Hamburg. Stephen Hawking erlebt einen weiteren Meilenstein seines dramatischen Lebens – seinen 75. Geburtstag

Stephen Hawking war 21, als sein Leben vorbei zu sein schien. Ärzte diagnostizierten bei ihm die Muskel- und Nervenkrankheit ALS, zweieinhalb Jahre habe er noch zu leben, sagten sie. Sein Körper werde verfallen, und Hawking werde das bei vollem Bewusstsein mitbekommen, denn sein Verstand bleibe unbeeinträchtigt. Ein Todesurteil für den lebenslustigen Physikstudenten.

Mehr als 50 Jahre später ist Hawking längst eine Ikone der Wissenschaft geworden. Sonntag feiert er seinen 75. Geburtstag. Die Krankheit hat dazu geführt, dass Hawking nahezu bewegungsunfähig ist. Auch sprechen kann er nach einem Luftröhrenschnitt 1985 nicht mehr, über Augenbewegungen steuert er einen Sprachcomputer. Doch er lebt, und das empfindet der Engländer als Geschenk. Als er begriff, dass die Krankheit bei ihm sehr langsam voranschreitet, war das ein Wendepunkt in Hawkings Leben: „Da jeder Tag mein letzter sein könnte, habe ich ein riesiges Verlangen, das Beste aus jeder einzelnen Minute zu machen.“ So begann Hawkings zweites Leben als ehrgeiziger Physiker.

Hawking begeisterte sein Fachgebiet mit Theorien zum Ursprung des Kosmos. Bereits als Doktorand legte er zusammen mit einem Kollegen einen Beleg für die damals noch sehr umstrittene Urknallthese vor. „Ich möchte wissen, warum das Universum so ist, wie es ist, und warum es überhaupt existiert.“ Er berechnete, dass auch Schwarze Löcher Strahlung abgeben, die Hawking-Strahlung, dass sie also langsam verdampfen. In der Welt der theoretischen Physik gilt Hawking als ein renommierter Forscher unter einigen anderen. Die Öffentlichkeit sieht in ihm ein Jahrhundertgenie.

Seit Jahren äußert sich Hawking, dessen IQ bei 160 liegen soll, zu den großen Menschheitsfragen. Der Atheist sieht seine Theorien von der Unendlichkeit des Universums als Beweis dafür, dass es keinen Schöpfer gebe. Dennoch werden Hawkings Verdienste auch vonseiten der Kirche anerkannt. 1986 wurde er in die „Päpstliche Akademie der Wissenschaften“ aufgenommen, erst kürzlich traf er sich im Vatikan mit Papst Franziskus.

Drei Jahrzehnte war Hawking Mathematikprofessor in Cambridge, gelegentlich wird er von Fachfremden zum Nachfolger Albert Einsteins verklärt. „Ich bin der Archetypus eines behinderten Genies“, sagte er. „Die Menschen sind fasziniert von dem Gegensatz zwischen meinen extrem eingeschränkten körperlichen Fähigkeiten und den gewaltigen Ausmaßen des Universums, mit dem ich mich beschäftige.“

Hawking sucht die Öffentlichkeit. In seinem millionenfach verkauften Buch „Eine kurze Geschichte der Zeit“ erklärte er physikalische Theorien so, dass auch Laien sie verstehen konnten. Er hatte Gastauftritte in den Fernsehserien „The Big Bang Theory“ und „Raumschiff Enterprise“. Die Verfilmung seines Lebens, „Die Entdeckung der Unendlichkeit“, erhielt einen Oscar.

Den roboterhaften Klang seiner Stimme hält er für sein Markenzeichen. Dabei haben die Entwickler seines Sprachcomputers ihm längst angeboten, dem Gerät einen neuen Ton zu geben, der seiner ursprünglichen Stimme näher käme.

Für viele ist er zu einem allwissenden Orakel geworden. Er warnt, die Menschheit werde sich selbst auslöschen, durch Roboter, die Klimaerwärmung oder einen Atomkrieg. Er plädiert dafür, neue Lebensräume im Weltraum zu suchen. Gemeinsam mit dem russischen Milliardär Juri Milner (55) plant er, eine Armee briefmarkengroßer Raumschiffchen auf eine 20-jährige Erkundungsreise zum Sternensystem Alpha Centauri zu schicken. „Früher oder später müssen wir zu den Sternen schauen.“

Er war zweimal verheiratet,hat drei Kinder

Dass Stephen Hawking, diese untrennbare Einheit aus Rollstuhl, Sprachcomputer und zusammengekrümmtem Körper, auch ein fühlendes Wesen ist, wird häufig vergessen. Kurz vor seiner ALS-Diagnose hatte er auf einer Studentenparty eine Geisteswissenschaftlerin kennengelernt – seine spätere Frau. Mit ihr hat er drei Kinder, die Ehe hielt 30 Jahre. Später nannte seine Ex-Frau ihn einen Haustyrannen. 1995 heiratete Hawking seine Pflegerin, die Verbindung hielt elf Jahre.

In einem Interview sagte er auf die Frage, worüber er am meisten nachdenke: „Frauen. Sie sind ein komplettes Rätsel.“