Mendig. Rock am Ring mit 90.000 Fans wurde nach Blitzeinschlag und erneuter Unwetterwarnung vorzeitig beendet

    Rock am Ring begann mit einem Blitzeinschlag und endete mit dem vorzeitigen Abbruch. Wegen anhaltender Unwettergefahr ist das Festival in der Nacht zu Sonntag beendet worden. Nach einer erneuten Warnung vor schweren Gewittern habe die Verbandsgemeinde Mendig die Genehmigung für die Abschlusskonzerte entzogen, teilten die Veranstalter in der Nacht auf Sonntag mit.

    Die mehr als 90.000 Besucher wurden gebeten, wegen der Gefahrenlage bis zum Mittag abzureisen. Dazwischen aber ein kleines Wunder – die Red Hot Chili Peppers konnten auftreten und boten ein denkwürdiges Konzert. Der große Traum der Rockfans in der Eifel ging damit in Erfüllung: Zehntausende Armpaare reckten sich der Band entgegen. Bald danach machte die Nachricht vom vorzeitigen Abbruch des Festivals Rock am Ring die Runde. Zu gefährlich klangen die Unwetter­­­warn-ungen für Sonntag. Niemand wollte noch einmal eine Situation wie am Freitagabend riskieren, als Blitze auf dem Gelände des Flugplatzes Mendig eingeschlagen waren, und 71 Menschen verletzt wurden, die inzwischen mehrheitlich auf dem Weg der Besserung sind.

    „Vielleicht geht ja noch ein Vulkan hoch“, spottete der 25-jährige Student Robin beim Blick auf die Kuppen der Vulkaneifel. Es war dann tatsächlich die „Volcano“-Bühne, die am späten Sonnabend den explosiven Höhepunkt des Festivals erlebte: Zuerst mit dem Sound der kalifornischen Nu-Metal-Pioniere Deftones, dann mit den Red Hot Chili Peppers, die ihr Publikum mit 15 Songs einschließlich zweier Zugaben begeisterten, darunter das hymnische Klagelied „Dani California“. Die Stimmung steckte an, Bassist Michael „Flea“ Balzary ließ sich zu einer Handstandeinlage inspirieren.

    Die Euphorie kannte keine Grenzen. Crowdsurfer ließen sich über die Köpfe der Menge schieben, ein Bengalo wurde gezündet, alle wichen zur Seite und wurden in rotes Licht getaucht. Pyrotechnik war verboten, aber trotzdem ging es besonnen zu in der Rock-am-Ring-Gemeinde. „So ein wundervolles Erlebnis“, rief die 19-jährige Lisa aus Paderborn auf den Schultern ihres Freundes und küsste ihre ebenfalls in den Hochsitz genommene Freundin.

    „Nach dem zweiten Unwetter war uns klar, dass wir heimfahren“

    Da hatten sich andere schon auf den Heimweg gemacht. „Wir wollen nach Hause, weil es keinen Sinn und keinen Bock mehr macht hierzubleiben“, sagte der 27-jährige Außendienstvertreter Tobias. „Nach dem zweiten Unwetter war uns klar, dass wir heimfahren.“ Yasmin hingegen machte Party, „weil wir alles haben, um eine gute Zeit zu erleben“. Mit ihren Freunden tanzte sie auf den verschlammten Wegen des Campinggeländes, Musik hatten sie selbst dabei.

    In mehr als 30 Jahren Rock am Ring hatte Konzertveranstalter Marek Lieberberg das noch nie erlebt: Die katastrophale Wetterlage zwang ihn am Sonnabend zunächst zu einer siebenstündigen Unterbrechung. Der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz (SPD) sagte: „Ich weiß, mit welcher Freude die Besucher hier dabei sind und wie viel ihnen das Festival bedeutet.“ Aber die Sicherheit gehe vor.

    Es passierte am Freitagabend beim Auftritt des Comedy-Rocker-Duos Tenacious D: Mit dem nahenden Unwetter wurden die Besucher über Lautsprecher dazu aufgerufen, von den Metallzäunen zurückzutreten und ihre Zelte aufzusuchen. „Es kam ganz plötzlich, so etwas habe ich noch nie erlebt“, sagte Besucherin Dani. Blitze schlugen ein und verletzten junge Besucher, Krankenwagen brausten heran, Blaulicht zuckte durch die Nacht.

    Der Starkregen zerstörte auch viele Zelte. Die Rockfans bargen ihre Schlafsäcke und Grills, halfen sich gegenseitig und trösteten sich mit in Planschbecken gekühltem Bier. Und sie tanzten – in Gummistiefeln oder barfuß, in kurzen Hosen und Regenjacken. Die Wiesen waren völlig verschlammt, die Füße sanken knöcheltief in den Morast ein, Pfützen waren groß wie Teiche.

    Gähnende Leere herrschte am Sonnabendnachmittag im abgesperrten Bereich vor den Bühnen. Ein zweites Gewitter brach über das Gelände herein, für kurze Zeit war der Strom weg. Aber dann geschah ein kleines Wunder. Das Unwetter zog vorbei. Die Lautsprecherboxen vor den Bühnen wurden hochgehievt und die Securityleute gaben die Eingänge frei. Zehntausende strömten erneut vor die beiden Bühnen.

    Kanadische Band widmetden Verletzten einen Song

    Die beiden letzten Bands, die das Festival vorzeitig beendeten, gingen auf das Unwetter ein. Benjamin Kowalewicz, Sänger des kanadischen Rockquartetts Billy Talent, widmete einen Song den Verletzten des Blitzeinschlags. Die weit nach Mitternacht aufgetretene Berliner Country-Rock-Band The BossHoss bekundete den im Schlamm stehenden Besuchern Respekt: „Was habt ihr alle durchgemacht, und trotzdem seid ihr noch hier!“

    Am Morgen danach hatte eine bleierne Stille den Rock am Ring in der Eifel ergriffen. Bei diesigem Wetter packten die Rockfans ihre Rucksäcke, stellten sich an den Haltestellen für die Busse nach Koblenz an. Die 19-jährige Lisa will nächstes Jahr auf jeden Fall wiederkommen, dann zum fünften Mal: „Egal ob Regen, Hagel, Sonnenbrand – Rock am Ring forever!“