stoppen.

  • In Sydney sind bei einem Amoklauf sechs Menschen getötet worden
  • Eine Polizistin stoppte den Täter
  • Für den australischen Premierminister ist die Beamtin eine „Heldin“

Australien befindet sich im Schockzustand: Bei einer für das Land ungewöhnlichen Attacke hat ein Angreifer mindestens sechs Menschen mit einem Messer ermordet. Bei den Opfern soll es sich um fünf Frauen und einen Mann handeln. Der Täter selbst wurde von der Polizei erschossen. Weitere Menschen wurden teils schwer verletzt. Unter den Verletzten soll auch ein neun Monate altes Baby sein. Die Mutter des Kindes ist laut lokaler Medienberichte unter den Toten. Sie starb im Krankenhaus.

Anfängliche Berichte, dass es noch einen zweiten Angreifer gab, haben sich bisher nicht bestätigt. Der Täter scheint ein 40-jähriger Mann gewesen zu sein, der polizeilich zwar bekannt war, aber nicht unter Terrorverdacht stand. Derzeit geht die Polizei deswegen nicht von einem terroristisch motivierten Angriff aus. Die Untersuchungen dauern aber weiterhin an.

In Sydney herrschten am Samstagnachmittag spätsommerliche Temperaturen. Es war der erste Ferientag und zahlreiche Menschen waren auf den Straßen, Stränden und in den vielen beliebten Einkaufszentren der Stadt unterwegs. In dem sechsstöckigen Einkaufszentrum in Bondi Junction, unweit des berühmten Bondi Beach in Sydney, waren hunderte Menschen unterwegs, um Einkäufe zu erledigen, Kaffee zu trinken oder Freunde zu treffen. Die Einkaufzentren der Stadt sind vor allem bei jungen Leuten als Treffpunkte beliebt.

Messerattacke in Sydney: Polizistin streckt Angreifer nieder – „Eine Heldin“

Der Vorfall ereignete sich kurz vor 15.30 Uhr (Ortszeit). Augenzeugen berichteten, dass der Mann „durchgedreht“ sei. Die Polizei scheint schnell reagiert zu haben. Zunächst soll aber eine einzelne Polizistin den Angreifer verfolgt haben. Als dieser das Messer erhob, streckte sie ihn mit einem Schuss nieder.

Der australische Premierminister Anthony Albanese spricht während einer Pressekonferenz in Canberra über den Messerangriff im Einkaufszentrum in Sydney.
Der australische Premierminister Anthony Albanese spricht während einer Pressekonferenz in Canberra über den Messerangriff im Einkaufszentrum in Sydney. © dpa | Lukas Coch

„Sie ist auf jeden Fall eine Heldin“, sagte Australiens Premierminister Anthony Albanese. Es bestehe kein Zweifel daran, dass sie durch ihre Tat Leben gerettet habe. „Und es ist eine Erinnerung daran, dass die Menschen, die die Uniform tragen, Menschen sind, die der Gefahr entgegeneilen und nicht vor ihr fliehen.“

„Er hätte weitergemacht, er war auf einem Amoklauf“, sagt ein Augenzeuge dem australischen Sender ABC. Er habe die Szene mit der Polizistin miterlebt und gesehen, wie die Beamtin noch versucht habe, den Mann vor Ort wiederzubeleben. Zuvor habe er Schreie gehört und Menschen gesehen, die in Panik in die Geschäfte liefen, um sich dort in Sicherheit zu bringen. Viele Läden schlossen schnell und ließen die Jalousien runter, wie auf Fotos von ABC zu sehen war.

Videoaufnahmen vom Tatort zeigten später eine große Anzahl an Polizisten vor Ort, ein lokaler Medienbericht sprach sogar von mehreren hundert Polizisten. Am frühen Abend kreisten Hubschrauber über der Stadt.

Einsatzkräfte der Polizei am Tatort in Sydney.
Einsatzkräfte der Polizei am Tatort in Sydney. © AFP | DAVID GRAY

Messerangriff in Sydney: „Es war beängstigend, es war erschütternd“

Zwei der Opfer sollen in einem Bekleidungsgeschäft erstochen worden sein, wo Käufer anscheinend nach Kleidungsstücken griffen, um ihre Blutung zu stillen. Einige Menschen verschanzten sich über Stunden in Umkleidekabinen oder Läden, die die Besitzer absperrten. In der lokalen Tageszeitung „Sydney Morning Herald“ wurde Leanne Devine zitiert, die einen Friseursalon im Einkaufszentrum besitzt. Zahlreiche Augenzeugen flüchteten sich in ihren Laden. „Ich habe noch nie Menschen gesehen, die so verängstigt aussahen“, sagte sie.

Brendan Blomeley sagte dem staatlichen Sender ABC, dass er mit seinen beiden Kindern in dem Einkaufszentrum gewesen sei, als er zwei Schüsse gehört habe. „Es war beängstigend, es war erschütternd. Wir kauerten mit Hunderten anderen Menschen in einem Geschäft“, sagte er. Es sei schwer zu fassen, dass so etwas in Australien passieren könne. Etliche Ladenbesitzer und Passanten sollen laut lokaler Medienberichte ähnlich wie die Polizistin extrem mutig gehandelt haben. Im Internet kursiert ein Video, das einen Mann zeigt, der versucht, den Angreifer auf einer Rolltreppe mit dem Poller einer Absperrung zurückzudrängen.

Der australische Premierminister Anthony Albanese meldete sich über den Kurznachrichtendienst X zu Wort und schrieb, dass er von der Polizei über die „schrecklichen Vorfälle an der Bondi Junction” gebrieft worden sei. „Unsere Gedanken sind bei den Verletzten und wir danken denjenigen, die sich um sie kümmern, sowie unserer tapferen Polizei und unseren Ersthelfern.“

Australien: Aktuell keine erhöhte Terrorwarnstufe

Vorfälle wie der am Samstag sind in Australien ungewöhnlich. Die Terrorwarnstufe wird als relativ moderat eingeschätzt: Eine Attacke sei laut Behörden dennoch „möglich“. Dies liege daran, dass es in Australien und im Ausland eine kleine Anzahl von Menschen gebe, die Australien Schaden zufügen wollen, so formulierte es die Regierungswebseite.

Rettungskräfte behandeln Verletzte nach den Angriffen in einem Einkaufszentrum in Sydney.
Rettungskräfte behandeln Verletzte nach den Angriffen in einem Einkaufszentrum in Sydney. © dpa | Bianca De Marchi

Eine vergleichbare Situation hat die Stadt zuletzt vor zehn Jahren erlebt. Damals hatte ein islamistischer Geiselnehmer ein Café in der Innenstadt in Sydney gestürmt und Angestellte und Besucher über 16 Stunden lang terrorisiert. Während der Tortur zwang der Mann, der sich später als fanatischer, selbsternannter Prediger herausstellte, die Geiseln, islamistische Flaggen in den Fenstern hoch zu halten und Nachrichten auf sozialen Medien hochzuladen. Einigen Geiseln gelang die Flucht, die Geiselnahme selbst wurde letztendlich aber erst beendet, als die Polizei das Café mitten in der Nacht stürmte, nachdem der Geiselnehmer den Manager des Cafés erschossen hatte. Bei der Stürmung des Cafés starben der Täter sowie eine weitere Geisel im Kugelhagel.

Schlimmster Vorfall ist fast 30 Jahre her

Der bisher schlimmste Vorfall hatte sich 1996 ereignet – ebenfalls im April und an einem sonnigen Wochenendtag. Damals war ein Attentäter nach Port Arthur auf der Insel Tasmanien gefahren und hatte in der dortigen historischen Stätte wahllos Menschen mit einer semiautomatischen Waffe getötet. Insgesamt kamen damals 35 Männer, Frauen und Kinder ums Leben und weitere 23 wurden verletzt.

Die Tat löste damals eine Schockwelle in Australien aus, wo ein Gewehr bis zu diesem Zeitpunkt als essenziell für das Überleben im Busch gesehen wurde. Der damalige australische Premierminister John Howard reagierte umgehend und brachte innerhalb von nur zwölf Tagen eine neue Schusswaffenkontrolle auf den Tisch. Automatische und semiautomatische Waffen wurden komplett verboten. Letztendlich kaufte die Regierung 650.000 Waffen von der Bevölkerung zurück.