Berlin. 18-Jähriger soll Berliner Kunsthistorikerin im beliebten Tiergarten getötet haben

Klaus Rasch möchte dem Angeklagten unbedingt in die Augen sehen. Immer wieder versucht er – quer durch den Saal 700 des Moabiter Kriminalgerichts –, Ilyas R. mit seinem Blick zu fixieren. Es gelingt nicht. Der junge Mann, er gibt sein Alter mit 18 Jahren an, hat den Blick gesenkt. Ilyas R. ist angeklagt, Raschs Frau im Berliner Tiergarten attackiert, erwürgt und ausgeraubt zu haben. Seit gestern steht der Tschetschene vor Gericht.

Das 60-jährige Opfer, eine Kunsthistorikerin, kam am 5. September 2017 von einem Treffen mit Freundinnen in einer Gaststätte, als sie mitten in dem beliebten Park getötet wurde. Die Frauen gehörten zu den ersten Zeuginnen. „Sie war ein wunderbarer Mensch, wir vermissen sie so“, schilderte eine 55-Jährige. „Sie war eine, die wahrscheinlich um ihre Tasche gekämpft hätte, eine taffe Frau“, sagte eine 68-Jährige. Nach ihrer Befragung fielen sich die Freundinnen weinend in die Arme.

Ilyas R. ließ über seine Verteidiger erklären, dass er von seinem Schweigerecht Gebrauch mache. Drei Wochen zuvor aber hatte er die Tat bei einer Befragung bestritten. Er habe die Tote gefunden und nach Wertgegenständen durchsucht. Die Aussage wirkt, als sei sie haarscharf den Ermittlungsergebnissen angepasst. Die Leiche wurde erst drei Tage später von Passanten entdeckt. Der Angeklagte wurde über das geraubte Handy ermittelt und eine Woche nach dem Gewaltverbrechen in Polen in der Nähe von Warschau festgenommen. Damals hatte er erklärt, er habe das Handy der Frau auf einem Markt für 80 Euro erstanden. Auch an der Leiche sichergestellte DNA-Spuren sollen den 18-Jährigen belasten.

Das Verbrechen hatte eine erneute Debatte über den Umgang mit ausländischen Kriminellen ausgelöst, die eigentlich ausreisen müssten, aber nicht abgeschoben werden. Gegen den 18-Jährigen war nach einer Verurteilung wegen Raubes von der Ausländerbehörde im November 2015 angeordnet worden, ihn nach Verbüßung der Strafe Ende 2016 auszuweisen. Es habe dann eine Zusage der russischen Seite gefehlt, den Minderjährigen unterzubringen, hieß es später.

Der Witwer erweist seiner Frau einen letzten Dienst

Der Witwer der Ermordeten sagte in einer Pause auf die Frage, warum er zum Prozess als Nebenkläger erscheine und sich das alles antue: „Weil es um meine Frau geht. Das ist das einzige, was ich überhaupt noch tun kann – zu versuchen, im Laufe dieses Prozesses so etwas wie die Wahrheit zu erfahren und mir dabei auch so etwas wie Ruhe zu geben.“ Er schlafe sehr schlecht, sagte er. „Ich sehe immer diesen Weg vor mir, wie sie da langgeht, nachdem sie sich von ihren Freundinnen verabschiedet hat. Dann reißt der Film. Und ich weiß nicht, wie es weitergegangen ist. Und genau das möchte ich hier erfahren.“ Der Prozess wird fortgesetzt.