Miami. Hurrikan sorgte für Stromausfall. Zahl der Opfer in den USA steigt auf 19

Blaulicht an jeder Straßenecke, am Himmel der Polizeihubschrauber. Und das Ganze bei 37 Grad. Flora Mitchell rinnt der Schweiß in Strömen von der Stirn. Die 61-Jährige wollte gestern Mittag im alteingesessenen Altenheim Hollywood Hills im Norden von Miami ihre Schwester Vonda (58) besuchen. Und dann das: „Ich weiß nicht, wo sie ist oder ob sie überhaupt noch lebt“, sagt die völlig aufgelöste Afroamerikanerin dieser Zeitung, „niemand gibt mir Auskunft.“

Wie Mitchell ging es gestern vielen Angehörigen der über 120 Insassen, die neben einem hochmodernen Krankenhauskomplex in einer ruhigen Vorstadtsiedlung leben. Mindestens sechs von ihnen sind laut Polizeichef Tom Sanchez nicht mehr am Leben. Nach ersten Einschätzungen der Ermittler starben sie im Gefolge von Hurrikan „Irma“. Weil in der Senioren-Einrichtung wie millionenfach in Florida nach dem verheerenden Wirbelsturm schon am Sonntag der Strom ausgefallen ist, so der vorläufige Stand der Polizei, stiegen in dem Heim die Temperaturen über Nacht stark an, die Rede ist von 28 Grad. Die Klimaanlage war nach Angaben des Herstellers defekt und konnte nicht repariert werden. Danach sei es möglicherweise bei den als Ersatz benutzten Generatoren zu giftigen Gasaustritten gekommen. Auch das Gerücht der Vernachlässigung der alten Menschen machte die Runde.

Viele Bewohner befanden sich in kritischem Zustand

Über die genaue Todesursache, drei der Opfer starben vor Ort, drei nach Abtransport ins Krankenhaus, machten die Behörden keine Angaben. „Wir stehen am Anfang der Untersuchung eines möglichen Verbrechens“, sagte ein leitender Polizist, der an der 33. Straße der Kleinstadt zwischen Fort Lauderdale und Miami gestern Dutzende Journalisten und TV-Crews bei brütend-schwülen Temperaturen in Schach hielt. Über 100 Bewohner der Einrichtung, deren Chef Jack Larkin vor Jahren in einen millionenschweren Betrugsskandal im Gesundheitswesen verwickelt war, konnten rechtzeitig in Sicherheit gebracht werden. Zwölf von ihnen sind nach Angaben von Doktoren, die aus der Klinik gegenüber herbeigerufen wurden und „furchtbare Zustände“ vorfanden, in kritischem Zustand. Die Tragödie von Hollywood Hills dominierte am Dienstag die US-Fernsehnachrichten. „In Hunderten Altenheimen in Florida und bei vielen Angehörigen“, so ein Moderator eines Lokalsenders, „geht jetzt die Angst um.“

Vor dem Zwischenfall in Hollywood Hills hatte die „New York Times“ die Zahl der US-Toten auf 13 beziffert. Insbesondere auf der Inselgruppe Florida Keys könne ihre Zahl aber noch steigen. Rund 90 Prozent der Häuser auf den Inseln wurden zerstört. Bei seinem Zug durch die Karibik waren infolge des Hurrikans zuvor mindestens 37 Menschen gestorben.