Berlin. Prozess in Berlin: Ein Trödler soll einen 80-Jährigen ermordet haben, um dessen Rente zu kassieren

Es war Leichengeruch, den ein Bewohner im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg wahrgenommen haben wollte – aus der Wohnung seines Nachbarn, den er schon seit Jahren nicht mehr gesehen hatte. Er sprach deswegen auf der Straße Streifenpolizisten an. Sie durchsuchten die Wohnung und machten einen grausigen Fund: In einer Tiefkühltruhe lag verpackt in rosafarbenen Plastiksäcken die zerstückelte Leiche des Wohnungsinhabers. Es gab keinen Leichengeruch. Aber der unruhig gewordene Nachbar hatte mit seinem schlimmen Verdacht dennoch recht behalten.

Der mutmaßliche Mörder muss sich seit Freitag vor einem Schwurgericht in Berlin verantworten: Josef S., 56 Jahre alt, der einen Trödelladen führte und, bevor er in seinem Geschäft Quartier bezog, einige Monate neben dem Ermordeten gewohnt hatte.

Josef S. hat sich zu den Vorwürfen bislang nicht geäußert, soll aber eine Aussage angekündigt haben, weil er, so soll er bei der Polizei gesagt haben, „endlich wieder ruhig schlafen“ wolle. Den Ermittlungen zufolge soll Josef S. den damals 80 Jahre alten Heinz N. zwischen dem 30. Dezember 2006 und dem 1. Januar 2007 in dessen Wohnung mit einer Pistole Kaliber 6,35 Millimeter erschossen und hernach zerstückelt haben. Als Motiv wird Habgier vermutet: Josef S. soll fast zehn Jahre die Rente des Ermordeten kassiert haben. Monat für Monat rund 2000 Euro, die er mit der EC-Karte des Ermordeten von einem Bankautomaten abhob.

Rentner lebte völlig zurückgezogen

Heinz N. und seine Frau Liesel lebten zurückgezogen, hatten keine Angehörigen, und es gab wohl auch keine Freunde oder Bekannten. Im März 2006 starb seine Frau. Diese noch größer gewordene Einsamkeit soll Josef S., der einige Monate in der Nachbarwohnung lebte, ausgenutzt haben, um sich das Vertrauen des Rentners zu erschleichen. Bewohner des Kiezes beschreiben Josef S. als vollkommen unauffällig. Wer ihn etwas näher zu kennen glaubte, verwendet Worte wie „nett“, „freundlich“ oder „handwerklich sehr geschickt“. Er sei zudem sehr hilfsbereit gewesen.

Staatsanwalt Reinhard Albers geht davon aus, dass es sich bei dem Mord um eine bis ins Detail geplante Tat handelte. Der Angeklagte habe viel Geld in Spielkasinos verzockt, dafür hätten seine Einkünfte aus dem Trödelladen nicht gereicht. Und dann gab es diesen einsamen Witwer, der Monat für Monat eine nicht unbeträchtliche Rente bezog.

Staatsanwalt Albers spricht von „einem sehr großen Aufwand“, den Josef S. betrieben habe, um vorzutäuschen, dass sein Opfer noch lebt. Das reiche bis hin zu Einkommenssteuererklärungen, die Josef S. für den Ermordeten gefertigt und mit dessen Namen unterschrieben haben soll. Auch die im Hochparterre gelegene Wohnung des Ermordeten soll von Josef S. in einem Zustand gehalten worden sein, der suggeriert, dass der Inhaber sie noch nutzt.

„Er hielt sich regelmäßig in der Wohnung des Rentners auf, hat alles in Ordnung gehalten, hat gelüftet, hat regelmäßig die Jalousien heruntergelassen und morgens wieder hochgezogen, hat an einer Nachttischlampe sogar eine Zeitschaltuhr angebracht, sodass abends das Licht anging“, sagt der Staatsanwalt. „Die Wohnung war absolut aufgeräumt, quasi klinisch rein. Es gab keinen Anhaltspunkt, dass Herrn N. irgendetwas zugestoßen sein könnte.“

Gegen Josef S. läuft auch ein Ermittlungsverfahren wegen des spurlosen Verschwindens einer Rentnerin, die seit 2002 als verschollen galt. Josef S. schweigt bislang auch dazu. Der Prozess gegen ihn wird am 16. Oktober fortgesetzt.