Berlin. Rettungsschwimmer der DLRG verraten, wann es an der Ostsee am häufigsten zu Unfällen kommt und warum Rasierschaum nie fehlen darf.

Moritz Rehder und Moritz Pollehn sind als Rettungsschwimmer der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) an der Ostsee im Einsatz. Im Interview verraten die beiden, weshalb sie am häufigsten ausrücken, welche Strömungen an der Ostsee vorkommen können und warum eine Dose Rasierschaum am Strand nie fehlen darf.

Herr Rehder, Herr Pollehn, zwischen “Baywatch” und Däumchendrehen, wie aufregend ist der Job als Rettungsschwimmer wirklich?

Moritz Rehder: Für Däumchendrehen ist keine Zeit, aber wir zählen Köpfe. Das ist sehr anstrengend, deshalb ist man immer zu zweit auf dem Turm und wechselt sich ab.

Moritz Pollehn: Grundsätzlich erfordert der Job eine sehr hohe Konzentration. Deshalb begrenzen wir mittlerweile auch die Badebereiche, die wir überwachen mit Flaggen links und rechts. In anderen Ländern ist das schon lange Standard, etwa eine Breite von 100 Metern wird dann von den Rettungsschwimmern überwacht. Wird der Bereich zu groß, ist es nicht mehr möglich, den Überblick zu behalten.

Wie häufig kommt es an der Ostsee zu Badeunfällen?

Rehder: Es gibt sehr kleine Stationen, da haben wir vielleicht ein, zwei Mal pro Woche einen Einsatz. An größeren Stationen können es auch 15 Einsätze sein.

Und jedes Mal ist jemand kurz vor dem Ertrinken?

Rehder: Nein, meistens sind es kleinere Erste-Hilfe-Leistungen. Mal braucht jemand ein Pflaster, hat einen Insektenstich oder ein Kind oder die Eltern werden gesucht. Wir machen sehr viele Familienzusammenführungen. Was auch häufiger vorkommt sind Schnittverletzungen durch Muscheln und Schwimmer, die von Feuerquallen gestreift werden. Da helfen wir mit Rasierschaum.

Rasierschaum?

Rehder: Ja. Der hilft tatsächlich sehr gut. Er wird auf die verletzte Stelle aufgetragen und wenn er getrocknet ist, “abgespachtelt”.

Und Rettungen aus dem Wasser?

Rehder: Wasserrettungen kommen an größeren Stationen bei gutem Wetter etwa zwei bis drei Mal pro Woche vor.

Warum passiert bei gutem Wetter mehr? Ist das Meer bei Unwetter nicht gefährlicher?

Rehder: Bei gutem Wetter sind einfach mehr Menschen am Strand.

Pollehn: Und bei Hitze neigen die Leute eher dazu, die Umstände zu ignorieren. Da ist manchen die Abkühlung wichtiger als die Sicherheit. Dabei kommt es schnell zu Unfällen.

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Gibt es sonst noch Personengruppen, die besonders gefährdet sind?

Rehder: Bei Kindern muss man natürlich besonders aufpassen. Sie sollten nie unbeobachtet an der Wasserkante spielen. Manche Eltern hängen leider gerne am Handy, während die Kinder beschäftigt sind.

Pollehn: Bei Kindern mit Seepferdchen-Abzeichen denken auch manche Eltern, das Kind könne sicher schwimmen. Aber es macht einen großen Unterschied, ob die Kinder in einem ruhigen 25-Meter-Becken oder im offenen Meer unterwegs sind. Im Meer brauchen sie schneller Hilfe.

Ehrenamtliche Lebensretter:
Ehrenamtliche Lebensretter: "Selbst die Kleidung müssen wir uns kaufen." © Stephan Wallocha/Funke Zentralredaktion

Kommen wir zum Thema Strömungen: Welche treten denn am häufigsten an der Ostsee auf?

Rehder: Starke Strömungen sind hier im Badegebiet eher selten. Am häufigsten sind noch Parallelströmungen. Das heißt, die Strömung verläuft parallel zum Strand, zieht einen aber nicht raus.

Und was kann man da tun?

Pollehn: Grundsätzlich Ruhe bewahren und nicht dagegen anschwimmen. Bevor man ins Wasser geht, kann man sich außerdem einen markanten Punkt am Strand als Fixpunkt nehmen. Wenn man 50 oder 100 Meter rausgeschwommen ist, kann der Strand ganz anders aussehen, daher am besten keinen Strandkorb oder eine Muschel, sondern eher ein großes Gebäude. Treibt man zur Seite, dann raus aus dem Wasser und zurücklaufen.

Können Badegäste die Strömungen nicht schon vom Strand aus erkennen?

Rehder: Dafür braucht man ein geschultes Auge. Wichtiger für die Badegäste ist es, auf die Flaggen zu achten. Die rot-gelbe Flagge heißt, dass wir im Dienst sind – alles in Ordnung. Gelbe Flagge: Nur noch geübte Schwimmer. Dann gibt es die gelbe Flagge mit dem orangen Windsack. Das heißt: Aufgrund ablandigen Windes keine aufblasbaren Spielzeuge und Luftmatratzen nutzen. Bei roter Flagge sind die Bedingungen lebensgefährlich. Da sollte niemand mehr ins Wasser gehen.

Ihre Ausrüstung rettet Leben – und schützt das eigene.
Ihre Ausrüstung rettet Leben – und schützt das eigene. © Stephan Wallocha/Funke Zentralredaktion

Haben Sie bei Rettungen im Wasser noch manchmal Angst?

Rehder: Angst nicht, aber Respekt. Wir gehen grundsätzlich nur mit Ausrüstung ins Wasser, um den Eigenschutz zu gewährleisten.

Pollehn: Genau. Man sollte nie den Respekt vor dem Meer verlieren. Am Ende ist die Natur stärker als der Mensch.

Klingt alles in allem nach einem sehr guten Job. Wie viel verdienen Sie eigentlich als Rettungsschwimmer bei der DLRG?

Rehder: Die DLRG arbeitet grundsätzlich ehrenamtlich. Selbst die Kleidung müssen wir uns selber kaufen. (lacht)

Pollehn: Das hören wir tatsächlich sehr häufig. Viele Leute sagen im Vorbeigehen: “Euren Job hätte ich auch gerne”. Aber wenn man Ihnen dann erzählt, dass man das ehrenamtlich macht, sind sie schnell raus.

Kann das denn grundsätzlich jeder machen?

Rehder: Ja. Man muss nur das Rettungsschwimmabzeichen in Silber machen, einen Erste-Hilfe-Kurs, der nicht älter als zwei Jahre ist, vorweisen und das Mindestalter von 16 Jahren erreicht haben. Dann kann man sich für den zentralen Wasserrettungsdienst an der Küste bei der DLRG bewerben. Die Qualifikationen werden bei den örtlichen Gliederungen der DLRG erworben.