Köln.

Jetzt schreibt er auch noch Romane. Es scheint, als ob Guido Maria Kretschmer (52) noch nicht genug zu tun hätte als Modedesigner und Moderator der Vox-Sendung „Shopping Queen“. Sein erstes erzählerisches Werk ist eine Überraschung, denn „Das rote Kleid“ (Goldmann), so der Titel, lebt in seinem Buch. Es denkt, es fühlt. Und dann redet es auch noch. Wie kommt man auf so etwas? Der Designer antwortet in einer Hotel-Suite in Köln. Die Sonne scheint über dem Rhein, Kretschmer trägt nur Schwarz. Er ist bestens gelaunt.

Herr Kretschmer, wie sind Sie auf die verrückte Idee gekommen, in Ihrem neuen Roman Kleider miteinander sprechen zu lassen?

Guido Maria Kretschmer: Ich weiß, die Idee ist ein bisschen irre, aber die Geschichte hatte ich schon seit Jahren im Kopf. Seit ich die Kostüme für Detlev Bucks Film „Hände weg von Mississippi“ gemacht habe. Damals drehten wir in Mecklenburg-Vorpommern und da saß ich mit meinen schicken Kleidern, die nun Filmkostüme werden sollten. Und plötzlich dachte ich: Wenn meine Kleider jetzt mitkriegen würden, was hier läuft! Das war der erste Gedanke. Und damit habe ich die Geschichte jeden Abend ein bisschen weitergedacht. Habe mich gefragt, was wäre, wenn Kleidung ein Eigenleben hätte.

Steckt darin ein bisschen Konsumkritik?

Ich sage, achtet auf die Dinge, die ihr habt. Viele Leute schmeißen ihre Kleidung auf den Boden oder denken, man kann Textilien schnell ersetzen. Dabei braucht auch ein Lieblingskleid wie im Buch Wertschätzung, Aufmerksamkeit und Liebe. Und mich interessiert die Kombination von Mensch und Kleidung. Wenn sich eine Frau einen heißen Tanga anzieht, dann könnte es eben auch sein, dass etwas passiert.

Sprechen Sie mit Ihren Kleidern?

Ja, ich sage Hallo, frage: Wie geht’s euch denn? Ich bin verbunden mit den Dingen. Und ich sehe bei anderen Leuten, warum sie dieses oder jenes Stück tragen. Für mich ist Kleidung die Haut der Seele. Kleidung sagt, schaut mich an oder sprich mich heute nicht an. Kleidung ist ein Spiel. Natürlich haben manche Menschen auch überhaupt keine Idee davon, was sie tragen. Dadurch fallen sie ständig auf oder werden übersehen.

In Ihren TV-Shows geht es immer um Mode, aber eben auch um die Menschen.

Ich glaube, dass ich nur Designer geworden bin, weil ich eigentlich scharf war auf die Menschen, die in der Kleidung stecken. Klamotte allein interessiert mich wenig. Ich habe schon mit so vielen Frauen gesprochen und weiß manchmal mehr von ihnen als ihr Hausarzt. Ich weiß, was Frauen erleben, und ich habe viele getroffen, die mit meinen Klamotten wieder auf den Weg kamen. Die sich mit ihrem Mann nicht frei genug fühlten, die sich trennten, die dick und dünn wurden und danach wieder lernten, Frau zu sein. Designen ist meine Möglichkeit, den Menschen auf eine ganz besondere Art nahe zu sein.

Und natürlich Erfolg zu haben.

Ich bin aufgewachsen mit dem Gefühl, dass man alles schaffen kann. Ich habe speziell Frauen viel zu verdanken. Ich hatte eine gute Mutter, Oma und eine starke Schwester, eine tolle Lehrerin. Frauen waren meine Mentorinnen und Vorbilder. Manchmal denke ich, ich bin die textile Wiedergutmachung für die unschönen Dinge, die Frauen erleben.

Sie kommen nicht aus Paris, sondern aus einem Dorf bei Münster. Wie schwer war es, von dort aus diesen Weg zu gehen?

Wo man geboren wird, ist egal. Wichtig ist, dass ein Mensch sagt, du kannst das. Du schaffst das. Warum ich so früh auf Selbstständigkeit gepolt war, weiß ich nicht. In meiner Welt gab es nicht viel Geld, aber Liebe, Anerkennung und Toleranz und Unterstützung. Meine Eltern haben uns geliebt und gefördert. Aber ich wollte früh frei und kommerziell unabhängig sein.

Ist Ihnen Geld wichtig?

Geld ist nur wichtig, wenn man es nicht hat. Und ich hatte oft keines. Es gab Zeiten, da wusste ich nicht, wie ich die Kollektion bezahlen soll oder woher ich das Geld für die Autoversicherung herbekomme. Aber als ich merkte, ich habe genug Geld zum Leben, wurde ich ruhiger. Wichtiger war mir immer: Fleißig zu sein. Ich bin das beste Beispiel dafür, dass alles möglich ist.

Viele Stardesigner sind ziemlich arrogant.

Tatsächlich kenne ich Designer, die ihre Kundschaft nicht ausstehen können. Bei mir ist das andersherum. Je prominenter ich wurde, desto mehr habe ich an meinen Wurzeln festgehalten. Wenn ich bei einer Autogrammstunde hinten in der Ecke eine Frau sehe, die sich nicht traut, eine Frage zu stellen, dann spreche ich sie an, weil ich in ihr einen Teil von mir sehe. Wenn ich an der Bar stehe und ein Bier bestellen will, bin ich eigentlich der, der 15 Mal übergangen wird. Und das bin ich nach wie vor. Manchmal bin ich der scheue Junge – das behütet mich sehr vor Arroganz.

Warum arbeiten Sie so viel?

Ich mache alles, weil es mir Spaß macht, nicht wegen des Mehr-Habens. Für mich ist eine Zwei-Zimmer-Wohnung genauso in Ordnung wie ein Haus mit 33 Zimmern. Am Abend sitzt man auf dem Sofa, und wenn das gemütlich ist, ist es egal, wo es steht. In diesem Punkt bin ich so etwas wie eine westfälische Hausfrau. Ich will eigentlich, dass es allen gut geht. Und verstehe den ganzen Neid und Hass nicht. Ich hätte im Leben nichts erreicht, wenn ich Hass in mir hätte. Nichts.

Vom Hass zur Liebe: Nun gibt es die Ehe für alle. Sie heiraten Ihren Mann noch einmal auf Sylt. Was ziehen Sie an?

Für meine Hochzeit würde ich gern einen dieser schmalen Anzüge von Dior tragen, aber das wird wegen meiner Figur nicht passieren. Auf jeden Fall werde ich Schwarz tragen. Bei meinem Frank ist das anders, der kann alles tragen. Die Gäste können auch anziehen, was sie wollen. Hauptsache, sie fühlen sich wohl. Sogar eine Jogginghose.