Los Angeles. Die Hollywood-Ikone rechnet bei den Golden Globes mit dem künftigen US-Präsidenten ab

Da mag Sylvester Stallone auch noch so ausgelassen auf der Neujahrsparty von Donald Trump gefeiert haben. Zwischen Hollywood und dem künftigen Präsidenten der Vereinigten Staaten wird es keine Romanze mit Happy End mehr geben. Amerikas Schauspielerzunft fremdelt bis auf ganz wenige Ausnahmen mit dem Selbstdarsteller aus New York.

Das wurde am Sonntag bei der Verleihung der alljährlich von den Auslandskorrespondenten Hollywoods vergebenen Golden Globes einmal mehr deutlich: Meryl Streep nutzte ihre Dankesrede für den begehrten Cecil B. DeMille-Preis für ihr Lebenswerk mit heiserer Stimme für eine unter die Haut gehende Gardinenpredigt, bei der Trumps Name nicht ein einziges Mal fiel. Und doch wusste jeder im Saal schon nach einem Satz, wer gemeint war. „Wenn die Mächtigen ihre Position benutzen, um andere zu tyrannisieren, dann verlieren wir alle.“

Die 67-Jährige, die derzeit als wunderbar schief singende Opernsängerin „Florence Foster Jenkins“ in den Kinos für Lacher sorgt, schilderte mit bebender Stimme die aus ihrer Sicht schlimmste Schauspieleinlage der vergangenen Jahre. Donald Trump hatte im Wahlkampf Ende 2015 auf offener Bühne in South Carolina den renommierten „New York Times“-Journalisten Serge Kovaleski nachgeäfft und sich über dessen angeborene Gelenkversteifung lustig gemacht.

Hintergrund: Trump hatte damals behauptet, Tausende Muslime hätten unmittelbar nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in New Jersey (gegenüber von Manhattan und den eingestürzten Türmen des World Trade Center) gejubelt und gefeiert. Er berief sich dabei auf einen Artikel von Kovaleski. Als der sich völlig falsch zitiert fühlte, schoss Trump zurück. „Und jetzt dieser arme Typ - Sie müssten diesen Typen sehen: ,Ah, ich weiß nicht, was ich gesagt habe! Ich erinnere mich nicht!‘“ Dazu machte Trump zuckende Bewegungen mit seinen Armen. Eine gewaltige Protestwelle war die Folge. Trump sagte ungerührt, er kenne Kovaleski gar nicht und würde „niemals“ Behinderte verspotten.

Meryl Streep geht diese Szene wie vielen Amerikanern immer noch nah. „Es hat mein Herz gebrochen, als ich es gesehen habe, und ich kann es noch immer nicht aus meinem Kopf bekommen.“ Im Festsaal der Golden Globes in Beverly Hills zeigten die Kameras erste feuchte Gesichter, als die dreifache Oscarpreisträgerin weiter argumentierte, ohne den Übeltäter beim Namen zu nennen: Der Instinkt, andere zu demütigen, ziehe in den Alltag ein, gerade dann, wenn es die Mächtigen vormachten. Andere fühlten sich nun berechtigt, dasselbe zu tun. „Respektlosigkeit lädt zu Respektlosigkeit ein, Gewalt animiert zu Gewalt.“

Trump ging auf Gegenangriff

Streep nahm auch ausführlich Gelegenheit, Trumps latent fremdenfeindliche Haltung, etwa gegen Einwanderer aus Mexiko, aufzuspießen. Hollywood „wimmelt von Außenseitern und Ausländern“, sagte sie und trug die Geburtsländer vieler Stars von Amy Adams (Italien) bis Ryan Gosling (Kanada) vor, „wenn wir sie alle rauswerfen, gibt es für uns nichts anderes mehr zu schauen als Football und Mixed Martial Arts, und das ist keine Kunst“.

Streeps hochpolitischer Auftritt machte Schule. „In diesem Saal sitzen Menschen aus China, Amerika und Europa“, sagte die französische Schauspielerin Isabelle Huppert (prämiert für ihre Rolle in dem Drama „Elle“) in Anspielung auf Trumps Abschottungsstrategie. „Erwartet nicht, dass das Kino Mauern und Grenzen errichtet.“

Der Gescholtene reagierte wie gewohnt. Über Twitter bezeichnete er Meryl Streep als einer der „am meisten überschätzten“ Schauspielerinnen Hollywoods. Abgesehen davon: Er habe nie einen behinderten Reporter verhöhnt. Aber, und an dieser Stelle wird es interessant, weil Trump bisher stets abgestritten hatte, Serge Kovaleski überhaupt zu kennen: „Ich habe ihn lediglich unterwürfig gezeigt, weil er eine 16 Jahre alte Geschichte verändert hat, um mich schlecht aussehen zu lassen.“ Dabei kann Kovaleski diese Geschichte gar nicht verändert haben: Er hat nie behauptet, dass Muslime über „9/11“ in Jubelstürme ausgebrochen sind.