Washington. Komiker-Legende Jerry Lewis brachte Menschen rund um den Globus zum Lachen. Nun starb er mit 91 Jahren

Die Karten für den 8. September im NYCB Theatre in Westbury auf Long Island waren heiß begehrt. Und obszön teuer. Umso größer war die Enttäuschung, als vor wenigen Tagen die Nachricht per E-Mail eintrudelte, dass der Auftritt des größten Tollpatsches unter der Komiker-Sonne aus Krankheitsgründen auf unbestimmte Zeit verschoben werden muss. Jetzt für immer. Jerry Lewis ist tot. Gestorben eines natürlichen Todes im Beisein seiner Familie am Sonntagmorgen in seinem Haus in Las Vegas. Der Meister der Grimasse wurde 91 Jahre alt. Genauer 82 plus neun.

Denn zu den schönsten Sätzen des 1926 in Newark/New Jersey als Joseph Levitch (oder nach Recherchen eines anderen Biographen: Jerome Levitch) geborenen Jahrhundertkünstlers gehörte die absolut Ernst gemeinte Behauptung, er sei als Neunjähriger auf die Welt gekommen – und es immer geblieben. „Es gibt schließlich genügend Erwachsene“, pflegte Lewis zu sagen.

Auch im hohen Alter, gebeutelt von einem Krankheits-Register, das von Wirbelsäulenbruch und Prostatakrebs bis hin zu zwei Herz-Operationen und Hirnhautentzündung reichte, personifizierte Lewis den augenzwinkernden Lausejungen im Manne. Ein Mann, der zweimal verheiratet war, sechs Söhne und eine adoptierte Tochter hatte und die Bühne zum Leben brauchte wie den Sauerstoff. Seinen 90. feierte der begnadete Anekdotenerzähler, der mit seiner Kunst Hollywood-Karrieren wie die von Steve Martin, Jim Carey, Adam Sandler und Ben Stiller wohl erst möglich gemacht hat, live in New York mit 4000 Gästen.

Wer damals nicht eingeladen war, kann sich selber Trost spenden. Mit „Cinderfella“ (Aschenblödel, 1959), „The „Bellboy“ (Hallo, Page!, 1960), „The Ladies’ Man“ (Zu heiß gebadet, 1961), „The Errand Boy“ (Der Bürotrottel, 1961), „The Nutty Professor“ (Der verrückte Professor, 1963), „The Patsy“ (Die Heulboje, 1964) und zwei Paketen Taschentüchern ist man zum Ableben des Mimen gut bedient.

Dean Martin und Jerry Lewis waren ein Traumpaar

Lewis’ Meisterwerke aus den 1950er Wirtschaftswunderjahren zeigen ein Amerika, das nie erwachsen werden wollte. Ein sympathisches Amerika, das von einem Fettnapf in den nächsten tappt, fällt und sich wieder aufrappelt.

Als Fünfjähriger steht Lewis zum ersten Mal auf der Bühne. Sein Vater, ein Variete-Sänger, und die Mutter, eine Pianistin, haben ihm die „Schminke im Blut“ vererbt, wie er in einer Biografie schrieb. Nebenjobs als Würstchenverkäufer, Platzanweiser und Helfer in einer Hutfabrik verschafften ihm während der Schulzeit das nötige Taschengeld. Als Pausenfüller in Striptease-Theatern wuchs er nach und nach in die Rolle des begnadeten Kaspers, der kurz nach Kriegsende seinen Bruder im Geiste trifft: Paul Dino Crocceti. Der italo-amerikanische Frauenschwarm, der sich Dean Martin nannte, und der russisch-jüdische Quatschkopf taten sich zusammen und starteten kometenartig durch: Stand-Up-Comedy. Dann Radio-Shows. Später Hollywood. Alles gegen den Strich. Alles mit vollem Körpereinsatz (Lewis brach sich bei Stunts mehr als einen Knochen). Martin & Lewis, das war vom Kennenlernen 1946 bis zur Trennung 1956 das treffsicherste Lachsalven-Kommando seit Oliver Hardy & Stan Laurel.

Aber Jerry Lewis konnte auch anders. Als Produzent, Regisseur, Autor und Hauptdarsteller in einer Person strafte er die lange missgünstigen Kritiker in Amerika Lügen. Sie warfen ihm vor, seine frühe Popularität mit platten Blödeleien auf der Anspruchslosigkeit eines ungebildeten Massenpublikums aufgebaut zu haben. Falsch.

In Frankreich flocht das erlesene Autorenkino dem Kauz schon früh goldene Kränze. Man erkannte hinter dem Herumgehopse und den Gliederverrenkungen ein komisches Genie. Für Jean-Luc Godard war Jerry Lewis ein zweiter Charlie Chaplin. Einer, der im Alter immer besser wurde.

Wer Lewis an der Seite von Robert de Niro in Martin Scorseses „King of Comedy“ und in Peter Chelsoms „Funny Bones“ gesehen hat, weiß, was große Clowns ausmacht: Traurigkeit. Nie war die Bitterkeit des auf Kommando Komisch-sein-Müssens, die trostlose Einsamkeit hinter der Fassade des Akkord-Klamaukarbeiters bezwingender dargestellt als hier. Auch darum widmete das New Yorker Museum of Modern Art ihm im vergangenen Jahr eine große Retrospektive. Schon damals ging es Lewis nicht gut. Aber sein Sinnspruch hielt noch: „Stellt mich auf eine Bühne – und die Schmerzen sind wie weggeblasen.“ Jetzt hat die Qual ein Ende. Scherzstillstand. Unendliche Trauer.