Berlin. Im Mordprozess gegen Silvio S. sagte auch ein Videothekenbesitzer aus. Er berichtete, was der Angeklagte über Kindesentführer dachte.

Der mutmaßliche Kindermörder des kleinen Mohamed hat sich kurz vor seiner Festnahme öffentlich über die Entführung des Flüchtlingskindes empört. „’Sowas müsste man eigentlich um die Ecke bringen’, hat er gesagt“, berichtete ein Videothekenbesitzer (45) am Montag im Prozess gegen Silvio S. am Landgericht Potsdam.

Zu diesem Zeitpunkt Mitte Oktober war noch nicht bekannt gewesen, dass Mohamed tot war. Silvio S. hat den Vierjährigen laut Anklage entführt, missbraucht und umgebracht. Auch der gewaltsame Tod des sechsjährigen Elias aus Potsdam wird dem 33-Jährigen vorgeworfen.

Videothekenbesitzer erkannte Silvio S. nicht

Das Gespräch zwischen dem Videothekenbesitzer und S. sei auf das Thema gekommen, weil genau in dem Moment, in dem S. zur Kasse gekommen sei, grobkörnige Aufnahmen von Mohamed und seinem Entführer auf einem Bildschirm über der Theke liefen. Die Abendnachrichten begannen gerade, schilderte der Verleiher. „Ich habe ihn leider nicht erkannt.“ Es war der letzte Besuch des Kunden. Später waren schärfere Bilder einer Überwachungskamera veröffentlicht worden, S. wurde festgenommen.

Bei dem Videothekenbesitzer hatte der Angeklagte in knapp einem Jahr fünf Filme ausgeliehen mit Titeln wie „Nackt, gefesselt und benutzt“. Sämtliche Videos seien Produktionen aus der Sado-Maso-Ecke gewesen. „Das ist definitiv sein Ding. Alles was mit Sado-Maso zu tun hat – Fesseln, Knebeln. Die letzten beiden waren das Schlimmste, was man legal ausleihen konnte.“ Dieses Urteil beziehe sich aber allein auf Titel und Cover, gesehen habe er die Machwerke nicht. „Die Ecke habe ich danach (Anmerkung der Redaktion: der Festnahme von S.) geschlossen.“

Mohameds Leiche lag in einer Wanne voller Katzenstreu

Im Prozess haben zudem Polizisten berichtet, wie sie die Leiche des kleinen Mohamed gefunden haben und wie sie die Festnahme erlebten. So sagte ein Polizist aus, im Kofferraum des Autos von Silvio S. die Leiche des kleinen Mohamed entdeckt zu haben. Der Körper lag demnach in einer gelben Wanne, die mit Katzenspreu gefüllt war. Nur ein Köperteil (Arm oder Bein) war nicht vom Streu bedeckt. Der Beamte hatte noch bis zuletzt gehofft, das Kind lebend zu finden.

Silvio S. verdeckt im Gericht sein Gesicht mit einem Aktenordner.
Silvio S. verdeckt im Gericht sein Gesicht mit einem Aktenordner. © dpa | Bernd Settnik

Der Polizist war zunächst allein nach Kaltenborn gefahren, weil Silvio S.’ Mutter angerufen und erzählt hatte, sie habe den Sohn auf den Suchfotos erkannt. Wenig später kam Verstärkung, die Beamten nahmen Silvio S. fest und brachten ihn weg. Dieser benahm sich devot und wehrte sich nicht. Bei der Festnahme wurde in seiner Hosentasche ein Zettel gefunden, auf dem Namen und Potsdamer Telefonnummern vermerkt waren. Er erklärte dazu, dass es sich um Anwälte handele.

„Jetzt macht ihr uns den Teppich dreckig“

Die Festnahme ließ den Vater des mutmaßlichen Täters nach Erinnerung von Polizisten offenbar ziemlich kalt. „Der Vater saß im Sessel und sagte, er finde es komisch, dass so viel Polizei im Hause sei“, erinnerte sich einer der drei an der Festnahme beteiligten Beamten. Ein zweiter Polizist (26) ergänzte: „Der Vater sagte: ‘Jetzt macht ihr uns mit euren schmutzigen Schuhen noch den Teppich dreckig.’“ Ihm sei diese Reaktion unangemessen vorgekommen. Die Mutter des heute Angeklagten soll daraufhin erwidert haben, es gehe ja nicht um ein Verkehrsdelikt.

Sie wirkte nach Erinnerung der Beamten sehr niedergeschlagen. Der Vater habe hingegen lapidar gesagt: „Unser Sohn lebt sein Leben, wir unseres.“ Die Mutter hatte die Polizei gerufen, weil sie ihren Sohn auf einem Fahndungsbild erkannt hatte. Er habe daraufhin geantwortet: „Ich habe es gemacht, ich hole noch Beweise“, sagte Hauptkommissar Rolf M. aus.

In einer umgestalteten Parzelle einer Kleingartenanlage in Luckenwalde (Brandenburg) steht eine Gedenktafel für die ermordeten Kinder Elias und Mohamed.
In einer umgestalteten Parzelle einer Kleingartenanlage in Luckenwalde (Brandenburg) steht eine Gedenktafel für die ermordeten Kinder Elias und Mohamed. © dpa | Ralf Hirschberger

Ein weiterer Beamter beschrieb Silvio S. bei seiner Festnahme als eher „genervt“, aber nicht geschockt. So „als stünde ein lästiger Staubsaugervertreter vor der Tür“. S. soll dann auch noch mehrmals auf seine Armbanduhr geschaut und erklärt haben, dass er zu seinem Dienst als Wachschutzmann müsse. Er würde zu spät kommen und deswegen gerne seinen Chef informieren.

Silvio S. gestand schon im Streifenwagen

Ein 24 Jahre alter Polizist sagte aus, dass ihm Silvio S. nach der Festnahme beim Transport im Funkstreifenwagen erzählte, dass Mohamed nicht lange habe leiden müssen. Er habe das Kind am Morgen nach der Entführung in seiner Wohnung in Kaltenborn getötet. Die Leiche habe er seitdem in der Plastikwanne aufbewahrt.

Im Gerichtssaal wurden die gelbe Wanne, in der Mohameds Leiche lag, Handschellen und Kinderkleidung gezeigt. Zu den weiteren Fundstücken aus dem Auto des Angeklagten gehörten zudem etwa verschiedene Fesseln, ein Elektroschocker, Schlaftabletten, Chloroform und Kabelbinder. Silvio S. hat sich im Prozess zu den Vorwürfen bislang nicht geäußert. Jedoch legte er bei der Polizei nach seiner Festnahme ein Geständnis ab. (mit dpa)

Dieser Text ist zuerst auf morgenpost.de erschienen.