Berlin. Tui-Deutschlandchef Stefan Baumert erwartet eine hohe Urlaubsnachfrage im dritten Corona-Winter. Eine 2G-Regel ist aber nicht geplant.

Vor einem Jahr standen die deutschen Reiseweltmeister vor einem tristen Corona-Winter. Geschlossene Grenzen und Hotels sowie hohe Infektionszahlen und Quarantäne machten Urlaub in der Sonne oder im Schnee fast unmöglich. Vorbei und vergessen.

„Zum Glück wird das Reisen in diesem Winter deutlich anders werden als im vergangenen“, sagt Stefan Baumert, seit 1. Oktober neuer Deutschlandchef des weltgrößten Reisekonzerns Tui. Fast überall können Geimpfte, Getestete oder Genesene wieder ohne Quarantäne einreisen. „Fast alle Flugdestinationen werden wieder erreichbar sein.“

Tui-Chef sieht „neue Normalität beim Reisen in der Pandemie“

Der Reisekonzern spüre für die kalte Jahreszeit nicht nur eine hohe Nachfrage nach Sonnenzielen wie den kanarischen Inseln. Gefragt seien auch Wintersportreisen, die 2020/21 fast komplett ausfallen mussten. „Es gibt wieder Skireisen, auch mit angepasstem Après-Ski“, sagt Baumert im Gespräch mit unserer Redaktion. Und die Deutschen wollen offenbar wieder viel verreisen im Winter: „Die Nachfrage ist quasi wie früher. Über Weihnachten und Silvester ist es an den beliebten Zielen jetzt schon eng.“

Baumert, 47, ging direkt nach seinem BWL-Studium zu Tui und arbeitete dort seither in verschiedensten Management-Positionen. Er folgt als Deutschlandchef auf Marek Andryszak, der den Reisekonzern zum 30. September verlassen hat. Die größte Krise hat der Konzern, der zu Beginn der Corona-Pandemie im Sommer 2020 mit Staatshilfe gerettet werden musste, inzwischen hinter sich gelassen.

„Dank der erfolgreichen Impfkampagnen ist das Geschäft in diesem Sommer wieder gut angelaufen“, sagt Bau­mert. Er startet mit Rückenwind ins neue Amt. „Über allem steht für uns die neue Normalität beim Reisen in der Corona-Pandemie. So hat sich zum Beispiel der Umgang mit Reisewarnungen deutlich geändert.“

Großer Nachholbedarf für längere Reisen ins Ausland

Die Entscheidung des Konzerns, auch Reisen zu Zielen mit Warnung anzubieten, sei von den Kundinnen und Kunden gut angenommen worden. „Viele haben sich gefreut, dass wir die Reisen trotzdem durchführen. Durch die 3G-Regelung wird das nun immer mehr Teil unseres normalen Geschäfts.“

Nach den monatelangen Corona-Einschränkungen im vergangenen Winter und Frühjahr sieht Baumert bei der Kundschaft nun „einen hohen Nachholbedarf“ beim Reisen. „Seit Mai hatten wir 1,5 Millionen Buchungen für die Sommersaison und die Zahlen steigen stetig weiter. Alle Zeichen gehen in Richtung Normalisierung.“

Stefan Baumert ist neuer Chef Touristik der Tui Deutschland.
Stefan Baumert ist neuer Chef Touristik der Tui Deutschland. © FUNKE Foto Services | Bernd Thissen

Über alle Ziele gesehen liege die Buchungslage zwar noch ein Stück weit vom früheren Niveau entfernt. Doch bei einigen Destinationen wie der Türkei oder Mallorca sei der Einbruch jetzt, im Spätsommer, schon überwunden. „Auf einigen griechischen Inseln bieten wir sogar mehr an als 2019“, sagt der Tui-Manager.

Zudem sei seit der für November angekündigten Öffnung der USA die Nachfrage direkt angesprungen. Das beliebte Ziel für Sommerreisen war in diesem Jahr wegen geschlossener Grenzen komplett ausgefallen. Stark gefragt seien in der Pandemie auch Reisen im eigenen Auto etwa an die Ostsee oder nach Österreich.

Reisekonzern plant ohne 2G – in Flugzeugen und Hotels

Eine große Herausforderung für die Touristiker: Wegen der unklaren Entwicklung der Pandemie plant derzeit kaum jemand seinen Urlaub langfristig im Voraus. „Vergangene Woche wurden am stärksten Reisen noch im Oktober gebucht, gefolgt von November und Dezember“, sagt Baumert. „Selbst in der jeweiligen Abreisewoche werden noch zehn bis 15 Prozent der Plätze verkauft.“

Das stelle den größten Reisekonzern der Welt vor große Herausforderungen in der Kapazitätsplanung: Wie viele Flüge und Hotelzimmer muss sich das Unternehmen sichern, wenn die Nachfrage quasi nur auf Sicht abzuschätzen ist? Baumert: „Das kannten wir so bislang nicht, haben aber Erfahrungswerte gesammelt.“

Der Reisekonzern plane mit Blick auf möglicherweise stark steigende Infektionszahlen im Winter keine strengeren Corona-Regeln wie Reisen nur für Geimpfte und Genesene. „Wir als Tui planen keine weitere Regelung in Richtung 2G, auch nicht in unseren eigenen Hotels“, sagt Baumert. Tui richte sich nach den Vorgaben der Behörden vor Ort. „Sollten die lokalen Behörden 2G fordern, würden wir das natürlich auch umsetzen.“

Für das kommende Jahr erwartet Baumert eine weitere Normalisierung des Reisegeschäfts sowie einen großen Nachholbedarf: „Im Schnitt werden für 2022 längere Reisen gebucht – zehn statt acht Tage“, sagt der Tui-Deutschlandchef.

Tuis Nachhaltigkeitsstrategie: Moderne Flugzeuge und weniger Buffets

Und die Menschen würden sich mehr gönnen: Etwa den Komfortsitz im Flugzeug oder eine höhere Zimmerkategorie mit Meerblick. Die Nachfrage werde zwar noch nicht wieder auf dem Vorkrisenniveau liegen, aber „deutlich stabiler“ sein als 2021. „Statt wenige Wochen im Voraus wird der Januar wieder zum traditionellen Frühbuchermonat für den Familienurlaub“, erwartet der Manager.

Einige Trends aus der Pandemie würden sich aber fortsetzen: Reisende wünschten sich weiterhin Flexibilität und Sicherheit bei der Reiseplanung, etwa mit Flex-Tarifen und einem Covid-Schutz, der bei einer Erkrankung für die Quarantänekosten aufkommt.

Zudem dürfte die Klimadebatte auch stärker die Reisebranche treffen. „Tui arbeitet derzeit an einer neuen Nachhaltigkeitsstrategie mit ehrgeizigen Zielen“, kündigt Baumert an. Ein Bestandteil sei die Reduzierung von CO2-Emissionen. „Wir haben schon die effizienteste Flugzeugflotte der Welt, wie das Atmosfair-Ranking zeigt“, sagt er. „Durch den Einsatz modernerer Flugzeuge werden der Treibstoffverbrauch und die Emissionen noch weiter sinken.“

Die Maßnahmen betreffen auch die Hotels des Konzerns, erklärt Baumert: „Während der Pandemie ist zum Beispiel das Bewusstsein für einen sorgsamen Umgang mit Lebensmitteln gestiegen – durch mehr Service am Platz statt Buffets werden auch weniger Lebensmittel weggeworfen.“