Berlin . Sie bloggen oder twittern aus Stall und Scheune: Viele Landwirte wollen durch soziale Medien Vorurteile abbauen

Ländliche Idylle auf einem von Kornblumen umgebenen Acker gibt es in dem Videoclip von „Bauer Willi“ nicht. Der Landwirt steht auf einem monotonen Rübenfeld am Niederrhein, im Hintergrund Kraftwerke. Versiert wie ein Fernsehprofi spricht er in die Laptop-Kamera. „Die Nacht war frostfrei, es ist windstill. Das ist ein guter Zeitpunkt, um endlich mit der Unkrautvernichtung zu beginnen“, beschreibt Willi Kremer-Schillings, promovierter Landwirt, sein Tagwerk. Dabei demonstriert er ökologisches Bewusstsein. Mit dem Pflanzenschutz beginne man generell erst, wenn die Bienenvölker abends wieder in ihren Stock zurückgekehrt sind, damit sie keinen Schaden nehmen.

Seit 2015 betreibt Kremer-Schillings den Blog „Bauerwilli.de“, zusammen mit seinem Kollegen Alois Wohlfahrt, einem Biobauern aus dem Allgäu. Es ist das wohl beliebteste Blog der Branche, Bauer Willi war nach einem „Wutbrief“ an übersparsame Verbraucher sogar schon Gast bei Günther Jauch. Er ist eben, so sagt es sein Mit-Blogger, „eine echte Rampensau“.

Bauernhof und Blog, Traktor und Twitter, Ferkelmast und Facebook, das gehört für immer mehr Landwirte zusammen. Sie erklären ihre Arbeit und ihre Kämpfe, beackern auch kontroverse Themen wie Massentierhaltung und Milchkrise. Ein Großteil der Leser hat mit der Branche zu tun, doch das ändert sich gerade, sagt Kirstin Karotki vom Deutschen Bauernverband. Viele Menschen etwa informierten sich bei Facebook über ihren örtlichen Bauern: „Die Resonanz reicht inzwischen weit über die Argarszene hinaus.“

Fruchtbare Diskussionen – auch mit Veganern

„Wir möchte mit unserem Blog den Dialog fördern zwischen Landwirt und Verbraucher“, sagt Wohlfahrt, der 1998 „als einer der ersten Bauern in eine dicke Internetleitung“ investierte. „Landwirte haben großen Einfluss auf den Wohlstand unseres Landes, machen aber nur noch drei Prozent der Bevölkerung aus. Es findet eine Entfremdung statt. Viele Landwirte sind heutzutage misstrauisch gegenüber Verbrauchern, Presse und Politikern.“ Folge: Sie würden sich abschotten. Durch soziale Medien könne Landwirtschaft wieder sichtbarer und persönlicher werden. 40.000 Kommentare sind auf dem Blog bisher eingegangen. Gerade aus den Diskussionen mit Tierschützern habe er viel gelernt. „Landwirtschaft ist zu technisch geworden. Ein Tier aber ist keine Maschine. Tierschützer oder Veganer haben dazu beigetragen, manche Sicht zu hinterfragen.“ So sei etwa überdenkenswert, ob der sogenannte Ferkelschutzkorb wirklich ohne Alternative sei. Die Eisenstangen schränken die Bewegungsfreiheit einer Sau im Stall erheblich ein, bewahren sie aber davor, ihre Ferkel zu erdrücken. Die Diskussion war entfacht, nachdem Werner Schwarz aus Schleswig-Holstein eine 24-Stunden-Webcam auf seinen Schweinestall gerichtet hatte. Sein Ziel sei es gewesen, ein realistisches Bild zu vermitteln, erklärt Schwarz. „Bis dahin gab es nur extreme Bilder von glücklichen Schweinen unterm Apfelbaum oder gequälten Kreaturen.“

Besonders heiß laufen die Diskussionen auf Twitter, so Expertin Karotki. Dort ist auch Marcus Holtkötter aus dem Münsterland sehr aktiv. „Bauer Holti“ nennt er sich, oder auch „Großflächendesigner“. Über 10.000 Kurznachrichten hat er schon abgesetzt, über 1700 „Follower“ hat er. Romantik bietet auch er nicht: „Dass ich die Fütterung der Schweine mit dem iPhone steuere, passt für viele nicht ins Bild.“

Und dann gibt es doch Blogs, die richtig Landlust machen. Etwa das von Franz Kinker, Biobauer aus Bayern, der auch mal über die Glücksgefühle bei der Kälbchengeburt berichtet – und so gezielt Touristen für sein Gästehaus anspricht. Er beherzt die Grundregel, die jeder Blogger befolgen sollte, findet sein Kollege Wohlfahrt: „Persönlich und wahrhaftig sein, statt abstrakt zu bleiben.“