Hamburg. „Einer von uns“ auf Platz vier! Wie 3000 Besucher und Moderatorin Barbara Schöneberger bei derEurovision-Partyden deutschen Erfolg feiern

„Das ist doch nicht zu glauben“, ruft eine Frau auf dem Spielbudenplatz. Die beiden Deutschland-Fähnchen, die sie sich in ihren Haardutt gesteckt hat, wippen im Rhythmus ihres fassungslosen Kopfschüttelns.

So etwas wie an diesem Sonnabend hat man aber auch schon seit Jahren nicht mehr erlebt bei der offiziellen Eurovision-Song-Contest-Party auf der Reeperbahn: In schöner Regelmäßigkeit trudeln von den Jurys der Teilnahme­länder Punkte für den deutschen Kandidaten Michael Schulte und sein Lied „You Let Me Walk Alone“ ein. Der Rotschopf wird zwar gern der „Ed Sheeran Buxtehudes“ genannt, aber bei jeder Gelegenheit wird im Publikum und auf der Bühne von Barbara Schöneberger betont, dass Schulte mal ein paar Monate mit Sänger Max Giesinger unweit des Spielbudenplatzes in einer WG gehaust hat. Einer von uns!

Am Ende ist Michael Schulte Vierter hinter Israel, Zypern und Österreich. Auf der Reeperbahn aber wird Schulte gefeiert wie zuletzt Lena Meyer-Landrut bei ihrem Triumph 2010.

Als sich die ersten Besucher der ESC-Party ihre Bändchen organisieren und in das abgesperrte Areal für 3000 Besucher begeben, sind Sarkasmus und Galgenhumor noch weit verbreitet. Man fühlt sich ein wenig wie die Fans des HSV, die ein paar Kilometer weiter das Volksparkstadion verlassen. Man befürchtet, dass es nicht viele Punkte zu feiern gibt, dass eine weitere Enttäuschung wie in den vergangenen fünf Jahren beim Song Contest droht. Trotzdem nehmen 3000 Partybesucher und Hunderte weitere Zaungäste stundenlanges Stehen in Kauf.

Immerhin ist dieses Jahr das Wetter hervorragend. Das freut auch Moderatorin Barbara Schöneberger: „Das kann nicht der ESC sein. Es regnet ja nicht“, sagt sie lachend und zeigt auf der großen Videoleinwand ein Bild aus dem Vorjahr im Plaste-Regenanzug. Dieses Jahr trägt sie ein türkises Kleid, das sie, wie sie sagt, aus einer alten Duschmatte gemacht hat. Sie begrüßt Mary Roos, die ESC-Sängerin der Jahre 1984 (13. Platz) und 1972 (3. Platz) und ihr Lied „Aufrecht geh’n“ und anschließend Revolverheld mit dem neuen Song „Immer noch fühlen“. Und plötzlich steigt der Kreischfaktor enorm an. Mike Singer, 18 Jahre junges Insta­gram-Phänomen aus Kehl mit Millionen Followern in den sozialen Netzwerken, singt „Déjà -vu“. Und während ältere Besucher sich ratlos fragen, wer das ist, rennen drei Mädchen aufgedreht schreiend, ihre Handys wedelnd und über die eigenen Füße stolpernd vom Gelände in Richtung Bühneneingang, wahrscheinlich in der Hoffnung auf ein Selfie mit Mike. Auch Michael Schulte hat wie Mike Singer mit Coversongs auf YouTube angefangen. Dann singen die Simple Minds ihren Klassiker „Don’t You (Forget About­ Me)“. Sogar die Schöneberger darf „Du willst es doch auch“ von ihrem tags zuvor erschienenen Album „Eine Frau gibt Auskunft“ trällern. Schließlich steht die Schalte zu Schulte und Co. nach Lissabon.

„You Let Me Walk Alone“ kommt sehr gut an, und der Jubel bei Schönebergers Verkündung der deutschen Jury-Entscheidung ist authentischer als in den Vorjahren. Hier geht was, das spüren alle. Und doch können es die ESC-Fans kaum fassen, als zwölf Punkte für Schulte aus Dänemark, Norwegen, aus den Niederlanden und der Schweiz verkündet werden. Ein vierter Platz bedeutet Blech bei Olympia, aber beste, friedliche Stimmung auf dem überlaufenden Kiez. Die Party danach beginnt mit Sasha und seinem Lied „Genug ist genug“, dann übernimmt Schultes WG-Kumpel Max Giesinger mit „Legenden“:

Ein Lied, das sehr offensichtlich zur nächsten WM-Hymne werden soll. Aber das ist eine andere Geschichte.