Potsdam/Berlin. Rätsel um Sprengsatz vom Weihnachtsmarkt Potsdam gelöst: Kriminelle fordern Millionen von Logistikkonzern

Es gab einen bemerkenswerten Moment, am Sonntag in Potsdam. Soeben war bekannt geworden, dass das Paket, das am 1. Dezember für eine Räumung des Weihnachtsmarktes sorgte, hätte explodieren können – da trat der brandenburgische Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) vor die Presse. Er sprach wortwörtlich von „einer guten und einer schlechten Nachricht“. Die gute sei, „dass der Weihnachtsmarkt nicht das Ziel des Anschlags“ war. Oberstaatsanwalt Heinrich Junker ergänzte: „Ermittelt wird nicht mehr nur wegen des Versuchs der Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion, sondern auch wegen schwerer räuberischer Erpressung.“ Das war die schlechte Nachricht: Der Paketdienstleister DHL soll Millionen Euro zahlen. Das betroffene Unternehmen wollte sich zu Details nicht äußern.

Da gibt es also Menschen, die offenbar nichts mit „Islamischem Staat“ und Terror gemein haben, sondern zu Beginn des Advents aus Geldgier für Angst und Schrecken sorgen. Dabei, so Junker, nehmen sie den Tod von Unschuldigen in Kauf. Die Weihnachtsmärkte sind zwar vorerst aus der Schusslinie genommen. Dabei es ist noch nicht einmal ein Jahr her, dass ein radikalisierter Islamist mit einem Lkw über den Weihnachtsmarkt von Berlin fuhr und zwölf Menschen tötete. Die Stimmung jedenfalls war am Wochenende nicht die gleiche. Bei jedem Sirenen-Geheul schaute man in besorgte, zum Teil verängstigte Gesichter in Potsdam.

Das Paket vom 1. Dezember hatte – anders als erste Ermittlerergebnisse andeuten – sehr wohl einen funktionierenden Zünder. Demnach hatte der Apotheker, der es in Potsdam entgegennahm, „ein zischendes Geräusch“ vernommen, als er es öffnen wollte. Dass ihm nichts passierte: reines Glück. Innerhalb von zwei Minuten war die alarmierte Polizei vor Ort und sprengte das Paket kontrolliert. Dazu wurde ein scharfer Wasserstrahl verwendet; nur deshalb konnten die Beamten später in den Überresten noch viele Beweisstücke entdecken: unter anderem einen metallischen Zylinder, Batterien und Nägel.

Die vielen Einzelteile mussten danach von der Kriminaltechnik aufwendig wieder zusammengesetzt werden, inklusive eines QR-Codes. Über diesen Code gelangten die Polizisten schließlich an die Lösegeldforderung, von der es nur heißt, sie habe „Millionenhöhe“. Mehr Details wollten die Ermittler nicht nennen.

Am Sonntag wurde denn auch bekannt, dass Anfang November bereits ein ähnliches Paket an einen Online-Händler in Frankfurt (Oder) gesendet worden war. Dieses sei beim Öffnen in Brand geraten, sagte Brandenburgs Polizeipräsident Hans-Jürgen Mörke. Dadurch verbrannte das Erpresserschreiben. In der Potsdamer Sendung sei aber auf diese frühere Tat Bezug genommen worden.

Innenminister Schröter erinnert der Fall an den Kaufhaus-Erpresser, der vor mehr als 25 Jahren unter dem Spitznamen „Dagobert“ auftrat. Er konnte im Jahr 1988 erfolgreich 500 000 DM vom „Kaufhaus des Westens“ in Berlin erpressen. Vier Jahre später lieferte er sich mit der Polizei ein Katz-und-Maus-Spiel. Es entstand durch Bomben ein Sachschaden in Millionenhöhe, und der Erpresser wurde schließlich mit fast sieben Jahren Gefängnis bestraft. „Ich hoffe, wir sind schneller erfolgreich“, sagte Schröter.

Martin Grundler vom Paketdienst DHL kann am Sonntagnachmittag nur wiederholen, dass er die Ermittlungen nicht gefährden dürfe. Der Sprecher des größten Logistikkonzerns der Welt ergänzt, dass er sich um die Mitarbeiter von DHL und um die Kunden sorge. Grundler mahnte, gerade jetzt besonders wachsam zu sein. „Bitte nehmen Sie keine Sendungen an, die Sie nicht zuordnen können oder wo Sie den Absender nicht lesen können.“