Unter dem Titel „Angezählt – wie viel Zeit bleibt Merkel noch?“ ließ Frank Plasberg am Montagabend diskutieren, wie lange die Bundeskanzlerin ihre Flüchtlingspolitik noch durchhalten kann.

Die Besetzung der Runde schien auf den ersten Blick gut geeignet, um den Zustand der Regierung Merkel aus unterschiedlichen Perspektiven einzuordnen. Geladen waren neben SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann und dem CDU-Europaabgeordneten Elmar Brok auch die Spiegel-Journalistin Melanie Amann, der bayerische CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer sowie FDP-Chef Christian Lindner.

Nur ein Gast hat eine Antwort

Die Hoffnung auf eine kontroverse Debatte zur Person Merkel verlor sich aber rasch. Zum eigentlichen Thema hatte nur Journalistin Amann etwas beizutragen. „Wir werden keinen Putsch gegen Merkel erleben“, sagte die Spiegel-Redakteurin. Zwar gebe es in der Partei eine „enorme Angst“, dass die Kanzlerin mit ihrer Flüchtlingspolitik scheitert. Diese lasse sich aber nicht in einen Aufstand umwandeln, da selbst die CSU nur folgenlose Drohungen ausspreche.

Auf der anderen Seite stellte Amann heraus, dass Merkel inhaltlich einen schweren Stand hat. Die Kanzlerin habe sich zur Lösung der Flüchtlingskrise auf einen Plan festgelegt, erhalte für die Umsetzung in der Koalition aber nicht ausreichend Zeit und Unterstützung. „Der Plan wird von der CSU torpediert und von der SPD blockiert“, sagte Amann. Zu drastischen Schritten wie etwa Neuwahlen wird Merkel nach Einschätzung der Journalistin in den kommenden Monaten dennoch nicht gezwungen sein. Für die anstehenden Landtagswahlen erwartet Amann für die CDU gute Ergebnisse.

Die Debatte der vergangenen Wochen in verdichteter Form

Damit wäre der Erkenntnisgewinn zur eigentlichen Frage bereits zusammengefasst. Die Politiker-Besetzung der Runde verlegte sich unterdessen, befeuert von einer unentschlossenen Gesprächsführung, darauf, den größten Teil der Sendezeit mit den üblichen Gefechten der Großen Koalition zu verbringen. Wer blockiert wen? Welche Rolle spielen Hotspots, Transitzonen und das Dublin-Verfahren? Und wohin führt eine Obergrenze? Nur wer die Diskussionen der vergangenen Wochen noch einmal verdichtet erleben wollte, wurde hier gut bedient.

Die Rolle des Hardliners übernahm dabei wenig überraschend CSU-Mann Kreuzer. Eltern, die ihre Kinder in Schlepperboote nach Europa setzen, unterstellte er, ihr Ziel sei der Familiennachzug. Um den Andrang an den Grenzen zu senken, müssten Grenzkontrollen eingeführt und Flüchtlinge in das EU-Land zurückgewiesen werden, das sie als erstes betreten haben. „Den Menschen muss klar gemacht werden, dass sie es nicht nach Mitteleuropa schaffen“, fasste Kreuzer den Ansatz zusammen.

Für Erheiterung sorgte daraufhin Elmar Brok, der mit einem Satz die Absurdität des von Kreuzer angesprochenen Dublin-Verfahrens vorführte. „Eine Flüchtlingspolitik, die darauf beruht, dass Griechenland alle Asylverfahren durchführen muss, wird nicht funktionieren“, sagte der CDU-Europaabgeordnete.

Können wir das Elend ertragen?

Bei der Frage nach Obergrenzen sorgte Gastgeber Plasberg immerhin mit einem konsequenten Weiterdreh für frischen Wind. Was passiert, wenn die EU-Außengrenzen tatsächlich dicht sind und die Menschen dort stranden, fragte die Redaktion in einem dramatisch bebilderten Einspieler? Daraufhin räumte SPD-Fraktionschef Oppermann ein, dass der Begriff „sichere Außengrenze“ eine verharmlosende Umschreibung sei, verwies allerdings auch darauf, dass es dafür legale und sichere Wege nach Europa geben werde.

Christian Lindner gab sich dagegen unbeeindruckt. „Mich schüchtern Sie mit diesen Bildern nicht ein“, sagte der FDP-Chef, der in vielen Punkten, etwa bei der Durchsetzung der Dublin-Regeln, mit den Forderungen der CSU übereinstimmte. Viele Menschen hätten das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit des Staates verloren, sagte Lindner. Die Bundesregierung müsse die Probleme lösen, sonst würden rechte Parteien profitieren.

Der Streit der Großen Koalition in Miniatur

Bei aller Beliebigkeit, ein Punkt wurde bei dieser Ausgabe von „Hart aber fair“ dann aber doch sehr deutlich, nämlich dass ein Teil der Flüchtlingskrise hausgemacht ist. So ist der Ruf nach schnellen Gesetzesänderungen seit November mit dem sogenannten Asylpaket II beantwortet, das unter anderem eine schnellere Registrierung der Flüchtlinge vorsieht.

Dass die Maßnahmen noch nicht verabschiedet sind, liegt – wie könnte es anders sein – am Streit zwischen den Koalitionsparteien: Die SPD befürwortet den Familiennachzug, die CSU lehnt ihn ab. Diesen Streit trugen Oppermann und Kreuzer in Miniatur noch einmal aus – eine ermüdende Debatte, die exemplarisch zeigt, wie gelähmt politische Prozesse selbst in Zeiten einer Großen Koalition sein können.

Die Ausgabe von „Hart aber fair“ können Sie in der ARD-Mediathek ansehen.