Bad Aibling. Im bayerischen Bad Aibling stoßen zwei Nahverkehrszüge ungebremst zusammen. Mindestens zehn Menschen sterben. Ursache menschliches Versagen?

Je tiefer die Rettungskräfte in die Wracks vordringen, umso mehr Todesopfer finden sie. Traurige erste Bilanz: Mindestens zehn Menschen sterben, als zwei Nahverkehrszüge in der Nähe von Bad Aibling im Landkreis Rosenheim zusammenstoßen. Rund 80 Menschen wurden verletzt, darunter 18 schwer. Der Staatsanwalt ermittelt.

Unter den Toten seien auch die beiden Lokführer, sagte ein Polizeisprecher. Mindestens ein Mensch wird noch vermisst. Er soll sich in einem der Zugwracks befinden. Insgesamt befanden sich 150 Fahrgäste an Bord. Es ist das schlimmste Zugunglück in Bayern seit 1975.

Es war gegen 6.50 Uhr, als auf der eingleisigen Strecke zwischen Holzkirchen und Rosenheim zwei Züge frontal zusammenstießen. Dabei verkeilten sich die Triebwagen. Ein Zug entgleiste, mehrere Waggons stürzten um.

Vor Ort habe sich ein erschreckendes Bild geboten, sagte Bundesverkehrminister Alexander Dobrindt (CSU), der Dienstagmittag am Unglücksort eintraf. „Die Züge müssen mit sehr hoher Geschwindigkeit aufeinandergeprallt sein.“

Dramatische Szenen: Rettungen zogen sich über Stunden hin

Die Ursache für das Unglück soll Berichten der Nachrichtenagentur dpa und der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“ zufolge menschliches Versagen gewesen sein. Beide Medien berufen sich auf „zuverlässige Quellen“. Nach Informationen der „HAZ“ könne eine „verhängnisvolle Fehlentscheidung eines Fahrdienstleiters im Stellwerk von Bad Aibling“ für den Unfall verantwortlich sein. Das habe die Zeitung aus Ermittlerkreisen erfahren. Weder die Bahn noch die Polizei in Rosenheim wollte dies am Abend bestätigten.

Nach Erkenntnissen der Ermittler sind die Züge praktisch ungebremst ineinander gefahren. Die Unfallstelle liegt in einer Kurve, sodass die Fahrer wohl keinen Sichtkontakt gehabt hätten. Die Höchstgeschwindigkeit der Strecke liegt bei 100 Stundenkilometern. Die Züge des privaten Meridian werden von der zur Transdev gehörenden Bayerischen Oberlandbahn (BOB) betrieben.

Um diese Uhrzeit nutzen üblicherweise zahlreiche Pendler die Züge. Schüler waren ausnahmsweise nicht dabei – in Bayern sind derzeit Faschingsferien. Die Bergungsarbeiten gestalteten sich schwierig, weil die Unglücksstelle in einem unzugänglichen Waldstück an einer Hangkante neben dem Flüsschen Mangfall liegt. Es dauerte teils Stunden, die Fahrgäste zu befreien. Ein Großaufgebot an Rettungskräften mit zahlreichen Hubschraubern und Krankenwagen kümmerte sich um die Verletzten. Auch Hubschrauber aus Österreich flogen zur Unterstützung an.

Ein Notarzt berichtete, ein Verletzter sei so eingeklemmt gewesen, dass er erst nach zweieinhalb Stunden habe befreit werden können. Währenddessen sei er mit Sauerstoff und Schmerzmitteln versorgt worden. Die Hubschrauber brachten die Schwerverletzten in Krankenhäuser, in denen planmäßige Operationen abgesagt wurden, um Kapazitäten zu schaffen. Zum Teil wurden die Opfer auch in Bergungssäcken von den Hubschraubern hochgezogen. Die zahlreichen Leichtverletzten wurden in einer Sammelstelle versorgt. Dabei half auch die Wasserwacht, die die Verletzten auf das gegenüberliegende Ufer brachte. Auch die Bergwacht war im Einsatz. Die Bevölkerung wurde zum Blutspenden aufgerufen.

„Der Unfall ist ein Riesenschock für uns“, sagte BOB-Geschäftsführer Bernd Rosenbusch. „Wir tun alles, um den Reisenden, Angehörigen und Mitarbeitern zu helfen.“ Christian Schreyer vom Mutterkonzern Transdev: „Wir sind zutiefst erschüttert und fassungslos, dass so etwas passieren konnte.“ Deutsche-Bahn-Chef Rüdiger Grube: „Wir sind tief bestürzt.“ Die 37 Kilometer lange Strecke zwischen Holzkirchen und Rosenheim wurde nach dem Unglück komplett gesperrt.

Menschliches Versagen? Gestörte Technik? Die Ermittler hoffen sich Aufschluss von der Blackbox-Analyse. Verkehrsminister Dobrindt sagte bei einer Pressekonferenz nach dem Unglück, dass zwei von drei Blackboxen an Bord eines Zuges bereits geborgen wurden. Erst wenn diese und die dritte Blackbox ausgewertet seien, sei eine Klärung der Ursache möglich.

Bislang habe es auf der Strecke keine Störungen gegeben, sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Zudem habe es in den letzten Jahrzehnten „massive Verbesserungen in der Zugsicherungstechnik“ gegeben, sodass „ein solches Unglück, wo sich zwei gegenläufige Züge auf dem gleichen Gleis befinden, eigentlich nicht mehr vorkommen kann“.