Chanhassen/Hamburg. US-Musiker war Pop-Pionier und Weltstar. Jetzt starb er mit 57 Jahren. 1988 hatte er in Hamburg für einen Skandal gesorgt

Er gehörte, gemeinsam mit Madonna (geboren 1958) und Michael Jackson (1958–2009), zum Dreigestirn des Superstar-Pops in den 80er-Jahren. Er sang vom Purpurregen („Purple Rain“) und von weinenden Tauben („When Doves Cry“). Und er sang vom Küssen. Vom Sex, immer wieder. Er war der erste Künstler, der seinen Künstlernamen, ein Markenzeichen auf dem ganzen Globus, nicht mehr tragen und künftig nur noch ein Symbol sein wollte. Er war (gefühlt) der erste, der im Radio überpiept wurde: „Sexy Motherfucker“ durfte nur „Sexy MF“ heißen. Und er war der Mann, der Rock, Funk und R&B miteinander verschmolz wie niemand anderes vor ihm. Jetzt ist Prince, der Pop-Pionier, im Alter von 57 Jahren gestorben.

Prince, am 7. Juni 1958 geboren als Prince Rogers Nelson in Minnesota, war schon einige Jahre im Geschäft, als ihn 1984 der Geniestreich „Purple Rain“ nach ganz oben katapultierte – für den Musikfilm erhielt Prince 1985 einen Oscar, Album und Single standen an der Spitze der Charts. Insgesamt sollte Prince mehr als 100 Millionen Tonträger in seiner Karriere verkaufen. Er hatte große Hits („Sign o’ the Times“, „Kiss“), beeinflusste Generationen von Musikern und galt als künstlerisches Genie – nicht nur, weil er als Multiinstrumentalist seine Songs oft alleine einspielte, sondern weil sein Amalgam aus unterschiedlichen Einflüssen avantgardistisch und massentauglich zugleich war.

Außerdem war der nur 1,58 Meter große Musiker, der einer Künstlerfamilie entstammte, das Paradebeispiel des um seine Integrität und Freiheit ringenden Künstlers. Ende der 80er-Jahre spitzten sich die Konflikte mit der Plattenfirma zu. Sie gipfelten schließlich in der so radikalen wie mutigen Entscheidung des Musikers, fortan nicht mehr als Prince aufzutreten, sondern unter einem Namen, der kein Name mehr war, vielmehr ein unaussprechliches Zeichen. Prince firmierte anschließend über viele Jahre hinweg wahlweise als „Symbol“ oder „TAFKAP“ („The Artist formerly known as Prince“, der Künstler, der einst Prince genannt wurde).

Und so wurde aus einem, der auch kommerziell Maßstäbe gesetzt hatte, ein Grenzgänger, der sich das Wort „Slave“ (Sklave) auf die Wange schrieb, um auf die kunstfeindlichen Versuche der Einflussnahme aufmerksam zu machen, die von der Plattenindustrie ausgingen. Durch seinen Kleidungsstil galt Prince früh als exzentrisch, und sein Verhalten war oft mindestens kapriziös: Mit den Musikern in seiner Band verstand er sich meist nicht gut. Dass er keine Haltung gehabt hätte, konnte man ihm nie vorwerfen. Sein Schaffen blieb, was die Quantität der Songs angeht, auch in den 90er-Jahren ertragreich. Und doch sank der Stern des Mannes, der in einer Zeit sehr berühmt war, in der an der Aufmerksamkeitsbörse noch keine Twitter- und Facebookaktien gehandelt wurden. Anders als Madonna, die sich immer wieder neu erfand, gelangen Prince über viele Jahre keine Hits mehr.

Er rannte dem Zeitgeist jedoch auch nie hinterher – eine unterschätzte Qualität. Seit Mitte der Nullerjahre lief es wieder besser für den Mann, den die „New York Times“ am Donnerstag in einem ersten Nachruf einen „singulären Musikstar“ nannte. „Musicology“ (erschienen 2004) und „3231“ (2006) fanden gleichermaßen bei Kritikern und Käufern Anklang. Mit Vorliebe ärgerte er weiterhin die Plattenindustrie und experimentierte als Künstler, der finanziell längst ausgesorgt hatte, mit neuen Vertriebswegen. 2007 wurde sein Album „Planet Earth“ einer Sonntagszeitung in Großbritannien kostenlos beigelegt. Auf Tournee ging Prince immer wieder, aber so groß wie in den 80ern war er auch bei den Live-Auftritten nie wieder.

Legendär waren seine beiden Hamburg-Auftritte im Millerntor-Stadion 1988. So laut hat wohl vorher und nachher niemand in Hamburg gespielt. Der Mythos will, dass aus dem ganzen Stadtgebiet Lärmbeschwerden eingingen und Prince nach dem Draußen-Konzert noch in der Großen Freiheit weiterspielte. Das Bezirksamt Hamburg-Mitte verbot Konzerte in dem Stadion vorläufig, und Prince’ Lautstärke beschäftigte sogar den Senat.

Wer in den 80er-Jahren jung war, dem hat Prince automatisch zumindest den Hintergrund-Soundtrack seines Lebens beschert. Wenige waren selbstbewusster als er, der 2010 behauptete, das Internet sei „total vorbei“.

Gerade erst hatte er, der einmal sagte, er wolle grundsätzlich nicht über die Vergangenheit reden, seine Memo­iren für 2017 angekündigt.

Vergangene Woche war Prince, der sich gerade auf einer Tournee befand, wegen einer schweren Grippe im Krankenhaus. Nach kurzer Zeit konnte er es wieder verlassen und ins heimische Minnesota reisen. Dort wurde er offenbar am Donnerstagmorgen (Ortszeit) tot aufgefunden.

Seine Sprecherin bestätigte den Tod des Musikers. In den sozialen Netzwerken herrschte wie in diesen Fällen meist purer Unglaube – „This can’t be true“, twitterte Justin Timberlake. Und das ist es dann aber halt doch, weil ein Popsong zwar unsterblich ist, ein Popstar aber nicht. Und deswegen weinen jetzt nicht nur die Tauben um einen einzigartigen Künstler, der auf seine Weise einer der großartigsten Selbstdarsteller war, den der Pop je hatte, ein Neuerer und eine Legende, die viel zu früh ging.