Freiburg.

Seine Augen sind halb geschlossen, sein Schritt ist schleppend. Lethargisch wirkt der junge Kerl, der eine Studentin brutal vergewaltigt und getötet haben soll. Als sei er sediert. Hussein K. habe ein starkes Beruhigungsmittel genommen, bevor er den Gerichtssaal betrat, sagt sein Anwalt. Jetzt sitzt der mutmaßliche Sexualmörder in weinrotem Pullover und ausgeblichener Jeans auf der Anklagebank und blickt zu Boden. Auf die Frage des Gerichts, wie es ihm gehe, antwortet er: „Ich habe nichts zu erzählen.“ Später am Tag wird er doch noch reden – aber viele seiner Sätze lassen die Zuhörer verständnislos zurück.

Die Staatsanwaltschaft legt Hussein K. zur Last, in Freiburg die 19-jährige Maria umgebracht zu haben. Die Anklage ist voller grauenvoller Details: Wie er die Studentin vom Rad reißt, als sie nachts um drei auf dem Heimweg von einer Party ist. Wie er sie sofort zu würgen beginnt. Wie er sie in Brust und Wange beißt. Wie er die schon halb besinnungslose Frau vom Radweg auf einen unbeleuchteten Grasstreifen hinter dem Fußballstadion des SC Freiburg zerrt. Wie er sie auszieht, sie immer weiter würgt und schließlich mehrfach vergewaltigt. Dann habe Hussein K. sie im flachen Ufergewässer des Flusses Dreisam abgelegt, sodass das Wasser Mund und Nase des Opfers bedeckte. Maria ertrank. Am Tatort fanden Ermittler hinterher ein knapp 20 Zentimeter langes Haar. Am Ansatz ist es schwarz, weiter unten blondiert. Diese Details halfen dabei, den mutmaßlichen Täter zu finden – denn zum Zeitpunkt der Tat trug er eine auffällige Frisur. Die Staatsanwaltschaft beantragte Sicherungsverwahrung für den Angeklagten.

Der Angeklagte sagt,er habe psychische Probleme

In der Untersuchungshaft hatte Hussein K. zu den Vorwürfen geschwiegen. Doch beim Verhandlungsauftakt entschied er sich zur Überraschung der Prozessbeobachter, zu sprechen. Er leide unter psychischen Problemen, ausgelöst durch Erlebnisse in seinem Heimatland. Hussein K. sagt, er stamme aus Afghanistan. Im Oktober 2015 kam er als Flüchtling nach Deutschland, lebte in einer Freiburger Pflegefamilie. Wegen dieser nicht näher beschriebenen Erlebnisse habe er regelmäßig Drogen und Alkohol konsumiert. Die Richterin fragt intensiv nach, aber Hussein K. verstrickt sich immer wieder in Widersprüche oder beruft sich auf Erinnerungslücken. Ein Knackpunkt ist sein Alter. Der Angeklagte räumt ein, dass er bei der Einreise nach Deutschland ein falsches Alter angegeben hat – er sei schon 18, nicht erst 16 gewesen wie behauptet. Andere Flüchtlinge hätten ihm erzählt, für Minderjährige sei es in Deutschland leichter. Papiere mit Geburtsdatum oder Angaben zur Herkunft gibt es nicht. Das Landgericht muss jetzt entscheiden, ob Hussein K. nach Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht beurteilt wird. Im ersten Fall drohen ihm bis zu zehn Jahre Haft. Wird er wie ein Erwachsener behandelt, erwartet ihn hingegen eine lebenslange Haftstrafe.

Wie die Behörden heute wissen, hat Hussein K. schon einmal ein Sexualverbrechen begangen: 2013 überfiel er auf der griechischen Ferieninsel Korfu eine Studentin und warf sie eine hohe Klippe hinab. Das Opfer überlebte schwer verletzt. Wegen versuchten Mordes wurde Hussein K. in Griechenland zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt, im Oktober 2015 aber gegen Auflagen vorzeitig entlassen. Kurze Zeit später bat er in Deutschland um Schutz.

Der Freiburger Mordfall hatte die Flüchtlingsdebatte in Deutschland im vorigen Jahr angeheizt. Während draußen vor dem Gerichtsgebäude Asylbefürworter und -kritiker demonstrieren, spricht Hussein K. drinnen von den Albträumen und Schlafschwierigkeiten, die ihm zu schaffen machten. Auf Fragen nach seinem Leben in der Pflegefamilie, die ihn als angeblich minderjährigen Flüchtling aufgenommen hatte, antwortet er nur vage und ausweichend. Vor und nach der Schule habe er mit einem Freund geraucht und getrunken. Hussein K. sagt: „Ich habe sehr viele Pro­bleme, ich habe sehr viele Probleme.“

Die Eltern desOpfers schweigen

Die Eltern der Studentin bekommen diese Aussage nicht mit, sie nehmen nicht an der Verhandlung teil. Als Nebenkläger lassen sie über ihren Anwalt ausrichten: „Wir haben Vertrauen in die Justizorgane.“ Ihre Tochter war eine sozial engagierte Frau, im Auftrag einer Studenteninitiative sammelte sie Spenden für den Bau einer Schule in Ghana. Heute, teilt der Verein „Weitblick“ mit, erinnert vor dem Schulgebäude ein Gedenkstein an Maria.

Mit einem Urteil ist frühestens im November zu rechnen.