London. Tennisstar hat so hohe Schulden, dass ein Gericht in London ihn für nicht zahlungsfähig hält. Anwalt widerspricht

Die Rasensaison der Tennisprofis steuert ihrem Höhepunkt entgegen. Im westfälischen Halle, im Londoner Queen’s Club, auf Mallorca und in Birmingham bereiten sich die Asse derzeit auf das bekannteste Tennisturnier der Welt in Wimbledon vor, das am 3. Juli beginnt. In diesen Zeiten ist Boris Becker normalerweise ein gefragter Gesprächspartner. Keiner kann so leidenschaftlich über Tennis auf Rasen erzählen, kein anderer hat mit 17 Jahren diesen Wettbewerb gewonnen, und niemand sonst darf schließlich den Centre Court des All England Lawn Tennis and Croquet Club als sein „Wohnzimmer“ bezeichnen, ohne vom Eigentümer verklagt zu werden. Aber Boris Becker macht derzeit andere Schlagzeilen und wurde tatsächlich verklagt. Gestern dann der vorläufige Höhepunkt: Boris Becker ist in London von einem Konkursgericht um 11.23 Uhr britischer Zeit für bankrott erklärt worden.

Die englische Richterin Christine Derrett fällte dieses Urteil, wie englische Medien übereinstimmend berichten. Den Antrag auf die Bankrotterklärung hatte die Privatbank Arbuthnot Latham gestellt. Der inzwischen 49 Jahre alte Becker, der am Mittwoch nicht persönlich im Gerichtssaal erschienen war und sich durch seine Anwälte vertreten ließ, soll bei der Privatbank schon seit Oktober 2015 hohe Verbindlichkeiten haben.

Richterin Derrett äußerte laut dem Onlineportal BBC News ihr Bedauern über das Urteil, aber es bestehe nicht genügend Glaubwürdigkeit, dass Becker seine Schulden zurückzahlen könne. Derrett sprach sogar von „historischen Schulden“. Man habe den Eindruck von einem Mann, der den Kopf in den Sand gesteckt habe, wird die Richterin zitiert. Als Beckers Beruf mit „TV-Experte“ angegeben wurde, erklärte Derrett: „Ich weiß, wer Boris Becker ist. Ich erinnere mich, wie ich ihn auf dem Centre Court in Wimbledon habe spielen sehen. Das zeigt wahrscheinlich, wie alt ich bin.“

Aber auch alte Erinnerungen an die Tennislegende aus Leimen, die seit vielen Jahren mit der Familie in London lebt, hielten die Richterin nicht davon ab, den Antrag der Becker-Anwälte abzulehnen. Diese hatten um einen Aufschub von 28 Tagen gebeten, damit Becker aus einem Verkauf seiner Finca auf Mallorca sechs Millionen Euro erzielen könne.

„Ich bitte um eine letzte Chance für Herrn Becker“, hatte Beckers Anwalt John Briggs laut der britischen Zeitung „The Telegraph“ vor Gericht gesagt. Es sei kein juristisches Spielchen. Becker sei nicht sehr clever, wenn es um Geld gehe, gab Briggs zu. Aber Berrett blieb hart: „Darüber hätte er sich vor langer Zeit Gedanken machen müssen.“

Wie es wirklich um die Finanzen von Boris Becker steht, ist unklar. Der Tennisstar hat in seiner Karriere viele Millionen Euro durch Prämien und Werbeverträge verdient, aber wie schon sein Anwalt Briggs am Mittwoch vor Gericht bekannte, war sein Talent, mit Geld umzugehen, eben nicht so groß wie seine Fähigkeiten mit dem Tennisschläger.

Am Abend erklärte der Berliner Rechtsanwalt Christian Schertz: „Mein Mandant war überrascht und enttäuscht, dass sich die gegnerische Bank in einem konkreten Zivilverfahren in Großbritannien entschieden hatte, Klage gegen ihn einzureichen. Das Verfahren betrifft ein Darlehen, das Herr Becker binnen eines Monats in voller Höhe zurückgezahlt hätte.“

Becker arbeitet derzeit als TV-Experte für den Sender Eurosport. Zuletzt war er Co-Kommentator bei den French Open in Paris. Bei den US Open wird er im August die Matches analysieren. In gleicher Funktion arbeitete Becker auch schon für die BBC im britischen Fernsehen beim Turnier in Wimbledon, das er selbst 1985, 1986 und 1989 gewann und damit in Deutschland einen bis heute beispiel­losen Tennis-Boom auslöste.

1999 beendete Becker seine aktive Karriere als Spieler. Ende 2013 feierte er ein viel beachtetes Comeback in der Tennisszene, als er Trainer des damaligen Zweiten der Weltrangliste, Novak Djokovic, wurde. Mit dem Serben gewann Becker in drei Jahren insgesamt sechs Grand-Slam-Turniere. Ende des vergangenen Jahres gab Djokovic die Trennung von seinem Trainer bekannt.

Becker ist in zweiter Ehe mit Lilly (40) verheiratet. Sie macht gerade in der ProSieben-Show „Global Gladiators“ (Do 20.15 Uhr) mit. Viele sogenannte Promis nehmen an Realityshows teil, weil sie endlich mal wieder im Fernsehen präsent sind. Viele andere, weil sie wegen hoher Schulden unbedingt zu Geld kommen müssen.