Berlin. Die Anzeigen wegen sexueller Belästigung in Berlin mehren sich. Schon sieben Frauen melden jetzt Vorfälle beim „Karneval der Kulturen“.

Auf dem „Karneval der Kulturen“ in Berlin-Kreuzberg sind deutlich mehr Frauen Opfer sexueller Belästigung von sogenannten „Antänzern“ geworden als bisher bekannt. Mittlerweile hätten sich sieben Frauen gemeldet, die nach eigener Aussage zwischen Freitag und Pfingstmontag Opfer von sexueller Nötigung durch Männergruppen geworden sind, sagte Polizeisprecher Thomas Neuendorf am Dienstag.

Nach Trickdiebstählen sind gegen sieben Verdächtige indes Haftbefehle erlassen worden. Das teilte eine Polizeisprecherin am Dienstagabend auf Anfrage mit. Die sieben Männer waren zuvor festgenommen worden, weil sie Frauen angetanzt haben sollen, um sie abzulenken und die Handtasche oder andere Wertgegenstände der Betroffenen zu stehlen. In diesen Fällen gab es keine sexuellen Übergriffe.

Frauen bedrängt und eingekesselt

Beim dem Fest waren am Pfingstwochenende außerdem mindestens acht Frauen von Männergruppen bedrängt und zudem sexuell genötigt worden. Diese Frauen zwischen 16 und 48 Jahren wurden bei dem viertägigen Straßenfest von den Männergruppen angetanzt, eingekesselt, bedrängt, begrapscht und zum Teil bestohlen. Die mutmaßlichen Täter beschrieben die Frauen laut Polizei als junge Männer mit südländischem Aussehen.

Einige der Frauen seien verstört gewesen oder hätten geweint. Sie wurden von den Tätern an Po, Busen und im Schritt angefasst. Körperliche Verletzungen habe keines der Opfer erlitten. Viele der Frauen seien mit Freundinnen unterwegs gewesen, so dass die Polizei noch mit weiteren Anzeigen rechne.

Haftbefehle gegen sieben Personen

Insgesamt sollen 22 Personen an den Übergriffen beteiligt gewesen sein. Die Polizei ermittelte bislang zwölf Tatverdächtige. Sie stammen laut Neuendorf aus Tunesien, Marokko, Algerien, Libyen, der Türkei und Deutschland. In vier Fällen geht es um sexuelle Nötigung, in sieben um „Antanzen“ und Diebstahl. Gegen sieben Personen wurden Haftbefehle erlassen, weil sie keinen festen Wohnsitz nachweisen konnten. Sie seien größtenteils als „Antänzer“ bereits polizeibekannt, sagte Neuendorf.

Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) sprach von einem erniedrigenden und frauenverachtenden Vorgehen, dass ebenso abstoßend wie kriminell sei. In mehreren Fällen sei den Opfern durch beherztes Einschreiten von Zeugen geholfen worden. Henkel appellierte dringend an mögliche weitere Betroffene, sich bei der Polizei zu melden.

Veranstalter schloss Bühne, um weitere Taten zu verhindern

Die Berliner Polizei nehme das Problem der „Antänzer“ sehr ernst und habe deshalb bereits Anfang April eine sechsköpfige Ermittlungsgruppe gegründet, sagte der Innensenator. „Wichtig ist, dass diese Täter dann auch juristische Konsequenzen spüren“, betonte Henkel. Laut Polizeistatistik kommen die Täter vor allem aus dem nordafrikanischen und arabischen Raum.

Der erste Übergriff war am Samstag bekanntgeworden. Opfer waren zwei junge Frauen, die vor einer Bühne tanzten und von einer zehnköpfigen Männergruppe umringt wurden. Dank eines 27-jährigen Zeugen, der dazwischen ging und die „Antänzer“ filmte, konnte die Polizei zwei 17-Jährige türkischer Herkunft und einen staatenlosen 14-Jährigen vorübergehend festnehmen. Alle drei sind bereits wegen Diebstahl und Körperverletzung bekannt.

Die Veranstalter des „Karnevals der Kulturen“ reagierten sofort und schlossen am Samstag und Sonntag die etwas abseits gelegene Bühne jeweils ab 20 Uhr, um weitere Taten zu verhindern.

Laut „Bild“-Zeitung berichtete auch ein Security-Mitarbeiter des Karnevals von Mädchen, die bei ihm Schutz suchten, weil sie in der Menge von Männern begrapscht worden seien. Einer jungen Frau sei plötzlich das Handy weggerissen worden. Das viertägige Straßenfest und der Umzug am Sonntag zählten mehr als 650.000 Besucher. Die Polizei war mit 800 Beamten vor Ort. (epd)