Berlin. Beim Prozess gegen das Model Gina-Lisa Lohfink kommt es drinnen zum Eklat, draußen wird demonstriert

Der emotionalste Moment dieses Prozesstages gegen Gina-Lisa Lohfink findet nicht im überfüllten Saal des Amtsgerichts Tiergarten statt, sondern draußen auf der Straße. Den ganzen Tag über haben etwa 100 Demonstranten für sie dort ausgeharrt. Es ist der Moment als Lohfink zu ihnen spricht. Sie weint. „Ich bin überwältigt, dass ihr alle da seid. Nicht mal meine Familie ist hier.“ Die Masse applaudiert und skandiert: „Du bist nicht allein!“ Lohfink ruft kämpferisch zurück: „Da drinnen sitzt der Typ und lügt rotzfrech. Was man mit den Frauen in Deutschland macht, das geht doch nicht!“ Und die Antwort ihre Unterstützer folgt sofort: „Nein heißt Nein! Nein heißt Nein!“

„Der Typ“, über den Lohfink spricht, ist Pardis F. Er ist als Zeuge im Prozess gegen die ehemalige „Germany’s next Topmodel“-Kandidatin geladen und einer der zwei Männer, die sie im Jahr 2012 der Vergewaltigung beschuldigte. Zu klären ist nun die Frage, ob zu Unrecht oder nicht. Für die Verbreitung eines Sex-Videos mit Lohfink waren die Männer bereits verurteilt worden, der Vorwurf der Vergewaltigung erhärtete sich damals laut Gericht nicht. Die heute 29-jährige Lohfink sollte wegen falscher Verdächtigung 24.000 Strafe bezahlen. Weil sie das nicht akzeptierte, steht sie nun vor Gericht.

Der Fall hat inzwischen weltweites Interesse erregt, sogar die „New York Times“ schrieb darüber und fragte, wie es in Deutschland um die sexuellen Rechte von Frauen bestellt sei. Hierzulande äußerten sich dazu bereits Familienministerin Manuela Schwesig und Justizminister Heiko Maas. Die Bundesregierung will den Grundsatz „Nein heißt Nein“ jetzt auch im Strafrecht verankern. Das TV-Sternchen Gina-Lisa Lohfink hat also schon viel erreicht, egal wie der Prozess ausgeht. Für die Unterstützer ist sie eine Ikone im Kampf gegen sexuelle Gewalt, im stickigen Gerichtssaal dagegen scheint es, als könne sie die Verhandlung kaum ertragen, sie wirkt wie ein Häufchen Elend.

Die Verhandlung beginnt mit einem Befangenheitsantrag der Verteidiger gegen die Richterin. Der zurückgestellt wird. Danach wird der Zeuge Pardis F. zu den drei Tagen im Juni 2012 befragt, an denen er Sex mit Lohfink gehabt habe. Pardis F. ist von Beruf Profifußballer, er erzählt, wie er Lohfink im Berliner Club „Maxxim“ kennengelernt habe, wie er daraufhin zu ihr in ein Neuköllner Hotel gefahren und nach einer Stunde Sex wieder weg gewesen sei. Als Pardis F. den zweiten Abend beschreibt, beginnt Lohfink, die keine drei Meter von ihm entfernt sitzt, zu weinen. Sie trägt eine ärmellose, elegante Bluse, einen Bleistiftrock, hohe Schuhe. Ihr linker Arm ist komplett tätowiert. Manchmal schüttelt sie während der Aussagen von F. den Kopf.

In der zweiten Nacht, so Pardis F., seien sie in die Wohnung des VIP-Betreuers vom Maxxim, Sebastian C., gegangen. C. habe F. die Unterkunft angeboten, weil das Hotel von Lohfink so weit weg gewesen sei. Lohfink habe eingewilligt, hinzugehen, dann hätten sie getrunken, manchmal seien Sebastian C. und Lohfink auch in die Küche gegangen. Um Drogen zu nehmen, wie Pardis F. annimmt. Gesehen habe er das nicht. Dann hätten er und Lohfink sich ausgezogen, geküsst, Sex gehabt. Pardis F.: „Dann bin ich runter von ihr und dann hat Sebastian Sex mit ihr gehabt. Und ich habe gefilmt.“

Lohfink bekam auch Besuch von Jerome Boateng

Von dem, was dort geschah, entstanden Videos, mal hat Pardis F. gefilmt, mal der andere. Lohfink habe nichts dagegen gesagt. Das „Nein, nein, nein“ oder „Hör auf“, welche im Video von Lohfink während des Sexes ausgesprochen werden, will er nicht gehört haben. „Ich würde niemals etwas machen, was sie nicht will“, sagt F. und dass er sogar Gefühle für Lohfink gehabt habe. Die Sache sei für ihn aber nach dem dritten Abend vorbei gewesen. Damals habe er sie noch einmal mit zwei Freunden in ihrem Hotel besucht. Einer dieser Freunde sei ein bekannter Fußball-Nationalspieler. Am nächsten Tag stand in der „Bild“-Zeitung, um wen es sich dabei handelte: Jerome Boateng. Pardis F. schreibt Lohfink die Öffentlichmachung zu: „Sie muss die Zeitung darüber informiert haben, dass ich mit meinem Freund da war.“ Der habe damals durch die Geschichte Ärger bekommen. Genauso wie er selbst übrigens: „Das hat meiner Karriere geschadet. Wegen der Videos bin ich mehr Opfer als sie“. Als Pardis F. das sagt, lachen die Zuhörer im Saal.

An diesem dritten Abend jedenfalls seien sie zuerst in der Lobby des Hotels gewesen, später dann auf einem Zimmer. Zu viert, auch da sei nur geredet worden. Die Freunde seien irgendwann gegangen und er geblieben, bis ihn am Morgen Lohfinks Managerin rausgeschmissen habe.

Nach Pardis F. wird Managerin Alexandra Sinner als Zeugin aufgerufen. Sie berichtet, wie Lohfink nach der zweiten Nacht gewirkt habe, „nicht wie sonst“, „sie war sehr in sich gekehrt“, „ich spürte sofort, da stimmt etwas nicht“. Sie unterstützte damit Lohfinks These, K.-o.-Tropfen in der Wohnung von C. bekommen zu haben.

Am dritten Abend, erklärt die Managerin, als sie Pardis F. und seine zwei Freunde, „einer davon war der bekannte Spieler Boateng“, in der Hotellobby getroffen habe, habe Lohfink zu ihr gesagt, dass es sein könne, dass sie in der Nacht davor gefilmt worden sei. Sinner will dann Pardis F. zur Rede gestellt und acht, neun Videos von seinem Handy gelöscht haben. Angesehen habe sie die Filme, die dann doch ins Netz gelangt sind und Medien zum Kauf angeboten wurden, nicht. „Erst eine Woche später habe ich gesehen, wie Gina-Lisa erniedrigt worden ist und wie sie hilflos sagte: ,Hör auf, hör auf’.“

Am Schluss der Verhandlung kommt es noch zum Eklat: Lohfink und ihre Verteidiger verlassen den Gerichtssaal. Mit der Begründung: Das Gericht habe die Öffentlichkeit bei einer geplanten Anschauung der Sex-Videos nicht ausschließen wollen. Wann die Verhandlung fortgesetzt wird, war noch nicht klar. Und vielleicht wird bei diesem Prozess selbst nach der Urteilssprechung kein Gefühl von Gerechtigkeit aufkommen.