Madrid. Olivenöl zählt in Spanien zu den meistgeklauten Produkten. Supermärkte unternehmen einiges, um das „flüssige Gold“ zu schützen.

Gesichert mit Ketten, Alarmsystemen oder verschlossen in einer Vitrine: Spaniens Supermärkte greifen neuerdings zu drastischen Schritten, um Olivenöl vor Langfingern zu schützen. Die Preise für dieses Pflanzenöl sind explodiert – es ist zum Luxusgut geworden. Mit dem Ergebnis, dass die Zahl der Ladendiebstähle des Edelprodukts, das wegen seiner Farbe als „flüssiges Gold” bezeichnet wird, auf Rekordhöhe stieg.

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Ob für den Salat, zum Verfeinern der kalten Gemüsesuppe Gazpacho oder für das Reisgericht Paella – Olivenöl ist in Spaniens Küche unverzichtbar. Doch die anhaltende Dürre im wichtigsten spanischen Anbaugebiet, im südspanischen Andalusien, hat die Ernten extrem reduziert und den Marktwert des Öls multipliziert. Statt vier Euro, wie noch vor zwei Jahren, kostet der Liter heute mindestens 10 Euro. Für die höchste Qualitätsstufe werden sogar bis zu 20 Euro fällig.

Spaniens Supermärkte sichern Olivenöl wie Spirutosen & Co.

Mehr als die Hälfte der spanischen Familien hat Probleme, mit der Haushaltskasse auszukommen, berichtete dieser Tage die Verbraucherorganisation OCU. Das hat auch damit zu tun, dass die immer noch überdurchschnittliche Inflation und die hohen Mietsteigerungen nicht wenige Menschen in Not brachten. Dies hat offenbar bei manchen die Versuchung erhöht, im Supermarkt auch mal eine Flasche Olivenöl mitgehen zu lassen.

Mit Ketten wie diesen sichern Supermärkte in Spanien ihren Olivenölbestand. Kaum ein Produkt wird zurzeit in Spanien so oft geklaut.
Mit Ketten wie diesen sichern Supermärkte in Spanien ihren Olivenölbestand. Kaum ein Produkt wird zurzeit in Spanien so oft geklaut. © REUTERS | JON NAZCA

Auf dem Video einer Sicherheitskamera, das im spanischen Fernsehen veröffentlicht wurde, sieht man, wie ein Mann mittleren Alters eine Flasche unter der Jacke verschwinden lässt. Auf einem anderen Bild verstaut eine Frau, die sich unbeobachtet fühlt, das Öl in der Handtasche. Ein junger Bursche macht sich gar nicht erst die Mühe, seinen Diebstahl zu verbergen: Er ergreift einen Fünf-Liter-Öl-Kanister und rennt aus dem Laden.

Angesichts dieser alarmierenden Tendenz hat der Handel reagiert: In den meisten Läden werden die Olivenölprodukte inzwischen besonders gesichert. So wie es bisher zum Beispiel bei Edelspirituosen, teurer Kosmetik oder Markenkleidung der Fall war. Überwiegend werden die Waren mit speziellen Sicherungsetiketten ausgestattet, die Alarm auslösen, sobald ein Kunde versucht, sie an der Kasse vorbeizuschmuggeln.

Olivenöldiebstahl sogar von organisierten Banden betrieben

„Innerhalb eines Jahres ist Olivenöl zu einem der meistentwendeten Produkte geworden”, berichtet das spanische Sicherheitsunternehmen STC in seinem Jahresbericht über Ladendiebstähle. „Nur Spirituosen werden noch häufiger gestohlen.” Damit habe das „flüssige Gold” den berühmten iberischen Schinken vom zweiten Platz des Diebstahlsrankings vertrieben. Auch erlesener Wein, in Olivenöl eingelegter Atlantik-Thunfisch und der Manchego-Schafskäse seien bei Langfingern äußerst beliebt.

Olivenbauern müssen um ihre Ernte fürchten: Organisierte Banden klauren ihre Oliven oder pumpen ganze Öltanks in Fabriken leer.
Olivenbauern müssen um ihre Ernte fürchten: Organisierte Banden klauren ihre Oliven oder pumpen ganze Öltanks in Fabriken leer. © iStock | id-art

„Man sieht, dass wir Feinschmecker sind”, sagt STC-Direktor Salvador Cañones nicht ohne Ironie. „Sogar beim Stehlen bevorzugen wir Gourmet-Produkte.” Nach der STC-Statistik, die Tausende von Ladendiebstählen auswertete, sind ein beträchtlicher Teil der Ölräuber Wiederholungstäter oder sogar Mitglieder von Banden. Die organisierten Diebesringe versuchten dann, ihr Diebesgut auf dem Schwarzmarkt zu verhökern, heißt es in dem STC-Bericht.

Olivenbauern fürchten um ihre Ernte

Der enorme Wertanstieg des „flüssigen Goldes” führte nicht nur zu einem steilen Anstieg von Ladendiebstählen. Auch die Olivenbauern beklagen, dass die grünen und schwarzen Früchte auf ihren Plantagen immer öfter und gleich tonnenweise spurlos verschwinden. Die offenbar gut ausgerüsteten Olivenräuber kommen nachts und ernten ganze Felder ab. Am nächsten Morgen stehen die betroffenen Bauern geschockt vor ihren kahlen Bäumen.

Allein in Spaniens größtem Frucht- und Gemüsegarten Andalusien verschwanden nach Schätzung der Polizei in der winterlichen Erntesaison 2023/2024 mehr als 500.000 Kilo Oliven von den Feldern. Deswegen überwachen die Beamten inzwischen mit Drohnen, Nachtsichtgeräten und Hubschraubern die Anbaugebiete. Manche Bauern haben sogar private Wachdienste engagiert.

Die Speiseölfabriken und -lager sind ebenfalls nicht vor Dieben sicher. In den vergangenen Monaten wurden mehrere Fälle bekannt, in denen die Räuber im Schutz der Dunkelheit Olivenöltanks komplett leer pumpten oder damit beladene Lastwagen entführten. Dabei wissen die Räuber genau, dass Öl nicht gleich Öl ist. Bei einem Einbruch in einem Supermarktlager in der Mittelmeerstadt Barcelona ließen sie jüngst 10.000 Liter der höchsten Güteklasse „Virgen extra” (natives Olivenöl extra) mitgehen. Die Paletten mit weniger qualitätsvollem Olivenöl blieben im Lager zurück.