Zeltingen/Ürzig. Die Hochmoselbrücke wird eine der größten Deutschlands sein. Sogar der Kölner Dom hätte unter ihr Platz

    Fast geräuschlos schieben sich 32.000 Tonnen Stahl über das Moseltal. Ganz langsam und kaum sichtbar – Zentimeter für Zentimeter. Es ist der Endspurt für die größte Brücke, die sich derzeit in Europa im Bau befindet. Nur noch wenige Meter, dann ist der Brückenschlag des 1,7 Kilometer langen Bauwerks ­komplett. Die bis zu 160 Meter hohe Hochmoselbrücke zwischen Ürzig und Rachtig (Kreis Bernkastel-Wittlich) soll ab 2019 mit dem Neu- und Ausbau der B50 eine direkte Straßen­verbindung zwischen den Benelux-Staaten und dem Rhein-Main-Gebiet schaffen.

    „Es ist ein Meilenstein, wenn die Brücke jetzt die Eifelseite erreicht“, sagt der Bauaufseher beim Landesbetrieb Mobilität Rheinland-Pfalz, Christoph Schinhofen, an der Baustelle. „Ein bisschen Wehmut ist auch dabei, wenn eine so lange und interessante Bauzeit sich dem Ende zuneigt.“ An der Brücke wird bereits seit 2011 gebaut, seit Sommer 2014 ist in insgesamt 13 „Verschüben“ von großen Stahlträgern über die zehn Pfeiler sukzessive der Überbau entstanden.

    Am heutigen Freitag soll es so weit sein: Dann wird die Vollendung des Stahlüberbaus mit politischer Prominenz gefeiert. Unter anderem haben sich Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) und der rheinland-pfälzische Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) angesagt. Das monumentale Bauwerk, das man im Moseltal aus vielen Kilometern Entfernung sieht, wird bundesweit die Nummer zwei sein: Nur noch die Kochertalbrücke (maximale Höhe: 185 Meter) in Baden-Württemberg sei höher.

    Nicht allen jedoch wird zum Feiern zumute sein: Denn die gigantische Brücke war seit ihrer Planung umstritten. Kritiker bemängelten, dass das Mega-Bauwerk das idyllische Landschaftsbild des Moseltals zerstöre. „Die Brücke baut das Tal nicht zu“, sagt Schinhofen. Sie sei extra „so transparent wie möglich“ gebaut worden – mit großen Abständen zwischen schlanken Pfeilern und einem schlanken Überbau.

    Der Rohstahl stammt aus der Dillinger Hütte im Saarland und wurde in Fertigungswerken in Hannover und im elsässischen Lauterburg in einzelne Teile verarbeitet, die dann mit rund 1000 Schwertransporten an die Baustelle geliefert wurden. Zudem seien rund 40.000 Kubikmeter Beton verbaut worden, berichtet der Fachmann.

    Auch waren Sorgen laut geworden, dass der Bau ein großes Risiko berge - und zwar auf Eifelseite, wo man vor einigen Jahren in 22 Metern Tiefe Erdverformungen von rund 0,6 Millimetern pro Jahr festgestellt hatte. Um diese Bedenken auszuräumen, mussten die Brückenbauer nachlegen. Sie bauten dort sechs unterirdische Betonsäulen – als zusätzlichen Schutz für den Fall, dass es irgendwann einmal erneut zu Bewegungen am Hang komme. „Die Brücke ist absolut sicher“, sagt der Ingenieur.

    40.000 Brücken im Bereich von Bundesfernstraßen

    Die Brückenkatastrophe von Genua hat auch den 50-Jährigen geschockt. Zu möglichen Ursachen könne er nichts sagen. „Das wäre alles unseriös.“ In Deutschland jedenfalls sei noch „nie eine Brücke unter Verkehr zusammengebrochen“, sagt er. Unglücke, die hier passierten, geschahen während der Bauphase – weil etwa ein Traggerüst versagt habe. Bundesweit gebe es rund 40.000 Brücken im Bereich von Bundesfernstraßen. „Wir haben hohe ­Sicherheitsreserven.“ Alle sechs Jahre gebe es Haupt- und alle drei Jahre Zwischenuntersuchungen.

    Das Projekt Hochmoselübergang, zu der die Brücke mit einer insgesamt 25 Kilometer langen neuen Strecke zwischen Eifel und Hunsrück gehört, war auch immer wieder wegen seiner Kosten in den Schlagzeilen. 2004 – vor Start der Bauarbeiten – war von 280 Millionen Euro die Rede, bei Baubeginn der Brücke im Jahr 2011 waren es dann 330 Millionen Euro. Derzeit geht man von mindestens 483 Millionen Euro aus. Grund dafür seien vor allem die Baupreise, die in den vergangenen Jahren um rund 30 Prozent gestiegen seien – unter anderem für Stahl, sagt Schinhofen.

    Die Brücke lockt Wanderer, ­Touristen und Anwohner an, die schauen, wie es vorangeht. Wie Franz Kappes und Robert Franzen aus Zeltingen (Kreis Bernkastel-Wittlich). Sie sind an die Stelle gewandert, an der noch die Lücke klafft. „Die Brücke sieht okay aus, weil sie ja ziemlich filigran gebaut ist“, sagt Kappes. Er könne die Brücke von seinem Schlafzimmer aus sehen. „Unsere Bedenken sind eigentlich nur die Geräusche später, wenn der ­Verkehr hier rollt.“ Er hoffe, dass das nicht zu laut werde.