San Juan . Keimfreie Umgebung in Stadtregion könnte das Immunsystem beeinträchtigen

Stadtmenschen und Landmenschen leben mit sehr unterschiedlichen Bakterien zusammen: Mit zunehmender Verstädterung verändert sich die Bakteriengemeinschaft, die an Wänden und auf Böden menschlicher Behausungen zu finden sind, berichtet ein internationales Forscherteam im Fachblatt „Science Advances“. In städtischen Wohnräumen finden sich demnach vermehrt Bakterien, die am und im Menschen leben. Bakterien aus der Umwelt hingegen treten seltener auf. Diese Unterschiede wirkten sich womöglich auch auf die menschliche Gesundheit aus, schreiben die Forscher.

Das Team um Jean Ruiz-Calderon hatte an verschiedenen Orten im Amazonasbecken in Südamerika Proben der in den dortigen Haushalten lebenden Bakterien genommen: in einer traditionellen Urwaldsiedlung, in einem kleinem Dorf, in einer 400.000-Einwohner-Stadt und in der Großstadt Manaus mit 1,8 Millionen Bewohnern. Die Architektur der jeweiligen Behausungen unterschied sich erheblich – von der einfachen Hütte über kleinere Häuschen bis hin zum städtischen Hochhaus. Die Analyse zeigte, dass sich die Vielfalt der Bakterien an den einzelnen Orten grundsätzlich nicht unterschied. Allerdings veränderte sich mit zunehmender Verstädterung die Zusammensetzung der Bakteriengemeinschaft.

So fanden die Forscher in städtischen Haushalten an Wänden und auf den Böden vor allem Bakterien, die gewöhnlich in der menschlichen Mundhöhle oder im Darm leben. Dies erleichtere möglicherweise die Übertragung von Krankheitserregern. Der Mangel an Umweltbakterien in den Stadtwohnungen trage vielleicht zur Entstehung von Krankheiten bei, die in der industrialisierten Welt auf dem Vormarsch sind, schreiben die Forscher weiter. Dazu zählen etwa Übergewicht und Allergien. Dieses Ergebnis ihrer Studie stütze die Annahme der sogenannten Hygiene-Hypothese, nach der eine zu saubere und mithin keimarme Umgebung die Entwicklung des kindlichen Immunsystems beeinträchtigt und so die Entstehung von allergischen Erkrankungen fördert.

Die Forscher konnten anhand der identifizierten Bakterien sogar auf die Nutzung eines Raumes oder eines Raumbereichs schließen – und zwar am einfachsten in städtischen Behausungen. Sie führen das darauf zurück, dass in typischen Stadtwohnungen einzelne Zimmer durch Wände voneinander getrennt sind. Ihre kleine Pilotstudie beschränke sich allerdings nur auf eine Region der Welt, schränkten die Forscher ein. Die Ergebnisse seien daher möglicherweise nicht verallgemeinerbar.