Olivenöl - jeder kennt es, fast jeder mag es. Olivenöl gilt als gesund, Feinschmecker und Gelegenheitsköche schätzen es gleichermaßen. Gewaltige 1,57 Millionen Tonnen flossen 2015 EU-weit. Auf den meisten Flaschen in deutschen Supermärkten steht „Natives Olivenöl extra“, diese Kennzeichnung gebührt laut EU-Olivenölverordnung nur besonders hochwertigen Produkten. Dass es die Hersteller damit nicht so genau nehmen, zeigt eine neue Untersuchung der Stiftung Warentest: 13 von 26 Olivenölen bekamen das Urteil mangelhaft.

Ob teures Bioprodukt oder vom Discounter – die Warentester fanden zahlreiche Verstöße gegen den guten Geschmack. So mundeten einige Öle modrig, ranzig oder sogar wurmstichig. Andere waren stark mit Mineralölen und anderen Stoffen belastet, die in Lebensmitteln nichts zu suchen haben, oder machten falsche Angaben bei der Herkunft. Nur ein einziges Öl überzeugte die Tester: O-Med Picual Extra Virgin Olive Oil schnitt gut ab. Dafür zahlen Verbraucher rund 40 Euro pro Liter.

Olivenöl mit potenziell krebserregenden Mineralölrückständen

Olivenöle, die in puncto Schadstoffen mangelhaft abschneiden, haben auch insgesamt kein besseres Urteil verdient, so die Meinung der Warentester. Das wurde gleich fünf Ölen zum Verhängnis. „Die bedenklichsten Substanzen dieser Schadstoffgruppe sind die aromatischen Mineralölkohlenwasserstoffe, MOAH. Sie gelten als potenziell krebserregend“, sagt Ina Bockholt, Ernährungsexpertin bei der Stiftung Warentest. In den Ölen von Herdade Paço do Conde Portugal, L’Estornell Arbequina Picual, Livio und dem Bio-Öl Mani Bläuel Kalamata wiesen die Tester hohe Gehalte von MOAH nach. Gesättigte Mineralölkohlenwasserstoffe, sogenannte MOSH, die sich im Körper anreichern können, entdeckten die Tester gar in allen Ölen – in einem der teuersten Bioprodukte, Agrestis Nettar Ibleo, in so großen Mengen, dass sie es ebenfalls mit mangelhaft bewerteten.

Dabei bekam das Öl für seinen Geschmack und Geruch die Note „sehr gut“ im Unterpunkt „Sensorik“, doch die hohe Schadstoffbelastung ist für die Warentester wichtiger. „Dieser Mangel wiegt so schwer, dass er durch nichts ausgeglichen werden kann“, sagt Ina Bockholt, „der Hersteller hat eine Sorgfaltspflicht, ein Produkt darf keine gesundheitsschädlichen Schadstoffe enthalten.“

Grenzwerte von der Politik gefordert

Eine Einstellung, die auch die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch teilt, sie forderte die betroffenen Hersteller am Donnerstag auf, ihre Produkte aus dem Handel zurückzurufen. „Die Olivenöle stellen ein ernstzunehmendes Gesundheitsrisiko dar. Ihr Verkauf muss sofort gestoppt werden“, erklärte Luise Molling von Foodwatch. Gesetzlich verpflichtet sind sie dazu nicht. Derzeit gibt es keine gesetzlichen Vorgaben, die die Gehalte an Mineralölbestandteilen in Lebensmitteln regulieren. „Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz erarbeitet derzeit eine Verordnung, in der der Übergang dieser Substanzen in Lebensmittel geregelt werden soll“, schreibt das Bundesinstitut für Risikobewertung auf seiner Internetseite.

Foodwatch ist diese Zusicherung nicht genug: „Es ist offensichtlich, dass die Lebensmittelbranche das Problem nicht im Griff hat. Ernährungsminister Christian Schmidt muss sichere Grenzwerte für Mineralölverunreinigungen festlegen – für die besonders kritischen aromatischen Mineralöle muss Null-Toleranz gelten.“ Als Grund für die Belastung der Olivenöle vermutet Stiftung Warentest Abgase, technische Öle oder auch Paraffinöl, das in der EU als Pflanzenschutzmittel zugelassen ist.

Weichmacher im Olivenöl

In dem Olivenöl des Anbieters Mylos entdeckten die Tester größere Mengen an sogenanntem Diethylhexylphthalat (DEHP), ein Weichmacher, der die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen kann. „Er kann zum Beispiel aus der Verpackung in ein Produkt übergehen, bei ölhaltigen Lebensmitteln besonders leicht. Deshalb ist DEHP seit einigen Jahren in Materialien verboten, die mit Speiseöl in Kontakt kommen könnten“, sagt Bockholt. Trotzdem steckte er noch in vier weiteren Olivenölen im Test, so die Verbraucherschützer. Rückstände von Pflanzenschutzmitteln waren im aktuellen Test scheinbar kein gravierendes Problem. Ohnehin gibt es für Olivenöl keinen durch die EU festgelegten Grenzwert für Pestizide, wohl aber für die Oliven. Daraus errechnete Stiftung Warentest selbst einen Höchstwert, den auch keiner der Testkandidaten überschritt. Einzig das Olivenöl Antico Frantoio della Fattoria Olio kratzte am Toleranzbereich, „es enthielt einen hohen Gehalt des Insektizids Chlorpyrifos“, so die Tester.

"Natives Olivenöl extra" - modrig bis wurmstichig

Vor allem der Geschmack wurde den getesteten Olivenölen zum Verhängnis. Alle tragen die Bezeichnung „Natives Olivenöl extra“ auf dem Etikett, doch gleich sieben Kandidaten schmeckten laut Warentest wahlweise modrig, lakig, ranzig oder sogar wurmstichig. Sie alle schnitten deshalb automatisch mangelhaft ab, darunter beispielsweise die Öle von Alnatura und Livio. Wenn „Natives Olivenöl extra“ auf der Flasche steht, darf das Produkt nicht den kleinsten sensorischen Fehler haben, sonst darf es sich nicht so nennen“, sagt Bockholt, „die sensorisch sehr guten Öle sind zum Beispiel ‚fast intensiv fruchtig‘, ‚leicht bitter‘ und ‚deutlich scharf‘.“ Das schafften im aktuellen Test drei, doch nur der Testsieger O-med Pictual überzeugte auch in den übrigen Punkten.

Das sensorische Urteil modrig oder intensiv fruchtig ist dabei keineswegs subjektiv. Für Olivenöl bestimmt eigens der Internationale Olivenölrat in Madrid sogenannte Panels, Gruppen geschulter Sensoriker, die für die Verkostung von Olivenöl speziell ausgebildet sind.

Olivenöl: Die Herkunfts-Lüge

Auch bei der Deklaration patzten fast alle Olivenöle, die die Tester unter die Lupe nahmen. So müssen nach Angaben der Warentester drei Pflichtangaben auf der Flasche stehen: „Natives Olivenöl extra“, „erste Güteklasse – direkt aus Oliven ausschließlich mit mechanischen Verfahren gewonnen“ sowie die Herkunft. Aber nur auf fünf der 26 Flaschen machten die Anbieter es richtig. Zudem schummelten scheinbar auch mehrere Anbieter bei der Angabe der Herkunft.

Alnatura, Antico Frantoio, Piccardo & Sayorè Riviera Ligure und PrimOli Toscano geben als Herkunftsland Italien an, Aldi Nord Spanien – bei allen fünf ließ sich diese Angabe durch eine Herkunftsanalyse nicht bestätigen, so die Warentester. Für die fünf Produkte bedeutet das: mangelhaft. „Wir fordern, dass ein Etikett verlässlich ist. Wenn die Laboranalyse das Gegenteil belegt, ist das für uns Verbrauchertäuschung“, erklärt Bockholt. Selbst das EU-Herkunftssiegel sei offenbar keine Garantie für Richtigkeit.

Trotz ernüchternder Ergebnisse rät Stiftung Warentest nicht dazu, Olivenöl ganz vom Speiseplan zu streichen. Studien würden belegen, dass die mediterrane Küche mit wenig Fleisch, viel Gemüse, Fisch, Nüssen und Olivenöl Herz und Kreislauf guttue. Wer den Rat beherzigen möchte, kann immerhin zu dem guten und den neun befriedigenden Olivenölen greifen.